Ab 1936 arbeitete er als Lehrer.[4] Im selben Jahr heiratete er Marcelle Gourdon, Lizentiatin in Geschichte und Geographie, die selbst aus einer protestantischen Familie aus den Cevennen stammte und eine Nachfahrin des Kamisardenführers Rolland war. Das Paar hat drei Kinder.[5][6]
Die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Partei war so heftig, dass er sich während des Zweiten Weltkriegs nicht an der Résistance beteiligte. Stattdessen unterstützte er mit Geldsammlungen unterdrückte Lehrer und politische Gefangene sowie die Evakuierung von Kindern aus Paris in ländliche Gemeinden.[7] 1948/49 trug er zur Gründung des Institut français d’histoire sociale[A 3] bei.[8][9]
Als Pionier der Arbeitergeschichte in Frankreich führte er diese an der Universität ein und gab ihr die archivalischen Grundlagen. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Standardwerke wie das Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français (Biographisches Lexikon der französischen Arbeiterbewegung), das über seinen Tod hinaus fortgeführt wurde und allgemein als Le Maitron bekannt ist, sowie eine Geschichte des Anarchismus in Frankreich. Jean Maitron gründete und leitete zwei Zeitschriften: L'Actualité de l’histoire[13] (1953–1960) und anschließend Le Mouvement social (seit 1960). Als Historiker der Bewegung und des Anarchismus war er allerdings kein Anarchist, obwohl dies viele glaubten.[14]
Sein Werk wird von einem Team unter der Leitung von Claude Pennetier[15] im Rahmen des Centre d'histoire sociale du XXe siècle (CNRS / Universität Paris 1) weitergeführt. Im Jahr 2006 erschien eine neue Reihe des Lexikons in zwölf Bänden. Sie trägt den Titel Dictionnaire biographique, mouvement ouvrier, mouvement social und wurde 2016 abgeschlossen; sie umfasst den Zeitraum 1940–1968. Das Unternehmen wird mit der Aktualisierung der Einträge und der Erstellung neuer Einträge durch die Digitalisierung des „Maitron online“ fortgesetzt.
Ehrungen
1996 hat die Fédération de l’Éducation nationale (heute UNSA Éducation)[A 5] den Prix Jean Maitron ins Leben gerufen, der sein Werk fortsetzt und mit dem eine Masterarbeit (ursprünglich Magisterarbeit) ausgezeichnet wird. Die Jury des Maitron-Preises, derzeit unter dem Vorsitz von Antoine Prost[16], setzt sich zur Hälfte aus Akademikern und zur Hälfte aus Gewerkschaftern zusammen.[17] Eine Reihe von Büchern zur Sozialgeschichte trägt ebenfalls seinen Namen im Verlag Éditions de l’Atelier.[18]
2016 veröffentlichte der Journalist Edwy Plenel[19] das Buch Voyage en terres d’espoir (Reise in das Land der Hoffnung), eine „Hommage an die Vergessenen und Unbekannten, die für die Emanzipation gekämpft haben“. Der Autor erklärte: „Ich wollte dem Maitron gerecht werden, benannt nach dem Historiker Jean Maitron, dem Begründer dieses großen Werkes: des biographischen Wörterbuchs der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegung“.[20]
Le Maitron ist der Gebrauchsname einer Reihe von biografischen Wörterbüchern der Arbeiterbewegung, die bis zu seinem Tod 1987 von Jean Maitron und danach von seinem Nachfolger Claude Pennetier geleitet wurden. Laut Pennetier besteht das Wörterbuch „sowohl aus wichtigen, wissenschaftlich erstellten Biografien als auch aus kürzeren Notizen, die die Erinnerung an einen Namen bewahren“.[21]
Le Maitron lässt sich in mehrere Teile untergliedern:
Das Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français[A 6] (DBMOF, Biografisches Lexikon der französischen Arbeiterbewegung): 43 Bände, erschienen zwischen 1964 und 1993, mit einem Nachtrag (Band 44), erschienen 1997, und einer CD-ROM, die alle 44 Bände enthält und erweitert (insgesamt 110.000 Biographien), erschienen 1997;
das Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international[A 7] (DBMOI, Biografisches Lexikon der internationalen Arbeiterbewegung): eine internationale Erweiterung des Maitron, die bisher 9 Bände umfasst (der letzte Band ist Algerien gewidmet und wurde im Januar 2007 veröffentlicht);
die Dictionnaires biographiques thématiques du mouvement ouvrier français (Thematische biographische Lexika zur französischen Arbeiterbewegung): Zwei Bände sind bereits erschienen, der erste über die Gas- und Elektrizitätsarbeiter 1993, der zweite über die Eisenbahner 2003;
das Dictionnaire biographique, mouvement ouvrier, mouvement social[A 8] (DBMOMS, Biografisches Wörterbuch, Arbeiterbewegung, soziale Bewegung): Fortsetzung des DBMOF für den Zeitraum 1940–1968, bestehend aus 12 Bänden (jeweils mit einer CD-ROM, die die gedruckte Fassung ergänzt). Die Veröffentlichung der 12 Bände der Papierausgabe dieses Lexikons wurde im November 2016 abgeschlossen.
