Die BMW F 650 CS Scarver ist ein Motorrad der Bayerischen Motorenwerke. Der teilverkleidete Tourer wurde am 24. November 2001 europaweit vorgestellt.[2] Während der vierjährigen Produktionszeit von 2001 bis Februar 2005 wurden im BMW-Werk Berlin in Spandau 20.848 Einheiten hergestellt.[3]
Die CS ist Teil der 2. Generation der F 650 Modellreihe, die BMW mit der âFunduroâ BMW F 650 (1993â2000) gestartet hatte und mit dem Nachfolger BMW F 650 GS (2000â2007)[4][5] fortsetzte. Zum Einsatz kam weiterhin der fĂźr die 2. Modellreihe leicht Ăźberarbeitete und neu mit Einspritzung ausgestattete Einzylindermotor von Rotax. Das Motorrad fiel durch eine ungewĂśhnliche Gestaltung auf, die neue Motorradfahrer und Berufspendler[6] in der Zielgruppe der 20- bis 30-Jährigen[7] ansprechen sollte.[8]
Die AbkĂźrzung CS hinter der Hubraumklasse steht fĂźr City/Street.[9] Die Verkaufsbezeichnung scarver [ËskÉ:vÉĘł] ist ein Kofferwort aus street und Carver.[2] Der interne Werkscode lautet E650C, der Modellcode K14.
Konzeption
Das Motorrad war das Ergebnis einer Zusammenarbeit von BMW mit dem italienischen Zweiradhersteller Aprilia,[9] und obwohl die CS konstruktiv weitgehend identisch mit der Enduro BMW F 650 GS ist, hat sie einige technische Besonderheiten wie eine Einarmschwinge, einen Zahnriemenantrieb, ein modulares Gepäcksystem und ein Staufach an der Stelle, an der sich normalerweise der Kraftstofftank befindet.[4]
Der US-Amerikaner David Robb[6], Vizepräsident vom BMW Motorrad Design von 1993 bis 2012,[10] entwarf die F 650 CS.[11] Der kleine durchsichtig-blaue Windschild erschien wie durch den iMac G3 inspiriert.[8] Die Haltegriffe am Heck und am Tank aus lichtdurchlässigem Polycarbonat wirkten wie eine Anlehnung an den Apple-Stil.[12] Das Motorrad war in den vier Farben Azurblau metallic, Gold-Orange metallic, Titanium und Beluga-Blau erhältlich. Die Seitenverkleidung konnte entweder in Fahrzeugfarbe oder in Aluminiumoptik bestellt und mit einer blauen oder sepia-farbigen Sitzbank zusammengestellt werden, sodass insgesamt 24 Kombination mÜglich waren.[13]
Die Modularität wurde im als stuffbay bezeichneten Staufach fortgefĂźhrt, das serienmäĂig mit einem kleinen âSoftbagâ ausgeliefert wurde und auf Wunsch mit einem Tankrucksack bestĂźckt werden konnte. Ein ebenfalls passgeformter Hartplastikbehälter konnte um zwei wasserdichte Lautsprecher mit Audioverstärker ergänzt werden.[8] Der ZĂźndschlĂźssel passt in alle drei unterschiedlichen Varianten fĂźr das Staufach. Der Tachometer ist mit dem Audio-System verbunden und reguliert die Lautstärke entsprechend der Geschwindigkeit.[12]
BMW baute traditionell Ketten- und Kardanantriebe im Sekundärantrieb,[14] doch bei der CS entschied sich BMW zum ersten Mal fßr einen Riemenantrieb, der einen Kosten- und Gewichtsvorteil bot und wartungsarm ist.[15] Die Vorteile eines Riemenantriebs sollten das Motorrad attraktiver fßr Neueinsteiger machen, die keine Erfahrung oder Vorbehalte gegenßber den Wartungsarbeiten bei einem Kettenantrieb haben.[9]
Vertrieb
Die Pressekritiken von Motorradzeitschriften waren weitgehend positiv, einige lobten BMW fĂźr das unternehmerische Risiko und den Mut, mit traditionellen Konzepten zu brechen und neue Kundengruppen zu erschlieĂen. Allerdings wurde auch angemerkt, dass das BMW-Emblem alleine den Premium-Preis von rund 16.000 DM nicht rechtfertige.[9] Während Motorräder Anfang der 2000er Jahre an Nennleistung und Spezialisierung zunahmen, lief die Scarver diesem Marketingtrend entgegen und war fĂźr Berufspendler, nicht-traditionelle Fahrer, Neueinsteiger, weibliche und kleine Fahrer bestimmt.[6]
Die CS war Teil der Strategie von BMW, dem Ruf eines âAlte-Leute-Herstellersâ entgegenzuwirken und neue Kundenkreise zu erschlieĂen.[8] Der Chefdesigner David Robb sagte:
âIf we want to offer something to new people we have to offer something new.â
âWenn wir neuen Leuten etwas anbieten wollen, mĂźssen wir etwas Neues anbieten.â
