Der Kreis lag im Kulmerland im äußersten Süden von Westpreußen und wurde von der Weichsel durchflossen, wobei der größere Teil des Kreisgebiets auf dem rechten (östlichen) Ufer lag. Mit der ab 1900 kreisfreien Stadt Thorn hatte der Kreis ein echtes städtisches Zentrum, was im dünn besiedelten Westpreußen nicht überall der Fall war. Die noch größere Stadt Bromberg lag unmittelbar westlich des Kreisgebiets.
Das nördliche Kreisgebiet kam durch die erste polnische Teilung 1772 zu Preußen, die Stadt Thorn mit ihren Nachbarorten folgte 1793 im Rahmen der zweiten polnischen Teilung. Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum Regierungsbezirk Marienwerder der neuen Provinz Westpreußen. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Marienwerder wurde zum 1. April 1818 der neue Kreis Thorn gebildet. Dieser umfasste die Städte Culmsee, Kowalewo (Schönsee), Podgorz und Thorn, die Domänenämter Brzezinko und Culmsee, das Amt Dybow sowie 67 adlige Güter.[1] Sitz des Landratsamtes war die Stadt Thorn.
Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.
Am 1. Oktober 1887 trat der Kreis einen Teil seines Gebietes, darunter die Stadt Schönsee, an den neuen Kreis Briesen ab. Seit dem 1. April 1900 bildete die Stadt Thorn einen eigenen Stadtkreis. Der Kreis Thorn wurde daraufhin in Landkreis Thorn umbenannt. Am 1. April 1906 schieden die Landgemeinden Mocker und Korzeniec sowie der Gutsbezirk Weißhof aus dem Landkreis aus und wurden in den Stadtkreis Thorn eingegliedert.
In Folge des Überfalls auf Polen 1939 wurde das Territorium des Polnischen Korridors vom Deutschen Reich annektiert. Zum 26. November 1939 wurde der Kreis unter seinem deutschen Namen Teil des neugebildeten Reichsgaus Westpreußen – später Danzig-Westpreußen – im neuen Regierungsbezirk Bromberg. Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt und nach Beendigung der Kampfhandlungen seitens der sowjetischen Besatzungsmacht der Volksrepublik Polen zur Verwaltung überlassen. In der Folgezeit wurde die einheimische Bevölkerung mit wenigen Ausnahmen von der polnischen Administration aus dem Kreisgebiet vertrieben.
Bevölkerung
Im Folgenden eine Übersicht[2] mit offiziellen Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 1887 und 1900 der Kreis verkleinert wurde und die Zahlen über diese Zeitpunkte hinweg nicht vergleichbar sind. Als Orientierung sind die zusammengefassten Werte von Stadt und Landkreis Thorn für 1900 und 1910 hinzugefügt.
Nach dem Überfall auf Polen wurde die Stadt Kulmsee der im Altreich gültigen Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 unterstellt, welche die Durchsetzung des Führerprinzips auf Gemeindeebene vorsah. Die übrigen Gemeinden waren in Amtsbezirken zusammengefasst, Gutsbezirke gab es nicht mehr.
Durch unveröffentlichten Erlass vom 29. Dezember 1939 galten vorläufig hinsichtlich der bisher polnischen Ortsnamen die bis 1918 gültigen deutschen Ortsnamen. Diese umfassende Rückbenennung war möglich, da noch das gesamte deutsche Kartenwerk für die 1920 an Polen abgetretenen Gebiete (auch) die früheren deutschen Ortsnamen weitergeführt hatte. Mittels der Anordnung betreffend Änderung von Ortsnamen des Reichstatthalters in Danzig-Westpreußen vom 25. Juni 1942 wurden mit Zustimmung des Reichsministers des Innern alle Ortsnamen eingedeutscht. Dabei wurde entweder der Name von 1918 beibehalten oder – falls „nicht deutsch genug“ – lautlich angeglichen oder übersetzt, zum Beispiel:
Amthal: Amtal, Kr. Thorn,
Culmsee (poln. Chełmża): Kulmsee,
Grabowitz (poln. Grabowiec): Hainbusch,
Leibitsch (poln. Lubicz): Leibisch,
Lubianka: Luben,
Ottlotschin (poln. Ottłoczin): Krügershauland,
Podgorz (poln. Podgórz): Amberg,
Rentschkau: Renskau,
Warschewitz: Warschütz,
Zlotterie (poln. Złotoria): Zollburg.
Literatur
Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder, S. 76–83, Stadtkr. und Landkr. Thorn.
Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 434–443.
Emil Jacobson: Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder, Danzig 1868, S. 204–217.
Grundriß der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Reihe A: Preußen. Hrsg. von Walther Hubatsch. Band 1: Ost- und Westpreußen. Bearbeiter Dieter Stüttgen Marburg/Lahn: Johann-Gottfried-Herder-Institut 1975. S. 246–248.
Hans Maercker: Geschichte der ländlichen Ortschaften und der drei kleineren Städte des Kreise Thorn in seiner früheren Ausdehnung vor der Abzweigung des Kreises Briesen i. J. 1888. Danzig 1899–1900 (eingeschränkte Vorschau)
A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 611.
Johann Heise: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kulmerlandes und der Löbau, Bertling, Danzig 1887, S. 95–315 (Google Books).
↑Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 115.
↑nur Landkreis, am 9. Dezember 1931; Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistik des Deutschen Reichs, Band 550: Amtliches Gemeindeverzeichnis für das Deutsche Reich auf Grund der Volkszählung 1939. Verlag Paul Schmidt, Berlin 1940, S. 266 (Google Books).
↑Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Band69). Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-7585-4, S.373.