Die Website Le Maitron en ligne (MEL), die für den Zeitraum 1789–1968 über 186.000 Einträge enthält, ist frei und kostenlos.[22][23]
Les Anarchistes, Dictionnaire biographique du mouvement libertaire francophone (Die Anarchisten, biografisches Wörterbuch der frankophonen libertären Bewegung) wurde 2006 begonnen und 2014 veröffentlicht.
Les Fusillés (1940–1944): Aufbauend auf den vorherigen biografischen Wörterbüchern erweitert das Dictionnaire biographique des fusillés et exécutés par condamnation et comme otage ou guillotinés en France pendant l’Occupation (Biografisches Wörterbuch der während der Besatzungszeit in Frankreich erschossenen und durch Verurteilung und als Geiseln hingerichteten oder guillotinierten Personen) das Feld der Wörterbücher über die Arbeiterbewegung hinaus. Es erschien im Mai 2015, zum 70. Jahrestag der Niederlage des Nationalsozialismus und eröffnete ein neues Forschungsfeld zu den Hingerichteten, deren laufende Zählung, die auf der Website Maitron-en-ligne veröffentlicht wird, alle interessierten Forscher und Leser zu Beiträgen aufruft.
Zum 150. Jahrestag im Jahr 2021 veröffentlicht der Verlag Éditions de l'Atelier unter der Koordination von Michel Cordillot[24] die Publikation Commune de Paris 1871: les acteurs, l'évènement, les lieux (Die Pariser Kommune von 1871: Akteure, Ereignisse, Orte).[25]
Verein der Freunde des Maitron
Die 1982 gegründete Association des amis du Maitron[26] ist ein Verein nach dem Gesetz von 1901, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Le Maitron aufzuwerten. Nachdem der Verein lange Zeit von der Historikerin Madeleine Rebérioux und dann von Antoine Prost (2005–2012) präsidiert wurde, wird er seit 2012 von den Historikern Jean-Louis Robert[27] und Claude Pennetier geleitet. Im Februar 2023 trat Jean-Louis Robert als Co-Präsident der Vereinigung zurück.
Werke von Jean Maitron
Histoire du mouvement anarchiste en France. SUDEL, 1951.
Le Syndicalisme révolutionnaire, Paul Delesalle. Éditions ouvrières, 1952.
De la Bastille au Mont Valérien. Dix promenades à travers Paris révolutionnaire. Éditions ouvrières, 1956.
Ravachol et les anarchistes. collection Archives-Julliard, 1964.
Publication de textes : H. Messager, Lettres de déportation, 1871–1876. Le Sycomore, 1979.
Syndicalisme révolutionnaire et communisme. Les Archives de Pierre Monatte (en collaboration avec Colette Chambelland). Éditions Maspero, 1968.
La Sorbonne par elle-même, mai-juin 1968, (mit Michelle Perrot & Madeleine Rebérioux). In: Le Mouvement social. Nr.64–68. Éditions ouvrières, 1968.
Literatur
im Text zu Jean Maitron verwendet
René Bianco: Répertoire des périodiques anarchistes de langue française : un siècle de presse anarchiste d’expression française, 1880–1983, thèse de doctorat. Université d’Aix-Marseille, 1987 (ficedl.info).
