Bereits in der Antike war das Mineral, überliefert durch Plinius den Älteren, unter der lateinischen Bezeichnung auripigmentum bekannt. Bei den Bergmännern kannte man es als Arsenblende und im französischen und englischen Sprachraum wird es bis heute als Orpiment bezeichnet. Im Mittelalter kamen noch die mittel- und neulateinischen Bezeichnungen arsenicum citrinum bzw. arsenicum flavum hinzu.[7]
Auripigment kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt nur selten kleine, prismatische Kristalle oder pseudorhombischeZwillinge. Meist findet es sich in Form von blättrigen, säuligen oder faserigen Mineral-Aggregaten sowie krustigen Überzügen. Die Oberflächen der durchsichtigen bis durchscheinenden Kristalle weisen einen harz- bis fettähnlichen Glanz auf, Spaltflächen schimmern dagegen eher perlmuttartig. Im Allgemeinen ist Auripigment von zitronen- bis goldgelber Farbe. Je nach Verwitterungszustand oder Art der Fremdbeimengungen kann die Farbe aber auch eher bronzegelb bis bräunlichgelb wirken oder einen Stich ins Rötliche oder Grünliche haben. Auf der Strichtafel hinterlässt das Mineral dagegen immer einen kräftig hellgelben Strich.
Obwohl Auripigment zu den hochgiftigen Mineralen zählt, wurde es aufgrund seiner strahlend goldgelben Farbe gerne als Pigment-FarbeRauschgelb in der Malerei eingesetzt.
Die deutsche Bezeichnung Auripigment (von mittellateinisch auripigmentum für „Goldfarbe“[7]) leitet sich (wie auch mittelhochdeutsch ôrpermint, entstanden aus ôrpiment, und mittelniederländisch operment) vom lateinischen Wort aurum (Gold) ab. Weiterhin war es bekannt unter dem griechischen Arrhenicum[7] und daraus abgeleitet Arsenicon, Arsikon, Arzikon, Arsenicum, Arsenik. Im deutschsprachigen Raum tauchen Bezeichnungen wie Risigallum, Ruschgäl, Rüschelecht und Rauschgelb auf, später auch Königsgelb, Arsenblende, gelber Hüttenrauch und Operment(um). In Frankreich und England kannte und kennt man das gelbe bzw. „goldfarbene“ Arsensulfid als Orpiment, in Italien als Oropimento.
Aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Naturharz Sandarak in Bezug auf Farbe und Glanz wurde Auripigment gelegentlich als „mineralischer Sandarak“ bezeichnet.[8]
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte Auripigment zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung „Komplexe Sulfide (Sulfosalze)“, wo er innerhalb der „Galenobismutit-Cosalit-Gruppe (Bleiwismutspießglanze)“ mit der System-Nr. II/D.08 zusammen mit Dimorphin, Gerstleyit, Getchellit, Metastibnit, Patrónit und Realgar im Anhang die „Patronit-Realgar-Gruppe (mit ausgesprochen nichtmetallischem Charakter)“ bildete.
Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/F.02-70. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfide mit nichtmetallischem Charakter“, wo Auripigment zusammen mit Alacránit, Anauripigment, Bonazziit, Duranusit, Dimorphin, Laphamit, Pararealgar, Realgar und Uzonit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[9]
Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10]9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet Auripigment ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort allerdings in die Abteilung der „Sulfide von Arsen, Alkalien; Sulfide mit Halogeniden, Oxiden, Hydroxiden, H2O“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Art der in der Formel enthaltenen Elemente, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit As, (Sb), S“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Laphamit die „Auripigmentgruppe“ mit der System-Nr. 2.FA.30 bildet.
Die Kristallstruktur besteht aus As2S3-Schichten parallel der Kristallfläche (010). Innerhalb der Schichten herrschen starke, homöopolare (nicht-polare) kovalente Bindungen und zwischen den Schichten schwache Van-der-Waals-Bindungen vor, was die Ursache für die vollkommene Spaltbarkeit des Minerals ist.[4]
Im Durchlichtmikroskop erkennt man grobe, transparent gelbe Partikel, die eine blättrige Struktur aufweisen. Zahlreiche Spaltflächen sind erkennbar. Das Mineral ist doppelbrechend, unter gekreuzten Polarisatoren erscheinen extrem bunte anormale rote und blaugrüne Interferenzfarben.