Der Stauraum und die leichte Bedienbarkeit sollten die CS auch fßr Motorrollerfahrer und Berufspendler attraktiv machen.[8] BMW schätzte den Anteil von potentiellen Käufern, die zuvor noch kein Motorrad hatten bzw. fuhren, auf 40 %.[16] Die Scarver war der erste fßr Einsteiger konzipierte Tourer von BMW nach der BMW R 65, die von 1978 bis 1984 gebaut wurde.[17]
Im Jahr 2002 bezeichnete das US-amerikanische Motorradmagazin Motorcyclist die Verkaufszahlen der F 650 CS als einen âvollkommenen Flopâ, der zusammen mit anderen leichtgewichtigen europäischen Motorrädern âdahindĂźmpelteâ, weil Kunden auĂerhalb der Heimatmärkte sie als zu teuer empfanden.[18] Die Motorradzeitschrift Motorrad fĂźhrte die Scarver im Oktober 2007 auf Platz 4 der â20 grĂśĂten Motorrad-Flopsâ.[7]
Modellnachfolge
2005 wurde die F 650 CS nach nur vierjähriger Bauzeit eingestellt. Ein Jahr später wurde die BMW F 800 S aufgelegt, die jedoch in eine andere Motorradklasse einzuordnen ist und weniger Einsteiger als vielmehr Käufer ansprechen soll, die von ihrem ersten Motorrad aufsteigen wollen.[19] Die F-800-Modellreihe wird von einem Zweizylindermotor angetrieben, und obwohl die F 800 S den Riemenantrieb mit der CS teilt und eigene technischen Neuerungen hat, fßhrte sie weder das ungewÜhnliche Design noch die unkonventionelle Funktionalität der CS fort oder provozierte Kommentare wie ßber das polarisierende Styling der CS.[19]
Der Redakteur Jo Soppa vermutete 2014 in der Zeitschrift MO, dass das Einzylinder-Motorrad âanno 2006 zu frĂźh aus dem Verkauf genommenâ wurde, da die Verkaufszahlen der bauähnlichen Honda NC 700 X seit 2012 beweisen, dass âein modulares ZubehĂśr-Konzeptâ mit âmodischem Lifestyle-Anstrichâ funktionieren kann.[20]
Konstruktion
Motor
Mit dem Einzylindermotor des Ăśsterreichischen Zulieferers Rotax war die F 650 CS im Gegensatz zu Superbikes der Einliter-Hubraumklasse, die zu vergleichbaren Preisen vermarktet wurden, nur unterdurchschnittlich motorisiert. Der flĂźssigkeitsgekĂźhlte Viertaktmotor mit einem Hubraum von 652 cmÂł leistet 37 kW (50 PS) und das maximale Drehmoment beträgt 62 Nm bei einer Drehzahl von 5500 minâ1. Der Zylinder hat eine Bohrung von 100 mm Durchmesser, der Kolben einen Hub von 83 mm; Verdichtungsverhältnis 11,5 : 1. Zwei kettengetriebene obenliegende Nockenwellen steuern zwei Einlass- und zwei Auslassventile. Die Einspritzanlage wird elektronisch gesteuert.[21]
Das Motorrad beschleunigt in 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht eine HĂśchstgeschwindigkeit von 175 km/h.[22][12]
Rahmen und Fahrwerk
Der neu konstruierte Stahlrohrrahmen besteht aus Vierkantrohren und dient gleichzeitig als Ăltank fĂźr die Trockensumpfschmierung. Deren 2,5 Liter Ăl flieĂen unter anderem durch die beiden miteinander verbundenen, stärker dimensionierten OberzĂźge des BrĂźckenrahmens.[23] Blechblenden am Rahmen schĂźtzen den Fahrer vor Hitze.[21] Der Heckrahmen ist angeschraubt. Das Hinterrad wird von einer Einarmschwinge aus Aluminium, das Vorderrad von einer Teleskopgabel mit 41 mm Standrohrdurchmesser gefĂźhrt. Das eher weich abgestimmte Zentralfederbein[23] lässt sich nicht in Federbasis und Zugstufe verstellen.
Vorn hat die F 650 CS eine gelochte Scheibenbremse mit Zwei-Kolben-Bremssattel von Brembo, hinten eine Scheibenbremse mit Ein-Kolben-Bremssattel. Die hintere Bremsscheibe ist am 17-Zoll-Gussrad befestigt. Als Extra war ein Antiblockiersystem erhältlich. Der Bremsweg von 100 km/h in den Stand beträgt 39 Meter.[23]
Der Riemenantrieb erzeugt mehr Leistungsverluste als Kettenantriebe, die bei leistungsstarken Motorrädern ßblich sind. Da Zahnriemen jedoch im Gegensatz zu Ketten, die immer ein leichtes Spiel benÜtigen, stets straff sind, entsteht kein Kettenschlagen. Das Ansprechverhalten der CS im Antriebsstrang ist daher mit einem Kardanantrieb vergleichbar.[4] Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 370 kg.
