Sein Vater Johann Friedrich Matthisson war seit 1758 Pfarrer und starb wenige Wochen vor der im Pfarrhaus der Sankt-Peter-Kirche stattfindenden Geburt seines Sohnes Friedrich. Um 1770 hielt er sich länger bei seinem Großvater Pfarrer Matthias Matthisson in Cracau auf.[1] Ab 1770 fand Friedrich im Haus seines Onkels Aufnahme und besuchte mit ihm die literarische Mittwochsgesellschaft in Magdeburg. Ab 1773 besuchte er die Schule im Kloster Berge. 1778 wurde er Mitglied der Freimaurerloge „Zu den drei Kleeblättern“ in Magdeburg. 1778–1780 studierte er in Halle Theologie, Philologie und Literatur.
Matthisson wurde von seinen Zeitgenossen, u. a. auch von Friedrich Schiller, hoch geschätzt, nach seinem Tode aber bald weitgehend vergessen. An seinem Sturz hatten die Romantiker einigen Anteil. August Wilhelm Schlegel polemisierte gegen die viel gepriesene Lyrik Matthissons mit einem bösen Epigramm:
Stolz prangt mein Lied als Marmorgruppe,
und täuschet fern den Blick, als lebs.
Auch sah ich Matthison. Im Stromgetose
Wallt er, mit offnem Haar und offnem Sinn,
Durch Klostertrümmer tief im Gräbermoose,
Und mit der Gems’ in Gletscherspiegeln hin;
Pflückt jetzt die Enzian’ und Alpenrose,
Lauscht dort dem Lied der Traubenleserin,
Und sehnt sich rührend aus dem Weltgewühle
Zum Veilchenthale seiner Knabenspiele.
Viele der Gedichte und Lieder Friedrich von Matthissons wurden von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert vertont, z. B. Adelaide. Beethoven bedankte sich am 4. August 1800 bei Matthisson, „für das Seelige Vergnügen, was mir ihre poesie überhaupt immer machte und noch machen wird“.[3]
Am 27. Juni 1793 besuchte der Freimaurer Friedrich Matthisson zusammen mit Hölderlins Dichterfreunden Gotthold Friedrich Stäudlin und Christian Ludwig Neuffer, dem Verlobten von Stäudlins Schwester Rosine, das Evangelische Stift Tübingen.[4] Matthisson traf dort mit dem für die Französische Revolution schwärmenden Stiftler Friedrich Hölderlin zusammen.[5] Hölderlins Idol, der Jurist Gotthold Friedrich Stäudlin – „wahrhaft ein herrlicher Mann“[6] war er von dem jungen Dichter genannt worden –, hatte die Ehre, sich selbst im Stammbuch des Freimaurers zu verewigen:[7]
Du, mit der magischen Gewalt,
zu herrschen über Herzen, über Thränen,
der fühlt, so oft er singt, und fühlend uns mit Tönen
die Reize der Natur und Menschenwürde malt –
Leb wohl und küsse mir den Edeln,[8] dessen Lied
Wie deins, Begeisterung durchglüht.
Stäudlin.
Tübingen
27. Jun[ii] 1793.
Hölderlin dachte in seinem Brief, den er aus der dritten Juliwoche des Jahres 1793 an Neuffer richtete, an jenes unvergessliche Zusammentreffen zurück:
„Ich schicke meinen Hymnus unsrem Stäudlin. Das zaubrische Licht, in dem ich in ansah, da ich mit ihm zu Ende war, u. noch mer, da ich ihn euch mitgeteilt hatte an dem unvergeßlichen Nachmittage, ist nun so ganz verschwunden, daß ich mich nur mit der Hoffnung eines baldigen bessern Gesangs über seine Mängel trösten kann. – Wie stehts dann eigentlich mit dem Journale? Hast Du schon an Matthison geschrieben? – Ich noch nicht. Hier mein Hesiod.“[9]
„Rudolf Magenau berichtet – wohl auf Grund von Hölderlins Erzählung bei dessen Besuch in Vaihingen [an der Enz] am 21. November 1793 – von dem ‚unvergeßlichen Nachmittage‘ in seinem Lebensabriß: ‚Mathison, wohl der liebenswürdigste von unsern Dichtern knüpfte zwischen sich u. H. ein enges Band. H. hatte ihm zu Tübingen im Beisein Neuffers u. Stäudlins eine Hymne an die Kühnheit .. vorgelesen, Mathison entglühte von sympathetischem Feuer, warf sich in H. Arme, u. der Bund der Frdschaft ward geschlossen.‘“[10]
Werke
Gedichte, Breslau 1787.
Friedrich Mathissons Gedichte. Herausgegeben von Joh. Heinr. Füßli. Vermehrte Auflage. Zürich. Bey Orell, Geßner, Füßli und Compagnie. 1792. (Digitalisat in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern)
Erinnerungen, Zürich 1810–16, 5 Bände
Gedichte von Friedrich von Matthisson - Erster und Zweiter Theil. 1815, Wien, Komm. Gräffer/Härter Verlag
Gedichte. Mit Einleitung und Anmerkungen hrsg. von Ernst Kelchner. Brockhaus, Leipzig 1874.
An den Abendstern. Gedichte, hrsg. von Christian Eger, Halle 2002, ISBN 3-89923-016-7.
Wörlitzer Blätter. Gedichte, Prosa, Briefe, hrsg. von Christian Eger, Halle 2005, ISBN 3-939335-01-0.
Das Stammbuch Friedrich von Matthissons. [Bonstettiana, Sonderband.]
[Teil 1.] [Faksimile des Stammbuchs.]