Beim Erhitzen wird Auripigment rot und vor dem Lötrohr zeigt es dieselben Reaktionen wie Realgar.[14]
Bildung und Fundorte
Auripigment entsteht neben Arsenik (As2O3) beziehungsweise Pararealgar (AsS) unter UV-Licht aus Realgar und hat damit meist dieselben Fundorte wie dieses. Weltweit gelten bisher rund 480 Fundorte für Auripigment als bekannt (Stand: 2014).[15]
Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Auripigmentfunde sind unter anderem die Arsen-Gold-LagerstätteShimen in der chinesischen Provinz Hunan, die La Libertad Mine bei Quiruvilca in der peruanischen Region La Libertad sowie die Getchell-, Lone Tree- und Twin Creeks Mine im Humboldt County (Nevada) in den USA, wo jeweils gut ausgebildete, mehrere Zentimeter lange Kristalle zutage traten.[16]
In Deutschland konnte Auripigment bisher vor allem im Schwarzwald in Baden-Württemberg und im Erzgebirge in Sachsen gefunden werden, in Österreich kennt man das Mineral vorwiegend aus verschiedenen Fundpunkten in Kärnten und in der Schweiz ist bisher nur die Grube „Lengenbach“ im Binntal (Kanton Wallis) als Auripigment-Fundort bekannt.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, Chile, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Rumänien, Russland, der Slowakei und der Türkei.[17]
Vor der Erfindung von Chromgelb war Auripigment das leuchtendste Gelb, das man in der Malerei kannte. Heute wird es in der Anwendung durch ungiftige Teerfarbstoffe ersetzt. Ein schönes und berühmtes Beispiel für die Verwendung des Auripigments ist Tizians Gemälde Bacchus und Ariadne. Das leuchtende Orange im Mantel des Zimbelnspielers ist mit Realgar/Auripigment gemalt.[18][19]
Auripigment wurde bereits in der Antike in Griechenland, im römischen Reich und in China als Arzneimittel und kosmetisches Mittel gehandelt. Es war ein Bestandteil von Rhusma Turcorum (auch: rusma turcorum), einem der ältesten bekannten Mittel zur Entfernung von Körperbehaarung.[20] Rhusma Turcorum wurde aus einer zu einer Paste gerührten Mischung aus Auripigment, gelöschtem Kalk und Stärke hergestellt.
Dem Handbuch der Heilmittellehre von Friedrich Oesterlen aus dem Jahr 1844 ist ein Rezept für Rhusma Turcorum zu entnehmen. Oestelen führt aus, dass hierbei nicht das Schwefelarsen, sondern das aus seiner Zersetzung durch Kalk entstehende Schwefelkalzium der wirksame Bestandteil sei. Weiter erörtert er, dass Auripigment auch als Ätzmittel bei Krebs benutzt würde: „[…] z. B. in Belgien zerschnitten zu kleinen Troehisken applicirt (Delnaie). Chinesen rauchen es außerdem mit Tabak (Macgnowan).“[21]
Der Verwendung in Rhusma Turcorum entspricht auch der Gebrauch von Auripigment in der Gerberei zum Enthaaren von Fellen.
Im Mittelalter wurde Auripigment auch als Zusatz zum Siegelwachs benutzt und war wegen seiner markanten gelben Farbe immer wieder von Interesse für Alchemisten auf der Suche nach einer Methode, Gold herzustellen.
In Rhusma turcorum wird es im ländlichen Indien noch als Enthaarungsmittel eingesetzt. Es wird auch weiterhin in der Lederindustrie verwendet, um Haare aus Häuten zu entfernen.
Vorsichtsmaßnahmen
Auripigment enthält einen hohen Arsenanteil und wird daher ebenso wie Realgar als giftige Substanz (H-Sätze H301 Giftig bei Einatmen, H331 Giftig bei Verschlucken, H410 Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung) eingestuft[22]. Der Umgang mit Auripigment erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen, wie unter Verschluss aufbewahren; Schutzhandschuhe und Augenschutz benutzen; bei der Arbeit nicht essen, trinken, rauchen; Freisetzung in die Umwelt vermeiden und als gefährlicher Abfall zu entsorgen. Beim Transport relevanter Mengen fällt es unter Gefahrgutklasse 6.1 mit der Gefahrnummer 60 über der UN-Nummer 1557. Ein Begleiter von Auripigment ist Arsenik, welches auf Grund seiner guten Löslichkeit eine wesentlich höhere Giftigkeit als reines Arsen besitzt. Die oral aufgenommene, tödliche Dosis kann für den Menschen bereits bei weniger als 0,1 g liegen.
Viele historische Quellen warnen vor der hohen Giftigkeit des Auripigments. 1738 beschrieb Sprong es: „Königsgelb: Dies ist aus den besten Auripigmentstücken gemacht und deshalb sehr giftig. Der Nutzer sollte daher nicht versuchen daran zu riechen indem er die Nase darüber hält“. Auch Valentin Boltz warnt in seinem Illuminierbuch 1549 explizit: „Und hüt dich du kein pensel dieser Farb leckest, denn es ist schedlich“. Cennini bezeichnet es als „propio tosco“, wahrhaft giftig, und in vielen Büchern (Schramm) sowie Listen von Pigmentherstellern (Kremer) wird es in die Giftklasse 1 bzw. 2 eingeordnet. Es findet sich aber auch die Aussage, dass Arsentrisulfid wenig toxisch sei. Da es in Wasser und Salzsäure unlöslich ist, könne es nicht, oder nur in geringen Mengen vom Körper aufgenommen werden. Vergiftungserscheinungen können auf eine „Verunreinigung“ mit dem Abbauprodukt Arsenik (As2O3) zurückgeführt werden, welches als berühmtes (Selbst-)Mordgift Verwendung fand.
Neben seiner Giftigkeit zeigt sich insbesondere bei alten Gemälden ein weiterer Nachteil des Auripigments: unter Lichteinwirkung (direkte Sonneneinstrahlung) reagieren die bei der Malerei verwendeten Lösungsmittel mit dem Auripigment, so dass das Gelb im Lauf der Jahrhunderte zerfällt. Dies wirkt sich insbesondere auch auf Grüntöne aus, welche die alten Meister in Ermangelung eines schönen grünen Pigments häufig aus Auripigmentfarblacken und einem blauen Pigment gemischt haben: dies ist der Grund, dass bei vielen alten Landschaftsgemälden durch das Verblassen des Gelbtons beispielsweise die Bäume blau geworden sind.
Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S.340.
Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S.42.
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Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
↑David Barthelmy: Orpiment Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 11. Dezember 2019 (englisch).
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