Das Kreisgebiet gehörte vor der Eroberung, Christianisierung und Kolonisation durch den Deutschen Orden im Mittelalter zum Siedlungsgebiet des baltischen Volksstammes der Pruzzen. Nach dem Niedergang der Herrschaft des Deutschen Ordens im Jahre 1466 befand es sich bis 1772 unter autonomer preußischer Regierung unter Schutzherrschaft der polnischen Krone. Mit der ersten Teilung Polens kam das Gebiet 1772 an das Königreich Preußen und gehörte dort zur Provinz Westpreußen, die in sechs große Kreise, darunter der Kreis Marienburg, eingeteilt wurde.[1][2] Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum Regierungsbezirk Danzig der Provinz Westpreußen. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Danzig wurde zum 1. April 1818 der alte Kreis Marienburg deutlich verkleinert. Er umfasste nunmehr die Städte Marienburg und Neuteich mit ihrem Umland, darunter insbesondere der Große Marienburger Werder.[3] Das Landratsamt war in Marienburg.
Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.
Die Gemeinde Tiegenhof wurde 1880 zur Stadt erhoben.
Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 und der damit verbundenen Auflösung der Provinz Westpreußen wurde der Kreis Marienburg geteilt. Die westlich der Nogat gelegenen Teile kamen zur Freien Stadt Danzig, während das Gebiet östlich der Nogat beim Deutschen Reich verblieb und vorläufig dem Oberpräsidenten in Königsberg unterstellt wurde. Zu dieser Zeit wurde die Schreibweise Marienburg (Westpr.) üblich.
Zur Vorbereitung der Volksabstimmung über die endgültige Zugehörigkeit des Kreises wurde das Kreisgebiet wenig später der „Interalliierten Kommission für Regierung und Volksabstimmung“ in Marienwerder unterstellt. Nach dem eindeutigen Ergebnis der Volksabstimmung am 1. Juli 1920 verblieb der Kreis bei Deutschland. Zum 1. Juli 1922 wurde der Kreis Marienburg förmlich in die Provinz Ostpreußen eingegliedert. Der Regierungsbezirk „Marienwerder“ wurde aus Traditionsgründen in Regierungsbezirk „Westpreußen“ umbenannt. Der Sitz des Regierungspräsidenten blieb in Marienwerder.
Zum 1. September 1924 wurden die Landgemeinden Tessensdorf und Willenberg aus dem Kreis Stuhm in die Stadt Marienburg im Kreis Marienburg eingegliedert. Dadurch sollten die Gebietsverluste ausgeglichen werden, die die Stadt durch die Gründung der Freien Stadt Danzig erlitten hatte. Marienburg hatte dabei ab 10. Januar 1920 auf seine Stadtteile westlich der Nogat verzichten müssen.
Zum 30. September 1929 fand im Kreis Marienburg entsprechend der Entwicklung im übrigen Freistaat Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Zum 26. November 1939 wurde der Kreis Marienburg Teil des neugebildeten Reichsgaus Westpreußen, später Danzig-Westpreußen. Der Regierungsbezirk führte jetzt wieder die frühere Bezeichnung „Marienwerder“.
Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt. Nach Beendigung der Kampfhandlungen wurde das Kreisgebiet seitens der sowjetischen Besatzungsmacht der Volksrepublik Polen zur Verwaltung überlassen, was auch nach dem Potsdamer Abkommen im Sommer desselben Jahres beibehalten wurde. Soweit die deutsche Bevölkerung nicht geflohen war, wurde sie in der Folgezeit größtenteils von der polnischen Administration aus dem Kreisgebiet vertrieben oder an der Rückkehr gehindert.
Bevölkerung
Im Folgenden eine Übersicht mit offiziellen Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:[4][5]
Jahr
1821
1831
1852
1861
1871
1890
1900
1910
1925
1933
1939
Einwohner
43.807
44.721
55.337
56.131
58.666
58.552
60.902
62.999
32.884
36.805
37.711
Evangelische Katholiken Juden Sonstige
21.930 15.965 233 5.679
28.650 20.800 268 5.619
30.325 22.310 541 5.490
32.157 20.858 441 5.096
34.057 21.437 323 5.085
35.215 22.517 297 4.970
22.271 10.312 195 50
24.440 12.075 137 1
24.336 12.366 34 215
deutschsprachig zweisprachig polnischsprachig
44.468 – 253
50.598 4.625 114
55.174 – 957
56.569 400 1.545
59.171 459 1.239
61.050 426 1.498
Die recht große Gruppe der Sonstigen bei den Konfessionen wurde fast ausschließlich durch Mennoniten gebildet. Der Rückgang ihrer Zahl war einer starken Auswanderung geschuldet.
Der Kreis Marienburg i. Westpr. gliederte sich in die Städte Marienburg, Neuteich und Tiegenhof, in Landgemeinden und – bis zu deren Wegfall im Jahre 1929 – in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 die im Deutschen Reich gültige Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Alle Gemeinden des Kreises mit Ausnahme der Kreisstadt waren in Amtsbezirken zusammengefasst. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Städte und Gemeinden
Stadtgemeinden 1919
Zum Kreis gehörten um 1919 folgende drei Stadtgemeinden:
Marienburg i. Westpr.
Neuteich
Tiegenhof
Landgemeinden 1919
Zum Kreis gehörten um 1919 folgende 129 Landgemeinden (Stand vom 1. Januar 1908):[9]
Zum Kreis gehörten um 1919 außerdem folgende fünf Gutsbezirke (Stand vom 1. Januar 1908):[9]
Adlig Renkau
Fischauerfeld
Kykoit
Liebenthal
Montauer Forst
1920 an die Freie Stadt Danzig abgetretene Städte und Gemeinden
Zu dem westlich der Nogat gelegenen Kreisteil, der 1920 an die Freie Stadt Danzig abgetreten werden musste, gehörten die folgenden Städte und Gemeinden:[10] Sie wechselten in den Landkreis Großes Werder der Freien Stadt.
Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Heft 2: Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig. Berlin 1912, S. 32–37, Kr. Marienburg i. Westpr.
Preußisches Finanzministerium: Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Danzig. Danzig 1867, 6. Kreis Marienburg.
Hermann Eckerdt: Geschichte des Kreises Marienburg. Bretschneider, Marienburg 1868 (Digitalisat, 257 Seiten).
A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 627.
Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil II: Topographie von West-Preussen, Kantersche Hofbuchdruckerei, Marienwerder 1789, S. 14–27.
Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 344–351.
Pauk Niekammer (Hrsg.): Westpreussisches Güter-Adreßbuch. Stettin 1903, S. 36–48: Kreis Marienburg (eingeschränkte Vorschau).
↑August von Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den einzelnen Provinzen der preussischen Monarchie. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1839, S.153 (Digitalisat).
↑Johann Friedrich Goldbeck (Hrsg.): Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Band2. Marienwerder 1789, S.14ff. (Digitalisat).
↑Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 98
↑ abMichael Rademacher: Kreis Marienburg. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑ abcdeRolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.