[Teil 2.] Transkription und Kommentar zum Faksimile. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Erich Wege, Doris und Peter Walser-Wilhelm sowie Christine Holliger in Zusammenarbeit mit Bonstettiana, Archiv und Edition sowie der Anhaltischen Landesbücherei Dessau. Wallstein-Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0002-6
Das in der Anhaltischen Landesbibliothek Dessau aufbewahrte Stammbuch enthält 336 handschriftliche und bildnerische Einträge vom 10. Oktober 1782 bis 28. Juni 1830 zu Persönlichkeiten der deutschen und schweizerischen Geistesgeschichte.[11]
Literatur
Christian Eger: Friedrich von Matthisson. Ein Lebensbild aus Anlass seines 250. Geburtstages. In: Dessauer Kalender. 2011, ISSN0420-1264, S. 2 ff.
Otto Fuhlrott: Matthisson, Friedrich von. In: Guido Heinrich, Gunter Schandera (Hrsg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Scriptum, Magdeburg 2002, ISBN 3-933046-49-1.
Otto Hachtmann: Friedrich von Matthisson. In: Historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt (Hrsg.): Mitteldeutsche Lebensbilder. 3. Band Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts. Selbstverlag, Magdeburg 1928, S. 228–241.
Erdmut Jost, Christian Eger (Hrsg.): Friedrich von Matthisson (1761–1831). Dichter im Zeitalter der Freundschaft. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2014, ISBN 978-3-95462-022-7.
Herbert Meyer: Matthisson, Friedrich von. Dichter, Schriftsteller. 1761–1831. In: Hermann Haering / Otto Hohenstatt (Hrsg.): Schwäbischer Lebensbilder. Bd. 3. Kohlhammer, Stuttgart 1942, S. 394–405.
Werner Wilhelm Schnabel: Das Album als „Westminster=Abtey“. Beobachtungen am Stammbuch Friedrich Matthissons. In: Wilhelm Haefs (Hrsg.): Bücherwelten im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Hannover 2009, S. 91–112.
Martin Wiehle: Magdeburger Persönlichkeiten. Hrsg. durch den Magistrat der Stadt Magdeburg, Dezernat Kultur. imPuls Verlag, Magdeburg 1993, ISBN 3-910146-06-6.
Martin Wiehle: Bördepersönlichkeiten. Biografisches Lexikon der Magdeburger Börde (= Beiträge zur Kulturgeschichte der Magdeburger Börde und ihrer Randgebiete. Bd. 6). Dr. ziethen verlag, Oschersleben 2001, ISBN 3-935358-20-2.
Julia Sedda: Friedrich von Matthisson und Luise Duttenhofer. Der Dichter und die Scherenschneiderin – eine Freundschaft. In: Schwäbische Heimat. Bd. 63 (2012), Nr. 1, S. 51–55 (https://doi.org/10.53458/sh.v63i1.2874).
↑Willy Otto Riecke, Chronik Prester-Cracau, Selbstverlag, Magdeburg 1932, Seite 32
↑Willy Otto Riecke, Chronik Prester-Cracau, Selbstverlag, Magdeburg 1932, Seite 32
↑Ludwig van Beethoven: Briefwechsel. Gesamtausgabe, hrsg. von Sieghard Brandenburg, Band 1, München 1996, Nr. 47
↑Vgl. dazu Reinhard Breymayer: Freimaurer vor den Toren des Tübinger Stifts. Masonischer Einfluss auf Hölderlin? In: Tubingensia: Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte. Ostfildern 2008, S. 355–395, hier besonders S. 355 f.
↑Vgl. Hölderlins Brief an Neuffer aus der dritten Juliwoche 1793. In: Hölderlins sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe (St. A.), Band 6, 1, S. 85–88: Nr. 60, hier S. 88, 82–89; dazu den Kommentar von Adolf Beck. In: St. A., Band 6, 2, S. 620–627, hier S. 626 f., besonders S. 627, 6–23 zu Matthisson. Vgl. auch Beck, ebenda, S. 615, 13–16.
↑Vgl. Gotthold Friedrich Stäudlin: Gotthold Friedrich Stäudlin. „… warlich ein herrlicher Mann …“ Lebensdokumente und Briefe, hrsg. von Werner Volke. Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft. 41, Stuttgart 1999. – Zur Familie Stäudlin vgl. ebenda, S. 94, 190, 325, 370, 421, 429 und 432.
↑Siehe Stäudlins Eintrag unter Nr. 222 in: Das Stammbuch Friedrich von Matthissons (2007). [Teil 1], S. [271]; [Teil 2], S. 320; dazu die Erläuterungen zusammen mit denen zu Stäudlins früherem Eintrag Nr. 109: [Teil 2], S. 160–162.
↑Gemeint ist Hölderlin, vgl. die Anmerkung a) der Herausgeber in: Stammbuch (2007), S. 320, Z. 13.
↑In: St. A., Band 6, 6, 2, S. 626, 22–28. Wie zwei Äußerungen Matthissons an Friedrich Haug aus dem Jahr 1805 zeigen (vgl. St. A., Band 7, 3, S. 555, Nr. 342 a; dazu Adolf Beck: „Erläuterungen“, ebenda, S. 556, 7–26), vermag Matthisson allerdings die reife Dichtung Hölderlins nicht mehr angemessen zu würdigen.
↑Als zentrale Quelle wurde Matthissons Stammbuch in folgender Veröffentlichung ausgewertet: Reinhard Breymayer: Freimaurer vor den Toren des Tübinger Stifts: Masonischer Einfluss auf Hölderlin? In: Tubingensia: Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte. Festschrift für Wilfried Setzler zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Sönke Lorenz und Volker [Karl] Schäfer in Verbindung mit dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen. Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, 10, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2008, ISBN 978-3-7995-5510-4, S. 355–395.