Zur Litanei knien alle, außer in der Osterzeit. Sofern die Litanei in einem Weihegottesdienst oder bei der ewigen Profess gesungen wird, prosternieren sich die Kandidaten oder Professen nach altem Brauch im Altarraum.
Außerhalb der Liturgie, etwa bei Andachten oder an den Bitttagen, kann die Litanei auch im Wechsel gesprochen werden.
Entstehung
Die Anrufung von Heiligen hat ihre Vorbilder in Kleinasien um das Jahr 400. Diese Gebetsform wurde auch in der keltischen Frömmigkeit aufgegriffen und findet sich in den frühmittelalterlichen Laudes regiae. Die Mischform von Anrufungs- und Anliegenlitanei entstand im 7. Jahrhundert.
Papst Clemens VIII. beschränkte 1601 die Verwendung einer Vielzahl von Litaneien in der Liturgie stark und ließ neben der Lauretanischen Litanei nur die Allerheiligenlitanei ausdrücklich für den gottesdienstlichen Gebrauch zu.[5]
Aufbau
1. Teil: Anrufungslitanei
Die Allerheiligenlitanei ist in ihrem ersten Teil eine Anrufungslitanei. Zunächst wird Gott in der Kyrie-Litanei, mit der nahezu alle christlichen Litaneien beginnen, um sein Erbarmen angerufen. Es folgt die Anrufung von Heiligen, die um Fürsprache bei Gott gebeten werden.
Die Litanei kann über 100 Anrufungen umfassen. Gewöhnlich wird jedoch eine Auswahl verschiedener Heiliger genommen, darunter solche von lokaler oder für diesen Anlass besonderer Bedeutung (etwa Namenspatrone, Kirchenpatrone, Bistumsheilige, heilige Jungfrauen).[6] Eine kürzere Fassung ist Bestandteil der Taufwasserweihe in der Osternacht, auch die Sterbelitanei war verkürzt. Anrufungen, Bitten und Oration können nach Anlass variiert werden.
Bei den Anrufungen der Heiligen wird eine bestimmte Rangordnung eingehalten: Maria – Engel – Patriarchen und Propheten – Apostel und Evangelisten – Märtyrer und Märtyrinnen – Bischöfe, Bekenner und Kirchenlehrer – Priester und Leviten – Mönche und Einsiedler – Jungfrauen und Witwen – heilige Männer und Frauen.
2. Teil: Anliegenlitanei
Im zweiten Teil folgen die Bitten um Abwendung von Übeln, die Nennung des Heilshandelns Gottes und schließlich eine Reihe von Fürbitten. Diese erinnern in ihrer weit gespannten Thematik an die Großen Fürbitten der Karfreitagsliturgie und die ältesten erhaltenen Formen des Allgemeinen Gebets aus dem 4. Jahrhundert.[7]
Den Schluss der Litanei bildet wie in anderen Litaneien das dreifache Agnus Dei und außerhalb von Weihegottesdiensten eine Oration. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil schlossen sich an das Agnus Dei umfangreiche weitere Gebete an: eine Reihe von Christusanrufungen mit erneutem Kyrie eleison, das Pater noster, der Psalm 70, ein Responsorium mit Versikel und weiteren Fürbitten für den Papst, die Wohltäter, die Verstorbenen und die „abwesenden Brüder“, nach der AkklamationDominus vobiscum zehn orationsähnliche Gebete und eine Schlussversikel mit Erhörungswunsch, ganz zum Schluss ein Friedenswunsch für die Verstorbenen.
Text der Litanei
Einleitung
ggf. Gebetseinladung durch den zelebrierenden Bischof oder Priester.
Diakon: Beuget die Knie.
Durch deine Menschwerdung und dein heiliges Leiden
Herr, befreie uns.
Durch dein Sterben und Auferstehn
Herr, befreie uns.
Durch die Sendung des Heiligen Geistes
Herr, befreie uns.
Verschiedene Anrufungen und Bitten
Schola
Alle
Wir armen Sünder
wir bitten Dich, erhöre uns.
