Die Fakultät (manchmal, besonders in Österreich, auch Faktorielle genannt) ist in der Mathematik diejenige Funktion, die jeder natürlichen Zahl das Produkt aller positiven natürlichen Zahlen zuordnet, die diese Zahl nicht übertreffen. Sie wird durch ein dem Funktionsargument nachgestelltes Ausrufezeichen („!“) abgekürzt. Ihre Notation mit dem Ausrufezeichen wurde erstmals 1808 von dem elsässischen Mathematiker Christian Kramp (1760–1826) verwendet, der um 1798 auch die Bezeichnung faculté (französisch „Fähigkeit“) dafür einführte.[1]
als das Produkt der natürlichen Zahlen von bis definiert.[2] Da das leere Produkt stets gleich 1 ist, gilt
.
Die Fakultät lässt sich auch rekursiv definieren:[3]
Die Werte der Fakultäten bilden die Folge A000142 in OEIS.
Beispiele
Beispielhafte Berechnung der ersten fünf Fakultätswerte:
Anwendungen
Permutationen
In der abzählenden Kombinatorik spielen Fakultäten eine wichtige Rolle, weil die Anzahl der Möglichkeiten ist, unterscheidbare Gegenstände in einer Reihe anzuordnen. Falls eine -elementige Menge ist, so ist auch die Anzahl der bijektiven Abbildungen , also die Anzahl der Permutationen von . Dies gilt insbesondere auch für den Fall , da es genau eine Möglichkeit gibt, die leere Menge auf sich selbst abzubilden.
Beispielsweise gibt es bei einem Autorennen mit sechs Fahrern verschiedene Möglichkeiten für die Reihenfolge beim Zieleinlauf, wenn alle Fahrer das Ziel erreichen. Für den ersten Platz kommen alle sechs Fahrer in Frage. Ist der erste Fahrer angekommen, können nur noch fünf Fahrer um den zweiten Platz konkurrieren. Für die Belegung des zweiten Platzes ist es maßgeblich, welcher der sechs Fahrer nicht berücksichtigt werden muss (da er bereits auf Rang 1 platziert ist). Daher muss für jede Belegungsmöglichkeit von Platz 1 gesondert gezählt werden, wie viele Belegungsmöglichkeiten für Platz 2 bestehen. Für die Belegung der Plätze 1 und 2 ergeben sich bei sechs Fahrern daher Möglichkeiten. Ist auch der zweite Platz vergeben, kommen für den dritten Platz nur noch vier Fahrer in Frage, woraus sich für die ersten drei Plätze und sechs Fahrer Belegungsmöglichkeiten ergeben usw. Letztlich gibt es also
verschiedene Ranglisten für den Zieleinlauf.
Binomialkoeffizienten
Ein Begriff, der in der abzählenden Kombinatorik eine ähnlich zentrale Stellung wie die Fakultät einnimmt, ist der Binomialkoeffizient
.
Er gibt die Anzahl der Möglichkeiten an, aus einer -elementigen Menge eine -elementige Teilmenge auszuwählen.
Zum Beispiel gibt es beim Zahlenlotto 6 aus 49 insgesamt 13 983 816 mögliche Ziehungen:
Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, bei dem Lottospiel 6 aus 49 zu gewinnen, nur 1/13983816 und somit weniger als ein Zehnmillionstel beträgt.
Höhere Ableitungen von Potenzfunktionen
Das Bilden von höheren Ableitungen einer Potenzfunktion mit führt auf Fakultäten: Wiederholtes Anwenden der Potenzregel liefert
Durch Erweitern mit erhält man für die -te Ableitung von die Formel
und ihr Kehrwert die alternierende Summe desselben Musters:
Numerische Berechnung und Näherung
Rekursive und iterative Berechnung
Der numerische Wert für kann gut rekursiv oder iterativ berechnet werden, falls nicht zu groß ist.
Die größte Fakultät, die von den meisten handelsüblichen Taschenrechnern berechnet werden kann, ist da außerhalb des üblicherweise verfügbaren Zahlenbereiches liegt. Die größte als Gleitkommazahl im Format double precision des IEEE-754-Standards darstellbare Fakultät ist .