Elektrik
Die Starterbatterie hat eine Kapazität von 12 Amperestunden und versorgt den elektrischen Anlasser. Ein Drehstromgenerator als Lichtmaschine erzeugt eine elektrische Leistung von 400 Watt zur Versorgung von ZĂźnd- und Lichtanlage sowie der Bordelektrik. Ein Bordcomputer neben dem analogen Tachometer informiert Ăźber Drehzahl, Kilometerstand und Uhrzeit. Das Motorrad hat zwei gleich groĂe Scheinwerfer, einen Ellipsoid fĂźr das Abblendlicht und einen Reflektorscheinwerfer fĂźr das Fernlicht.[23]
Kraftstoffversorgung
Der Kraftstofftank hat ein Volumen von 15 Liter, davon sind 4 Liter Reserve, und ist unter der Sitzbank positioniert, um den Fahrzeugschwerpunkt niedrig zu halten. Die TankÜffnung befindet sich auf der rechten hinteren Fahrzeugseite.[4] Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch beträgt 3,7 Liter auf 100 km, die theoretische Reichweite knapp ßber 400 km.[23] Der Hersteller empfiehlt die Verwendung von bleifreiem Motorenbenzin mit einer Klopffestigkeit von mindestens 91 Oktan. Die Abgasnachbehandlung erfolgt durch einen geregelten Drei-Wege-Katalysator und unterschreitet die Schadstoffgrenzwerte der Abgasnorm Euro-2. Die Abgasanlage ist aus poliertem Edelstahl.[21]
Als ZubehÜr wurden eine Griffheizung, eine Bordspannungssteckdose mit 12 Volt, eine Diebstahlwarnanlage, eine Helmspinne fßr die Tankattrappe und Taschen fßr die hintere Gepäckbrßcke angeboten.[23]
Kritiken
âAls Fazit bleibt von einem Motorradtester, der seit Ăźber 25 Jahren Neuheiten bewertet, zu sagen: Die BMW F 650 CS ist das wichtigste Motorrad des neuen Jahrtausends. Denn es verbindet typische BMW-Eigenschaften wie Fahrdynamik, einfache Wartung, hohen Werterhalt sowie fortschrittliche TechniklĂśsungen und bietet dazu mit dem Zahnriemen pflege- sowie geräuscharme Antriebstechnik.â
âStilistisch unverkennbar vom durchschimmernd-farbigen Design der Trend-Computer inspiriert, soll die Scarver endlich Youngster vom Rechner aufs Bike locken. Neben der ungewohnten Optik peppt ein in die Tankattrappe integriertes Audio-System die als Basis dienende F 650 GS auf. Technisch unterscheidet den 54 PS starken Single im Wesentlichen ein Zahnriemen von der kettengetriebenen GS. Doch die Jungen â Zielgruppe waren die 20- bis 30-Jährigen â wollen weder Robbie Williams im Tank noch einen Apple mit Motor.â
âDie Scarver ist zielgenau, handlich und kinderleicht zu fahren. Wechselkurven, Haarnadeln, weite BĂśgen oder zuziehende Hundskurven â ganz egal, mit der Scarver machen alle Kurven Laune. Nur schade, dass sich die Gabel beim harten Anbremsen spĂźrbar verwindet â ein Gabelstabilisator wie bei den GS-Modellen wäre sinnvoll.â
âDas Ăźber ein Hebelsystem angelenkte Zentralfederbein bietet praktisch null Dämpfung, ist viel zu soft abgestimmt und kann noch nicht mal in der Federbasis verstellt werden. Das rächt sich auf unebenem Geläuf. Das Heck schaukelt und pumpt, und wenn es dicke kommt, geht die ganze Angelegenheit krachend auf Block.â
âBeim LandstraĂentänzchen wirbelt der 193 Kilogramm schwere Scarver vorneweg, setzt selbst zarte Lenkimpulse blitzschnell in die Tat um und tollt wie ein junger Hund durchs Schräglagenrevier. Und behält diese unerhĂśrte Agilität bei zĂźgigerem Tempo bei, was in verzwickten Kurvenkombinationen erhĂśhte Konzentration fordert, denn um den eingeschlagenen Radius beizubehalten, muss der Lenker sensibel gefĂźhrt werden.â
âBart Madson: Running on Fumes. Motorcycle USA, 30. Januar 2012, archiviert vom Original am 1. Februar 2014; abgerufen am 15. November 2021 (amerikanisches Englisch).
â abcdKevin Duke: 2002 BMW F650CS. In: motorcycle-USA.com. 12. November 2002, archiviert vom Original am 19. Januar 2012; abgerufen am 15. November 2021 (englisch).
â
Patrick Allossery: The element of risk: BMW is steering its sleek F650CS into the path of a new kind of first-time bike buyer: the unbranded, snowboarding, windsurfing, adrenalin-loving roughrider. In: National Post. 2002, S.12 (englisch).
â abcdefgJĂśrn Thomas: Single-Partie. In: Motorrad, Ausgabe 26/2001. 4. Dezember 2001, archiviert vom Original am 19. September 2016; abgerufen am 18. August 2021.
â
JĂśrg Wissmann: 10.000 km mit der BMW F 650 CS Scarver. In: Kradblatt. Nr.06, 2002 (archive.org).