Schütze deine Kirche und leite sie
wir bitten Dich, erhöre uns.
Erleuchte den Papst, unseren Bischof und alle Hirten
wir bitten Dich, erhöre uns.
Erfülle alle Glieder der Kirche mit der Kraft des Heilgen Geistes
wir bitten Dich, erhöre uns.
Erneuere deine Kirche im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe
wir bitten Dich, erhöre uns.
(wenn Täuflinge anwesend sind) Schenke diesen Erwählten im Wasser der Taufe das neue Leben
wir bitten Dich, erhöre uns.
Stärke die Kirche in Bedrängnis und Verwirrung
wir bitten Dich, erhöre uns.
Gib ihren Feinden Einsicht und Umkehr
wir bitten Dich, erhöre uns.
Führe dein Volk zur Einheit
wir bitten Dich, erhöre uns.
Schenke den Völkern der Erde Frieden und Freiheit
wir bitten Dich, erhöre uns.
Bewahre sie vor Missbrauch der Macht und allem Unrecht
wir bitten Dich, erhöre uns.
Stärke und erhalte uns in Deinem heiligen Dienste
wir bitten Dich, erhöre uns.
Lass alle Menschen teilhaben an den Gütern der Erde
wir bitten Dich, erhöre uns
Erfülle uns mit Liebe und Barmherzigkeit
wir bitten Dich, erhöre uns.
Segne alle, die uns Gutes tun
wir bitten Dich, erhöre uns.
Dass die Eheleute fest bleiben in Treue
wir bitten Dich, erhöre uns.
Dass Eltern und Kinder einander verstehen
wir bitten Dich, erhöre uns.
Mach uns bereit zu Buße und Umkehr
wir bitten Dich, erhöre uns.
Dass wir in deinem Dienste bleiben
wir bitten Dich, erhöre uns.
Dass du uns wachend findest bei deinem Kommen
wir bitten Dich, erhöre uns.
Gib den Verstorbenen das ewige Leben
wir bitten Dich, erhöre uns.
Schola
Alle
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt
Herr, verschone uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt
Herr, erhöre uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt
Herr, erbarme dich.
Christus, höre uns
Christus erhöre uns.
Oration
V
Alle
Lasset uns beten. Barmherziger Gott, du hilfst deinen Dienern in ihrer Not und erhörst ihr Bitten. Wir danken dir, denn du hast uns Barmherzigkeit erwiesen. Bewahre uns vor Unheil und schenke uns Freude in deinem Dienst. Durch Christus, unsern Herrn.
Amen.
Literatur
Schöne Gebether von den heiligen vierzehen Nothhelfern samt Einer schönen Litaney in absonderlichen Nöthen zu gebrauchen, so zu Anger in Unter=Steyer sonderbar verehret werden; Nebst einer Litaney zu dem bittern Leiden und Sterben Jesu Christi. Mit Erlaubniß der Obern. Grätz [d.i.hd. Graz] gedruckt bey Widmannstätterischen Erben, 1775.
Heinrich Samson: Die Allerheiligen-Litanei geschichtlich, liturgisch und ascetisch erklärt. Bonifacius, Paderborn 1894.
Carl Kammer: Die Litanei von allen Heiligen. Rauch, Innsbruck 1962[8].
↑Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie - Grundsätze und Orientierungen. In: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls. Band160, 17. Dezember 2001, S.172 (dbk.de [PDF]).
↑Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes, Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen, hg. von den Liturgischen Instituten, Freiburg - Basel - Wien
↑Apostolische Konstitutionen, achtes Buch; siehe dazu: Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften. Zweite Auflage, in neuer Bearbeitung, Freiburg im Breisgau 1881–1903, Art. Litanei 3.[1]
↑S. 7f. (II. Die Geschichte der Allerheiligenlitanei) ist nahezu wörtlich, jedoch ohne Quellenangabe, übernommen aus: Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften. Zweite Auflage, in neuer Bearbeitung, Freiburg im Breisgau 1881–1903, Art. Litanei 3.[2]