Die Disputationes de controversiis christianae fidei adversus hujus temporis haereticos – „Disputationen über die Streitpunkte des christlichen Glaubens gegen die heutigen Häretiker“ – ist ein dogmatisches Werk des italienischen JesuitenRobert Bellarmin, das zuerst 1586–1593 in Ingolstadt erschien.
Die Disputationes de controversiis gelten als apologetisches Hauptwerk Bellarmins. Es „bringt die erste gründliche, auch im Ton gemäßigte Auseinandersetzung mit dem Protestantismus“.[1] Es wurde aber auch als „die endgültige Verteidigung der päpstlichen Vollmacht“ bezeichnet.[2] Nach dessen Veröffentlichung galt Bellarmin als bedeutendster Apologet der katholischen Lehre und der päpstlichen Vollmacht.[3]
Bellarmin erarbeitete diese Disputationen, als er am Collegium Romanum eine Professur für Apologetik bekleidete. Sie wurden zuerst in Ingolstadt in drei, später auch in vier Bänden veröffentlicht. Diese Arbeit war der erste Versuch, die verschiedenen Kontroversen der Zeit zu systematisieren, und machte einen großen Eindruck in ganz Europa. Die Stärke seiner Argumente gegen den Protestantismus wurde in Deutschland und England spürbar wahrgenommen. Thomas Hobbes (in seinem Hauptwerk Leviathan), Theodor von Beza und John Rainolds schrieben die wichtigsten Entgegnungen zu dieser Arbeit.
Der wichtigste Teil der Arbeit ist in den fünf Büchern über den Papst (= 3. Kontroverse des 1. Bandes) enthalten. Nach einer spekulativen Einführung in die Regierungsformen im Allgemeinen sagt Bellarmin, dass eine monarchische Regierung und eine zeitlich begrenzte Macht für die Kirche notwendig seien, um die Einheit und Ordnung in ihr zu erhalten. Bellarmin argumentiert, dass ein häretischer Papst von einem allgemeinen Konzil gerichtet werden könne, weil er aufgrund seiner Häresie sein Amt verloren habe. Damit nimmt er im Vergleich zu anderen Autoren der Gegenreformation eine gemäßigte Stellung hinsichtlich der Autorität des Papstes ein. Ferner argumentiert er, dass der Papst zwar weltliche Macht ausübe, aber nicht schon kraft Amtes unmittelbar und uneingeschränkte weltliche Macht über die gesamte Welt innehabe. Aufgrund dieser Position wollte Sixtus V. den ersten Band der Disputationes 1590 als zu expurgierendes Werk auf den Index librorum prohibitorum setzen, allerdings wurde diese Fassung des Index nie promulgiert.[4][5]
Der dritte Abschnitt behandelt den Antichristen. Bellarmin vertritt die von den Kirchenvätern formulierte Lehre, dass ein persönlicher Antichrist kurz vor dem Ende der Welt kommen werde und dass dieser von den Juden akzeptiert werden und im Tempel von Jerusalem thronen werde. Damit trat er der protestantischen Haltung entgegen, die den Antichristen mit dem Papst identifizierte.
Textausgaben
Lateinische Ausgabe
Disputationes de controversiis Christianae fidei adversus hujus temporis haereticos.
14. Über den Verlust der Gnade und den Stand der Sünde (online)
Unter dem abgeänderten Titel Disputationen über die Streitpunkte des christlichen Glaubens erscheint seit 2012 eine orthographisch überarbeitete und durch Register erschlossene Neuausgabe der Übersetzung Gumposchs bei der Kulmbacher Verlagsbuchhandlung Sabat unter dem Programmtitel Bibliothek der Kirchenlehrer
Literatur
Aimé Richardt: Saint Robert Bellarmin, 1542–1621: Le défenseur de la foi. de Guibert, Paris 2004, ISBN 978-2-86839-943-4.
Anita Mancia: Bibliografia sistematica e commentata degli studi sull’opera Bellarminiana dal 1900 al 1990. In: Gustavo Galeota (Hrsg.): Roberto Bellarmino, arcivescovo di Capua, teologo e pastore della riforma cattolica. Band2. Istituto superiore di scienze religiose, Capua 1990, S.805–872.
Thomas Dietrich: Die Theologie der Kirche bei Robert Bellarmin (1542–1621). Systematische Voraussetzungen des Kontroverstheologen (= KKTS. Band69). Bonifatius, Paderborn 1999, ISBN 978-3-89710-075-6.
↑Patricia Springborg: Thomas Hobbes and Cardinal Bellarmine: Leviathan and ‘the ghost of the Roman empire’. In: History of Political Thought. Band16, Nr.4, 1995, S.503–531, hier: S. 506 „the definitive defence of papal power“, JSTOR:26215899 (philarchive.org [PDF]).
↑Wilhelm Rees: Index der verbotenen Bücher. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 5. Herder, Freiburg, Basel, Rom, Wien 1996, Sp.445–448.
↑Jesús de Bujanda, René Davignon, Ela Stanek, Marcella Richter: Thesaurus de la littérature interdite au XVIe siècle : auteurs, ouvrages, éditions avec addenda et corrigenda (= Index des livres interdits. Band10). Centre d'études de la Renaissance, Sherbrooke 1996, ISBN 2-7622-0089-X, S.73 (google.de [abgerufen am 10. Mai 2022]).