Pythonprogramm
Mit Bibliotheken für sehr große Ganzzahlen (keine Limitierung auf 32, 64 oder z. B. 512 Bit) benötigt zum Beispiel ein Intel Pentium 4 für die Berechnung von 10000! nur wenige Sekunden. Die Zahl hat 35660 Stellen in der Dezimaldarstellung, wobei die letzten 2499 Stellen nur aus der Ziffer Null bestehen.
# Syntax: Python 3.7n=int(input('Fakultät von n = '))f=1foriinrange(1,n+1):f*=iprint(f'{n}! = {f}')
Rekursive Lösung
deffak(n:int)->int:return1ifn<=1elsen*fak(n-1)
Näherung mit der Stirling-Formel
Wenn groß ist, bekommt man eine gute Näherung für mit Hilfe der Stirling-Formel:
Dabei bedeutet , dass der Quotient aus linker und rechter Seite für gegen konvergiert.
Durch Approximation (statt Abschneiden) der Stirling-Reihe gelang Bill Gosper eine noch bessere Näherung:[4]
Fakultät-ähnliche Funktionen
Es gibt eine Reihe weiterer Folgen und Funktionen, die in ihrer Definition oder ihren Eigenschaften ähnlich aussehen wie die Fakultät:
Die seltener verwendete Doppelfakultät oder doppelte Fakultät ist für gerade das Produkt aller geraden Zahlen kleiner gleich . Für ungerade ist es das Produkt aller ungeraden Zahlen kleiner gleich :[7]
Oft werden anstelle der Doppelfakultät Ausdrücke mit der gewöhnlichen Fakultät verwendet. Es gilt:
Werden nicht-ganzzahlige Funktionswerte zugelassen, dann gibt es genau eine Erweiterung auf negative ungerade Zahlen, sodass für alle ungeraden ganzen Zahlen gilt. Man erhält die Formel für ungerade .
Die Werte der Doppelfakultäten bilden die Folge A006882 in OEIS.
Beispiele
Anwendungsbeispiele
Die Anzahl der -stelligen Kombinationen aus elementfremden Paaren gebildet aus Elementen wird gegeben durch die Rekursion mit Rekursionsanfang (2 Elemente!). Auflösung der Rekursion ergibt . Sollen z. B. Mannschaften durch Verlosung paarweise aufeinandertreffen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass dabei zwei bestimmte gegeneinander spielen, gegeben durch .
Im obigen Beispiel wäre für die Anzahl der Nullen am Ende von 10.000! der Exponent der 5 zu bestimmen, der Exponent der 2 ist auf jeden Fall größer.
Literatur
Jacques Dutka: The Early History of the Factorial Function. Archive for History of Exact Sciences 43(3), 1991, S. 225–249.
Leonhard Euler: Remarques sur un beau rapport entre les séries des puissances tant directes que réciproques. (1749), in Histoire de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres 17 (1761), 1768, S. 96/97 (französisch).
Leonhard Euler: Evolutio formulae integralis integratione a valore x=0 ad x=1 extensa. 4. Juli 1771, in Novi commentarii academiae scientiarum imperialis Petropolitanae 16, 1772, S. 121 (lateinisch).
Adrien-Marie Legendre: Recherches sur diverses sortes d’intégrales définies. (13. November 1809), in Mémoires de la classe des sciences mathématiques et physiques de l’Institut de France 10, 1809, S. 485 (französisch).
Hermann Kinkelin: Ueber eine mit der Gammafunction verwandte Transcendente und deren Anwendung auf die Integralrechnung. (Juli 1856), in: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57, 1860, S. 122–138 (beim GDZ: digizeitschriften.de).
↑Tilo Arens, Frank Hettlich, Christian Karpfinger, Ulrich Kockelkorn, Klaus Lichtenegger, Hellmuth Stachel: Mathematik. 5. Auflage. Springer, Berlin 2023, ISBN 978-3-662-64388-4, S.77.