Erste Erwähnung fand Kalomel bereits in den Aufzeichnungen von 1608 durch Beguin und 1609 durch Oswald Croll. Er soll jedoch schon den alten Tibetern bekannt gewesen sein. Wissenschaftlich beschrieben wurde das Mineral aber erst 1612 durch Théodore Turquet de Mayerne, der dem Mineral die Bezeichnung „schönes Schwarz“ gab. Der Name ist eine Zusammensetzung der altgriechischen Worte καλόςkalos für „schön“ und μέλαςmelas für „schwarz“, der Legende nach inspiriert durch seinen schwarzen Sklaven, der Präparate dieser Substanz gut zu bereiten wusste.[9][10]
Tatsächlich rührt der Name daher, dass das Quecksilber(I) im Kalomel leicht in elementares Quecksilber und Quecksilber(II) disproportioniert. Das sich bildende Quecksilber ist fein verteilt und sorgt dadurch für die schwarze Farbe. Die Disproportionierung kann durch Licht oder in wässrigen Lösungen durch Anheben des pH-Wertes geschehen. Zum Beispiel fällt beim Übergießen von Kalomel mit Ammoniaklösung feinverteiltes, schwarzes Quecksilber und weißes Quecksilber(II)-amidochlorid aus.[11]:
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Kalomel zur Mineralklasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung der „Einfachen Halogenide“, wo er zusammen mit Kuzminit und Moschelit eine eigenständige Gruppe bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Kalomel ebenfalls in die Klasse der „Halogenide“ und dort in die Abteilung der „Einfachen Halogenide ohne H2O“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach dem Stoffmengenverhältnis von Kationen (M) zu Anionen (X), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : X = 1 : 1 und 2 : 3“ zu finden ist, wo es ebenfalls zusammen mit Kuzminit und Moschelit die nach ihm benannte „Kalomelgruppe“ mit der System-Nr. 3.AA.30 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Kalomel in die Klasse der „Halogenide“ und dort in die gleichnamige Abteilung ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der „Kalomelgruppe“ mit der System-Nr. 09.01.08 und den weiteren Mitgliedern Kuzminit und Moschelit innerhalb der Unterabteilung der „Wasserfreien und wasserhaltigen Halogenide mit der Formel AX“ zu finden.
Reiner Kalomel ist farblos. Er kann jedoch durch Verunreinigungen oder Beimengungen formelfremder Ionen von weißer, weißgelber bis graugelber oder brauner Farbe sein, die bei längerem Kontakt mit Luft allmählich nachdunkelt. Seine Optische Dispersion reicht an die des Diamanten und seine Doppelbrechung übertrifft die des gerade für diese Eigenschaft bekannten Calcits bei weitem.
Kalomel bildet sich als Sekundärmineral durch Verwitterung primärer Quecksilberminerale.
Als seltene Mineralbildung konnte Kalomel nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden. Bisher (Stand: 2011) sind etwa 80 Fundorte bekannt.[12] Neben seiner Typlokalität Moschellandsberg trat das Mineral in Deutschland noch im „Daimbacher Hof“ (ehemals „Alte Grube“ in Daimbach) bei Mörsfeld, am Potzberg, in der Grube „Frischer Mut“ bei Stahlberg und in der Grube „Christiansglück“ am Königsberg bei Wolfstein in Rheinland-Pfalz auf.
Größere, abbauwürdige Vorkommen von Kalomel sind nicht bekannt. Aus diesem Grund ist es als Quecksilbererz von untergeordnetem Interesse. Anwendungen des Minerals sind eher von historischem Interesse. So entdeckte William Alexander in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die antiseptische Wirkung von Quecksilber(II)-chlorid (auch Sublimat) und Kalomel. Unter dem Mikroskop beobachtete er Infusorien, die unter Einwirkung der beiden Substanzen in wenigen Minuten zugrunde gingen.[14]
Weitere historische und medizinische Anwendungen finden sich unter → Quecksilber(I)-chlorid.
Calomel search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF); abgerufen am 21. Oktober 2022 (englisch).
↑ abcHermann Thoms: Grundzüge der Pharmazeutischen Chemie. 7., verbesserte Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg 1921, S.198–200 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 21. Oktober 2022]).
↑ abcdDavid Barthelmy: Calomel Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 26. März 2022 (englisch).
↑
Calomel. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 63kB; abgerufen am 26. März 2022]).
↑Calomel. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. April 2022 (englisch).
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Elias Altschul: Real Lexicon für Homöopathische Arzneimittellehre, Therapie u. Arznei-Bereitungskunde. Sondershausen 1864, S.225–226 (books.googleusercontent.com [PDF; 20,1MB; abgerufen am 4. April 2022]).
↑
F. Chance: Calomel. In: Notes and Queries: A Medium of Intercommunication for literary men, general readers, etc. Band2. Francis, London 1874, S.4 (englisch, online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
↑Eintrag zu Präzipitate. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 23. Mai 2014.
↑Localities for Calomel. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. April 2022 (englisch).
↑
Fundortliste für Kalomel beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 4. April 2022.