John O’Hara führte ein unstetes Leben. Er konnte es nie verschmerzen, dass ihm aus finanziellen Gründen ein Studium in Yale verwehrt geblieben war und er sich zunächst mit Jobs durchs Leben hatte schlagen müssen, darunter Tätigkeiten als Mechaniker, Sekretär, Parkwächter, Straßenhändler und Reporter für verschiedene Zeitungen, ehe er in New York begonnen hatte, Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit war er außerdem Filmkritiker, Radiosprecher, Presseagent und, nachdem sein Ruf etabliert war, Zeitungskolumnist.
Seit 1928 erschienen über 200 seiner Kurzgeschichten im Magazin The New Yorker und fanden großen Beifall von Seiten der Kritik, die ihn den „amerikanischen Balzac“ nannte. Viele seiner Geschichten spielen in Gibbsville, einer literarischen Version seines Heimatortes Pottsville. Beschrieben wird das Milieu des wohlhabenden amerikanischen Bürgertums mit seinem Klassenbewusstsein und seinen Klassenunterschieden. O’Haras Werke zeichnen sich insbesondere durch einen Sinn für gelungene Dialogführung aus. Der erste Roman-Erfolg wurde 1934 Appointment in Samarra, ein Buch, das überschwänglich von Ernest Hemingway gelobt wurde und das die Selbstzerstörung der Hauptfigur Julian English durch sein rebellisches Verhalten im Umfeld einer amerikanischen Kleinstadt beschreibt. Die beschriebenen kurzen Affären haben durchaus autobiographische Parallelen, die Kater nach durchzechten Nächten und die Schlägereien sind realistisch beschrieben und typisch für die „Hangover-Generation“ der Zeit der Wirtschaftskrise, die sich an altes Statusdenken klammerte, an der veränderten Umwelt aber zerbrach (English begeht am Ende Selbstmord). Sein 1939 geschriebener BriefromanPal Joey war die Vorlage für ein Musical und mehrere Verfilmungen (u. a. 1940 mit Gene Kelly bzw. 1957 mit Frank Sinatra und Rita Hayworth).
Während des Zweiten Weltkriegs war O’Hara Kriegsberichterstatter im Pazifik. Es folgten Drehbücher und weitere Romane, wie Ten North Frederick. In den sechziger Jahren galt er als heißer Kandidat für den Literaturnobelpreis, den er jedoch nie bekam. Seit Anfang der fünfziger Jahre schrieb er auch wieder regelmäßig Zeitungskolumnen, in denen er die amerikanische Politik aus eher konservativer Warte kommentierte, was ihm nicht wenig Kritik von Seiten liberaler Intellektueller einbrachte.
O’Hara starb in Princeton und ließ auf seinem Grabstein ein recht unbescheidenes Epitaph anbringen: „Besser als jeder andere erzählte er die Wahrheit über seine Zeit, die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Er war ein Profi. Er schrieb ehrlich und gut.“
Britta Bode: Es ist nicht immer ratsam, Schwätzern den Drink ins Gesicht zu schütten. (Rezension von Begegnung in Samarra). In: Die Welt, Online-Fassung vom 18. März 2007
Hans-Peter Kunisch: Angeber mit Charme. John O'Hara war so wild und unbeherrscht wie die Leute, über die er schreibt. (Rezension von Begegnung in Samarra). In: Die Zeit, Online-Fassung vom 22. März 2007