Die Familie von Hinüber gehörte im 18. und 19. Jahrhundert zu den sogenannten Hübschen Familien.[1] Jobst Anton von Hinüber war der einzige Sohn des Oberpostkommissars Ernst Andreas von Hinüber[2] (1693–1722) und dessen Frau Catharina Margarete Voigt (1697–1758), die aus einer Oberamtsmannfamilie stammte.[3]
Jobst Anton von Hinüber kam auf dem Hinüberschen Posthof zur Welt. Nach dem frühen Tod seines Vaters – Jobst Anton war seinerzeit keine 4 Jahre alt – sorgte seine Mutter „für eine für damalige Zeit hervorragende Ausbildung. … Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Jobst Anton seine Schulbildung von Hauslehrern erhalten.“ Als 16-Jähriger ging er als einer der ersten auf die noch in der Gründungsphase befindliche Universität Göttingen (fortlaufende Matrikel-Nummer 174) und studierte dort Jura. Dort schloss er eine lebenslang andauernde Freundschaft mit dem späteren Minister Johann Burchard von Behr sowie dem „30 Jahre älteren Gründer“ der Universität und späteren Premierminister Gerlach Adolph von Münchhausen.[3]
Zurück in seiner Heimatstadt soll von Hinüber laut dem ersten Hannoverschen Staatskalender von 1737 das Amt eines Postkommissars und Postmeister in Hannover bekleidet haben. Da jedoch „das Postwesen im Kurfürstentum Hannover 1736 verstaatlicht“ worden war, hatte von Hinüber nur eingeschränkten Gestaltungsspielraum. 1746 heiratete er.[3]
Er wurde am 22. Oktober 1749 in die FreimaurerlogeFriedrich in Hannover aufgenommen; von 1753 bis 1755 war er deren Meister vom Stuhl.
1760 trat er die Stelle eines Amtmannes des Klostergutes Marienwerder bei Hannover an. In diesem Amt setzte er die in England gewonnenen Erfahrungen um und wurde in der Folge einer der bedeutenden Landwirtschaftsreformer in der hannöverschen Region.
Er gestaltete das Klostergut zu einem landwirtschaftlichen Mustergut um und erprobte dort moderne landwirtschaftliche Geräte und Anbautechniken, welche er in England gesehen hatte. Im Jahr 1764 war Jobst Anton von Hinüber Gründungsmitglied der – in Anlehnung an englische Vorbilder und auf Wunsch von Georg III., Kurfürst von Hannover und König von Großbritannien, gegründeten – Celler Landwirtschaftsgesellschaft, einer der bedeutendsten in Deutschland. Legationsrat von Hinüber eröffnete auch deren erste Sitzung.
Als erster hannöverscher Wegbauintendant erreichte er, dass Georg III., „unterm 4. Mai 1764 allergnädigst geruhet zum Wegebau 12.000 Taler aus dero selben Cammer Revenuen zu bewilligen“, womit die Grundlage eines ingenieurmäßigen und zentral organisierten Straßenbaues im Kurfürstentum Hannover gelegt wurde.
Hinübersche Landschaftsgärten
Auf einer zweiten Englandreise 1766–1767 besuchte er verschiedene englische Landschaftsparks. Nach seiner Rückkehr ließ er 1774 einen Landschaftspark vor seinem Stadthaus am Hinüberschen Posthof in Hannover anlegen (vor dem Steintor, an der Celler Straße, heute zerstört).
Aufgrund seiner Auslandserfahrungen ließ er den in den Grundzügen noch heute existierenden, etwa 40 Hektar umfassenden Hinüberschen Garten am Kloster Marienwerder anlegen. Er war im Stil eines Jardin anglo-chinois gestaltet. Die Anlage enthielt verschiedene Staffagebauten wie einen „Hexenturm“ (künstliche Ruine), einen chinesischen Pavillon und eine Grotte am Ufer des großen Teiches, auf dem venezianische Gondeln fuhren und in dem eine Blumeninsel angelegt war. Von Hinüber beabsichtigte darüber hinaus die harmonische Einheit von gestalteter Landschaft und landwirtschaftlicher Nutzung im Sinne einer sogenannten ornamented farm. Der Besuch seines Gartens soll für gebildete Gäste des Kurfürstentums Hannover Pflichtprogramm gewesen sein.
Der Hinübersche Garten in Marienwerder wurde nach seiner Erstanlage nie umgestaltet, blieb also in den Grundstrukturen bis heute erhalten. Die Baulichkeiten verfielen jedoch und die Anlage verwilderte nach und nach. Im Rahmen des Projektes Stadt als Garten zur Weltausstellung EXPO 2000 wurde die Parkanlage – mit Ausnahme der verlorenen Bauten – nach historischem Vorbild weitgehend wieder hergerichtet.
Die Hinüberschen Gärten gehören zu den ersten Landschaftsgärten Deutschlands, in der Entstehungszeit sind sie dem berühmten Wörlitzer Park oder Goethes Park an der Ilm in Weimar gleichzustellen.
Hartmut von Hinüber: Jobst Anton von Hinüber – der Schöpfer des Englischen Gartens zu Hannover-Marienwerder. In: Hartmut von Hinüber, Peter Krüger, Siegfried Schildmacher: Der Hinübersche Garten in Hannover-Marienwerder. Eine freimaurerische Gartenanlage, hrsg. von der Freimaurerloge „Friedrich zum weißen Pferde“ Hannover, Hannover 2011, Selbstverlag, S. 6–19
Michael Rohde: Parkpflegewerk Hinüberscher Garten in Hannover-Marienwerder, Hannover, 1997.
Michael Rohde (Text), Silke Beck (Red.), Grünflächenamt der Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): Der Hinübersche Garten, Hannover: Grünflächenamt der Landeshauptstadt Hannover, 2000.
Oskar Ulrich: Der Marienwerder Klosterpark. Ein Beitrag zur Sittengeschichte Niedersachsens in der Wertherzeit. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge, Band 1, 1930/31, S. 255–272
Gerhard von Hinüber: Verzeichniß der Bücher des verstorbenen Hofrath von Hinüber zu Marienwerder: welche nebst einer beträchtlichen Charten-Sammlung … öffentlich meistbietend … versteigert werden, Hannover, 1817, [Vorhanden in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und Universitätsbibliothek Tübingen]
Schreiben an J. zu M. den chinesischenglischen Garten zu Marienwerder ohnweit Hannover betreffend, Hannover, 1777 [Original (als Mikrofilm verfügbar) vorhanden in der Niedersächsischen Landesbibliothek; auch in der Bayerischen Staatsbibliothek München]
Gothaisches genealogisches Taschenbuch der briefadeligen Häuser, 1909, S. 346f
↑Michael Rohde, Dirk Altwig: Jobst Anton von Hinüber. In: Der Hinübersche Garten, Broschüre der Stadt Hannover, Grünflächenamt, Hannover: 2. Auflage 2001, herunterladbar als PDF-Dokument
↑ abcdefHartmut von Hinüber: Jobst Anton von Hinüber – der Schöpfer … (siehe Literatur)