Maurice Joinet: Les grandes heures du mouvement ouvrier dans la Nièvre. Association culturelle ouvrière nivernaise, 1999, S.8.
Michelle Perrot: Les Vies ouvrières. In: Pierre Nora, Les Lieux de mémoires. Vol. III. Gallimard, 1992, S.191.
Claude Pennetier: Le dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français. In: Genèses. Vol. 14, Nr.14, 1994, S.131.
Claude Pennetier: Geneviève Poujol, prosopographe. In: Un engagement à l’épreuve de la théorie. Itinéraire et travaux de Geneviève Poujol. L’Harmattan, 2008, S.63 (persee.fr).
Edwy Plenel: Voyage en terres d’espoir. Editions de l’Atelier, 2016, ISBN 978-2-7082-4499-3.
Rossana Vaccaro: Une collecte contestée : les archives de militants au Centre d’histoire sociale du XXe siècle. In: La Gazette des archives. Association des archivistes français, 2011, S.87–101 (hal.science).
zu Jean Maitron, im Text nicht verwendet
Colette Chambelland: Jean Maitron dans Le Mouvement social (listes des articles publiés). In: Le Mouvement social. Nr.142, 1988.
Colette Chambelland: Maitron (Jean). In: Jacques Julliard et Michel Winock (Hrsg.): Dictionnaire des intellectuels français : les personnes, les lieux, les moments. Le Seuil, 2009, ISBN 978-2-02-099205-3, S.892ff.
im Text zu Le Maitron verwendet
Claude Pennetier: La part des militants. Éditions de l’Atelier, 1996, S.9.
zu Le Maitron, im Text nicht verwendet
Jean-Marc Dreyfus: Le maitron en cd-rom : Entretien avec Claude Pennetier. In: Vingtième Siècle : Revue d’histoire. Presses de Sciences Po, 1998, S.167–170 (persee.fr).
Michel Dreyfus: Le Maitron, dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français. In: Revue de l’économie sociale. Nr.V, 1985, ISSN0755-8902.
Weblinks
zu Jean Maitron
Claude Pennetier: MAITRON Jean. In: Le Maitron. Abgerufen am 6. November 2023 (französisch).
Maitron Jean. In: Catalogue en ligne des archives et des manuscrits de l'enseignement supérieur (Calames). Abgerufen am 6. November 2023 (französisch).
Madeleine Rebérioux: MAITRON JEAN (1910–1987). In: Universalis. Abgerufen am 6. November 2023 (französisch).
Bildersammlung. In: bonnesbobines. Abgerufen am 6. November 2023 (französisch).
↑Die Union fédérale des étudiants war eine Studentenorganisation, die von 1926 bis 1938 Studenten vereinte, die Mitglieder der Kommunistischen Partei Frankreichs waren oder ihr nahestanden. Siehe weiterführend dazu fr:Union fédérale des étudiants in der französischsprachigen Wikipédia.
↑La Révolution prolétarienne war eine syndikalistische Zeitschrift (zunächst "Revue syndicaliste-communiste", ab 1930 "Revue syndicaliste révolutionnaire"), die im Januar 1925 von Pierre Monatte in Paris gegründet wurde. Als kämpferische Zeitschrift, die sich gegen die Unterordnung unter die Partei wandte, bekämpfte sie den Stalinismus. sieha auch fr:La Révolution prolétarienne in der französischsprachigen Wikipédia.
↑Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Dokumentationen und Privatarchive über die soziale Bewegung und ihre Akteure zusammenzutragen. Dazu auch fr:Institut français d'histoire sociale in der französischsprachigen Wikipédia.
↑Die Fédération de l’Éducation nationale (FEN) war eine französische Berufsorganisation, die sich ursprünglich auf die Beschäftigten des Bildungswesens bezog und später auch die Beschäftigten in den Bereichen Forschung und Kultur einschloss (ihr Organisationsbereich umfasste bis zu acht Ministerien). Sie vereinigte mehrere Gewerkschaften. Siehe hierzu weiterführend fr:Fédération de l'Éducation nationale in der französischsprachigen Wikipédia.