Homer überliefert, Elektra habe sich nicht in Mykene aufgehalten, als ihr Vater, König Agamemnon, vom Trojanischen Krieg zurückkehrte. Agamemnon sei dann von Aigisthos, dem Geliebten der Klytaimnestra, oder von Klytaimnestra selbst ermordet worden. Die beiden töteten bei dieser Gelegenheit auch Priamos’ Tochter Kassandra, die Agamemnon aus Troja geraubt hatte. Acht Jahre später kehrte Orest aus Phokis zurück, wo er nach dem Tod seines Vaters Zuflucht gefunden hatte.[1] Um seine Mutter und ihren Liebhaber zu täuschen, schickte er einen Boten voraus, der von seinem vermeintlichen Tod berichtete. Die untröstliche Elektra versuchte daraufhin ihre jüngere Schwester Chrysothemis zu einem gemeinsamen Mord an ihrer Mutter und dem verhassten Stiefvater zu überreden, diese lehnte jedoch ab.
Orest ist durch das Orakel von Delphi aufgefordert worden, nach Hause zurückzukehren und den Tod des Vaters zu rächen. Nach Aischylos begegnete er Elektra am Grab Agamemnons, wohin beide gegangen waren, um die Totenzeremonie durchzuführen. Orest vollzog mit Hilfe von Elektra an der Mutter und Aigisthos die Blutrache; aus dem vergossenen Blut erhoben sich die Erinyen und verfolgten ihn, nicht aber Elektra.
Elektra heiratete später Pylades, ihren Cousin, einen engen Freund des Orest, Sohn des Königs Strophios von Phokis und dessen Gattin Anaxibia, einer Schwester Agamemnons, die für Orest gesorgt hatten, während dieser sich vor seiner Mutter und deren Geliebten versteckt hielt. Elektra und Pylades hatten zwei Söhne, Medon und Strophios.
Die französische Philosophin Simone Weil ist der Auffassung, dass bei Sophokles die Figuren Antigone und Elektra das vollkommen reine und unschuldige Wesen symbolisieren, das aufgrund seines Wunsches nach Gerechtigkeit dem Unglück ausgeliefert ist und sich „von den Menschen und von Gott verlassen fühlt“; aber „nicht einen Augenblick lang [denken Antigone oder Elektra] daran, zu paktieren.“[2] Ihre Liebe zum Guten bleibt unveränderlich, bedingungslos und ohne Hoffnung auf Trost, trotz des Unglücks.
Johannes Göbel: Elektra. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 247–252.
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Commons: Elektra – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien