Auf dem Gelände des heutigen Fliegerhorstes, und zwar am Lutzerather Eck, befanden sich in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges zwei Startstellungen für V1-Marschflugkörper, Fst 4 und 5 des Zweiteinsatzes.[7]
Die Geschichte des ursprünglich bei Münstermaifeld geplanten[8] Fliegerhorstes Büchel begann in den Jahren 1954 und 1955, als die französische Besatzungsmacht den Militärflugplatz erbaute und dem 1. Französischen Luftkommando unterstellte, ohne ihn jedoch zu besetzen.
Im Herbst 1954 beschloss die Londoner Neunmächtekonferenz, die Regierung der Bundesrepublik sei als „einzige deutsche Regierung“ befugt, „für Deutschland als Vertreterin des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten zu sprechen“[9] und ermöglichte damit den Beitritt der Bundesrepublik zum Brüsseler Pakt (WEU) und zur NATO; die Konferenz erbrachte Zusicherungen der USA, Großbritanniens und Kanadas, ihre Truppen auf dem europäischen Kontinent zu belassen. Mit den Pariser Verträgen vom 5. Mai 1955 erhielt die Bundesrepublik ihre Teilsouveränität und wurde in das Sicherheitssystem der Westeuropäischen Union einbezogen; am 9. Mai 1955 trat sie der NATO bei (Näheres siehe Artikel Wiederbewaffnung).
Kurz nach Fertigstellung des Flugplatzes wurde dieser am 6. Juni 1955 von den französischen Streitkräften an das Bundesvermögensamt übergeben. Am 13. August 1955 wurde dann der Standort an die Bundeswehrverwaltung übergeben und am 15. August rückten die ersten 250 deutschen Soldaten in den Standort Büchel ein. Ab Februar 1957 wurde intensiv an der Infrastruktur für eine Verlegung der Waffenschule der Luftwaffe 30 gearbeitet.
Am 12. Juli 1957 rückten die ersten 140 Soldaten der Waffenschule der Luftwaffe 30 in Büchel ein. Am 6. August 1957 trafen die übrigen Teile der Luftwaffenversorgungsgruppe ein. Die Luftfahrzeuge der Waffenschule 30 wurden ab Oktober 1957 etappenweise überführt. Ende Oktober befanden sich auf dem Fliegerhorst Büchel 72 F-84F, drei T-33 und zwei T-6. Mit Ablauf des 30. Juni 1958 schloss die Waffenschule.
Das Geschwader in Büchel wurde am 1. Juli 1958 zum Jagdbombergeschwader 33 umbenannt. Im Dezember 1958 wurde es offiziell der NATO unterstellt. 1961 entstanden in Cochem-Brauheck die Truppenunterkünfte. 1962 wurde die zivile Ausbildungswerkstatt des Fliegerhorstes Büchel gegründet. Die ersten Starfighter trafen am 28. August 1962 in Büchel ein. Die Umstellung auf das aktuelle Luftfahrzeugmuster Tornado fand im Jahr 1985 statt, der offiziell letzte Starfighter-Flug in Büchel fand am 30. Mai 1985 in Sonderlackierung statt. Diese Maschine steht noch heute am Haupttor des Fliegerhorstes.
Am Abend des 16. Januar 2014 stürzte ein deutscher Tornado des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 während einer Nachtübung beim Landeanflug auf Büchel bei Laubach (Eifel) nahe der Anschlussstelle zur Autobahn 48 ab.[10]
Zum Schutz gegen Kernwaffengegner und andere unerwünschte Besucher wird seit 2019 der Fliegerhorst mit einer komplett neuen Zaunanlage ausgestattet. Inklusive Postenweg, einer vorläufigen zusätzlichen Umzäunung sowie zahlreichen neuen Sensoren und Kameras kostet jeder Kilometer laut Planung mehr als einer Million Euro.[11]
Die Luftwaffe plant, alle 35 zu beschaffenden kernwaffenfähigen F-35 A nach Fortgang/Abschluss einer geplanten Grundsanierung der Start- und Landebahn auf dem Fliegerhorst Büchel zu stationieren. Deshalb verlegte man ab Juni 2022 insgesamt 25 Bundeswehr-Tornados von Büchel zum Fliegerhorst Nörvenich, einstweilen begrenzt bis 2026. Die geplanten Baumaßnahmen sollen voraussichtlich im Februar 2026 abgeschlossen sein. Weitere Baumaßnahmen werden noch bis mindestens 2028 andauern. Der Flugbetrieb soll dadurch aber nicht weiter eingeschränkt werden.[12] Insgesamt entstehen für die Modernisierung des Fliegerhorstes Büchel sowie für die Implementierung des Waffensystems F-35A Kosten in Höhe von etwa 1,1 Milliarden Euro.[13][14]
„… Eine Form der Gegenleistung könnte z. B. in der sog. „nuklearen Teilhabe“ bestehen – also ein vertragliches „Zwei-Schlüssel“-System für den gemeinsamen Einsatz von Nuklearwaffen, wie es seit Jahren gemeinsam mit den USA (z. B. auf der Militärbasis im Rheinland-Pfälzischen Büchel) praktiziert wird.“[15]
Im Norden des Areals liegt ein besonders gesichertes quadratisches Gebiet mit vier Hardened Aircraft Shelter. Man nimmt an, dass dort Kernwaffen vom Typ B61 unterirdisch gelagert werden können (50° 10′ 55,5″ N, 7° 3′ 47,9″ O50.1820833333337.0633055555556).[16] Diese haben eine einstellbare Sprengkraft von 0,3 bis 170 Kilotonnen TNT-Äquivalent, maximal etwa das 13fache der Hiroshima-Bombe. Außerdem befindet sich etwa 1,5 Kilometer nördlich des Flugplatzes ein speziell gesichertes Sondermunitionslager, wie es sie zur Zeit des Kalten Krieges zu Dutzenden in der Bundesrepublik Deutschland gab (50° 12′ 1,9″ N, 7° 4′ 25,7″ O50.2005387.073801).
Die deponierten Kernwaffen müssen im Einsatzfall vom Präsidenten der Vereinigten Staaten freigegeben werden.[17] Sie werden von der US Air Force verwaltet und von der 139 Mann starken 702. Munition Support Squadron (702 MUNSS) der 38. Munitions Maintenance Group (38 MUNG) betreut.[18] Diese US-Einheit ist verantwortlich für Verwahrung, Bewachung, Wartung und Freigabe des Waffenvorrats der höchsten Sicherheitskategorie. Die deutsche Luftwaffe unterstützt die US-Einheit bei der Bewachung mit der Luftwaffensicherungsstaffel „S“.
2008 meldete die Federation of American Scientists (FAS), dass nach einer internen Studie der United States Air Force in vielen Atomwaffenlagern die minimalen Sicherheitsstandards des amerikanischen Verteidigungsministeriums nicht eingehalten werden. Darunter soll sich auch der Fliegerhorst Büchel befinden. Diese Standards wurden Anfang 2009 eingeführt. Das US-Militär plane als erste Reaktion, Atomwaffen auf weniger Standorte in Europa zu konzentrieren.
Die USA erklärten, bis 2023 etwa vier Milliarden US-Dollar aufzuwenden, um die B61 zu modernisieren. Bisher handelt es sich um reine Freifallbomben. Die neue Version soll ein Steuerungssystem erhalten, das Reichweite und Zielgenauigkeit verbessert. Vermutlich seit 2015 wurden im Fliegerhorst Büchel neue Atomwaffen des Typs B61-12 stationiert – der Haushalt der US-Luftwaffe sah ab dem 3. Quartal 2015 Gelder für die Integration dieses neuen Atombombensystems auch in die deutschen Tornado-Jagdbomber vor.[19][20] Kritiker wenden ein, damit würden die Waffen zu präzisionsgesteuerten Fernwaffen umgebaut werden,[21] womit die Hemmschwelle zur Nutzung sinke.
Ende August 2019 landete ein US-Transportflugzeug vom Typ Boeing C-17 auf dem Fliegerhorst Büchel und flog die dort gelagerten Kernwaffen für ein Software-Update in die USA. Dadurch war Deutschland für etwa 48 Stunden kernwaffenfreie Zone.[22]
Einer im August 2020 durch die DPA beauftragten, von YouGov durchgeführten, repräsentativen Umfrage zufolge sprachen sich 66 Prozent der Umfrageteilnehmer für einen Abzug der Nuklearwaffen aus. 19 Prozent der Umfrageteilnehmer wollten sie behalten und 16 Prozent machten keine Angaben.[23][24]
In einer im Juni 2022, nach dem Beginn des Ukrainekrieges, durchgeführten, repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR-PolitmagazinsPanorama spricht sich erstmals eine Mehrheit für den Verbleib amerikanischer Nuklearwaffen in Deutschland aus. 52 Prozent befürworten den Verbleib, 39 Prozent lehnen ihn ab.[25]
„Steadfast-Noon“-Manöver
Die Bundeswehr beteiligt sich regelmäßig mit Kampfflugzeugen vom Fliegerhorst Büchel an dem geheimen NATO-Manöver „Steadfast Noon“. Dabei werden unter anderem der Einsatz von Kernwaffen geübt.[26][27]
Am 18. Oktober 2019 kam es zu einem Flugunfall mit einem US-Kampfflugzeug vom Typ McDonnell Douglas F-15, der vom Fliegerhorst Büchel kommend rund 3,6 Tonnen Treibstoff abließ. Betroffen war laut Flugsicherung eine Region etwa 28 Kilometer nördlich von Büchel.[28] Wie der SWR berichtete, sei der Flug Teil der geheimen Nato-Übung gewesen.[29]
Protestaktionen
Seit mehreren Jahren ist der Fliegerhorst Schauplatz von Aktionen der Friedensbewegung,[30] mit denen das Ende der nuklearen Teilhabe in Deutschland und die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages gefordert werden. Die internationale Vereinbarung sieht vor, dass Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen verboten werden, außerdem die Drohung damit.[31][32][33]
2016[34] fand erstmals eine 20-wöchige Aktionspräsenz unter dem Motto „20 Wochen gegen 20 Bomben!“ statt. Mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionsformen, unter anderem am Haupttor, wie Mahnwachen, Diskussionen und kulturellen Veranstaltungen, Gottesdiensten sowie Aktionen des zivilen Ungehorsams durch Blockaden, wurde der Abzug der Atomwaffen aus Büchel gefordert.[35][36]
Der Aachener Friedenspreis wurde 2019 an die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ und an den Initiativkreis gegen Atomwaffen verliehen. Beide Initiativen wurden für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen die US-Atombomben in Büchel und weltweit geehrt.[37]
Die Demonstration am 30. August 2008 mit etwa 2000 Teilnehmern[38] hatte mehr Resonanz als die in den Jahren zuvor.
In den letzten Jahren ist es Demonstranten wiederholt gelungen, aus Protest gegen die mutmaßlich letzten US-Atombomben in Deutschland die militärischen Sicherungsmaßnahmen zu überwinden und auf das Atomwaffengelände zu gelangen.[39][40]
Zivile Mitnutzung
Die Start- und Landebahn des Fliegerhorsts wurde bis zum 31. März 2023 an Wochenenden und Feiertagen vom zivilen Fliegerclub Büchel genutzt. Dieser führte dort Flugbetrieb mit Motorflugzeugen und Segelflugzeugen durch. Es gab für Segelflugzeuge Schleppstarts und Windenstarts. Am 9. Februar 2023 wurde die Genehmigung dieser zivilen Mitnutzung widerrufen. Der zivile Flugbetrieb wurde zum 31. März 2023 vollständig eingestellt.[41]
↑Matthias Gebauer, John Goetz: Atomwaffen in Deutschland: USA haben Nuklear-Arsenal in Ramstein geräumt. In: Der Spiegel. 9. Juli 2007, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. August 2023]).
↑Michal Smetana, Michal Onderco, Tom Etienne: Do Germany and the Netherlands want to say goodbye to US nuclear weapons? In: Bulletin of the Atomic Scientists. Band77, Nr.4, 4. Juli 2021, ISSN0096-3402, S.215–221, doi:10.1080/00963402.2021.1941603 (tandfonline.com [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
↑AMBITIVUM, pagus magnensis, Monasteri in Meinfeld, Münstermaifeld, Die Geschichte im Bezug zur Stadt Münstermaifeld von 2009, S. 161.
↑Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., Bonn in Zusammenarbeit mit dem Senat von Berlin (Hrsg.): Dokumente zur Berlinfrage 1944–1966. 1987, ISBN 3-486-42324-X, S. 216.
↑US-Atombomben auf deutschem Boden bestätigt. (PDF) In: Deutscher Bundestag. 23. Mai 2017, abgerufen am 1. August 2019 (Völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands beim Umgang mit Kernwaffen. Seite 4).
↑Peter Orzechowski: Besatzungszone – Wie und warum die USA noch immer Deutschland kontrollieren. 2. Auflage. Kopp Verlag, Rottenburg (Neckar) 2022, ISBN 978-3-86445-873-6, S. 90
↑Angaben von Karl-Heinz Kamp, Nato Defense College in Rom. In: Bettina Vestring: US-Atombomben bleiben. In: Frankfurter Rundschau Online. 5. September 2012, abgerufen am 6. September 2012.
↑Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz – Fachgruppe Luftverkehr: Widerruf der Genehmigung des Segelfluggeländes Büchel. In: DFS Deutsche Flugsicherung (Hrsg.): Nachrichten für Luftfahrer 2023-1-2728. 9. Februar 2023.
Fliegerhorste und militärische Hubschrauberlandeplätze in Deutschland