Luftbildarchäologie oder archäologische Flugprospektion oder Luftbildprojektion ist eine Forschungsmethode der Archäologie, bei der archäologische Überreste oder anthropogene Bodenstörungen aus größerer Höhe fotografiert werden. Dabei werden unterschiedliche Luftfahrzeuge eingesetzt, z. B. Flugzeuge, Hubschrauber, Ballone und auch Drohnen.
Die Auswertung von zweckfremden Bilddaten mit internetbasierten Werkzeugen wird als virtuelle Luftbildarchäologie bezeichnet, wofür unterschiedliche Online-Quellen zur Verfügung stehen.[1] Zur Recherche werden unter anderem Aufnahmen von Erderkundungssatelliten (Satelliten- oder Weltraumarchäologie), Google Earth[2] (seit 2004), Geodatenportale[3] und Airborne Laserscans genutzt.[4][5]
Klassische und virtuelle Luftbildarchäologie sind neben der Begehung die wichtigsten Teilgebiete der Prospektion.
Die Anfänge der Luftbildarchäologie liegen in England. Den ersten Versuch, eine archäologische Stätte aus der Luft zu fotografieren, machte 1906 Leutnant P. H. Sharpe aus einem Ballon des Militärs heraus. Als er bei einer Übung über Salisbury vom Wind in Richtung des Steinkreises von Stonehenge abgetrieben wurde, richtete er geistesgegenwärtig seine Kamera nach unten.
Als Begründer der wissenschaftlichen Luftbildarchäologie gilt der britische Pilot Osbert Crawford, der nach dem Ersten Weltkrieg vom Flugzeug aus archäologische Fundstätten in England fotografierte. Die vor allem 1924 mit A. Keiller gemachten Aufnahmen veröffentlichte er 1928 in dem Werk Wessex from the Air. Er stellt darin erstmals die Luftbildarchäologie als eigene Forschungs- und Prospektionsmethode dar und nicht als Ersatz für Bodenmessungen. Als weiterer Pionier der Luftbildarchäologie gilt Erich Friedrich Schmidt, der für seine Mitarbeit bei den Ausgrabungen in Persepolis berühmt wurde.
Die Luftbildarchäologie wird zur flächendeckenden und wirtschaftlichen Erkundung von Bodendenkmalen eingesetzt. Bekannte Denkmäler werden mit Hilfe der Luftbildarchäologie auf Anzeichen von Veränderungen oder Gefährdung hin untersucht. Ausgrabungen werden mit Luftbildern vorbereitet, unterstützt und dokumentiert. Bis dato unbekannte Denkmäler können anhand spezieller Merkmale lokalisiert werden, wobei selbst komplett verschüttete vorzeitliche Anlagen aufgrund ihres Einflusses auf die Vitalität der darüber wachsenden Vegetation erkundet werden können. Da die Luftbildarchäologie eine Art der Fernerkundung ist, kann sie andere archäologische Methoden am Boden, wie die geophysikalische Prospektion, Begehung, Bohrung (Pürckhauer) oder Sondage nicht ersetzen.
Bei unter Wasser liegenden Siedlungsspuren oder früheren Hafenanlagen lässt sich die Luftbildarchäologie unter günstigen Umständen, wie eine ruhige Wasseroberfläche und hohe Wasserdurchsichtigkeit, bis in etwa drei Meter Wassertiefe einsetzen.
Aufgrund der Zunahme von Raubgrabungen wird der Standort der Fundorte nur noch ungefähr in den Publikationen angegeben.
Merkmale im Boden und Bewuchs
Bodendenkmäler können aus der Luft durch verschiedene Merkmale angezeigt werden:
Bewuchsmerkmal: Beobachtet werden Vegetationsanomalien, welche sowohl über Mauerresten als auch über inzwischen verfüllten Gräben auftreten.
Schattenmerkmal: Erscheint über noch nicht ganz eingeebneten Fundstellen und lässt diese durch Schatten sichtbar werden. Vor allem am späten Abend zu beobachten.
Schnee- und Reifmerkmal: In der winterlichen Landschaft machen Schneeverwehungen auch minimale Niveauunterschiede sichtbar. Des Weiteren führen die schon beim Bewuchsmerkmal auftretenden Bodenunterschiede in Feuchtigkeit und Kälte zur Herausbildung von Schnee- und Reifmerkmalen.
Flutmerkmal: Entsteht meist in Überschwemmungsgebieten oder auf sehr sumpfigem Untergrund.
Feuchtemerkmal: Zeichnet sich nach heftigen Regenfällen ab. Über Mauerresten trocknet der Boden schneller und über verfüllten Gräben langsamer als die Erde in der Umgebung.
In der Satellitenarchäologie treten weitere Daten aus der Erdvermessung hinzu, die bei der Überfliegung mit Flugzeugen in das Gebiet der Geophysikalischen Archäologie fallen, wie Infrarotbilder, Magnetometrie oder Radar. Mit den modernen Satellitengenerationen stehen solche Daten Mitte der 2010er in ausreichender Detailgenaue im Dezimeterbereich zur Verfügung, um zumindest bauliche Strukturen zu identifizieren.
Beispiele von Entdeckungen durch Luftbildarchäologie
Gustaf Dalman: Hundert deutsche Fliegerbilder aus Palästina. Bertelsmann, Gütersloh 1925, (Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 2, ZDB-ID 510394-0).
Thomas R. Lyons u. a.: Aerial Remote Sensing Techniques in archeology. Chaco Center – National Park Service – U.S. Dept. of the Interior, Albuquerque NM 1977 (Reports of the Chaco Center 2).
Helmut Becker (Hrsg.): Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik. Karl M. Lipp Verlag, München 1996, ISBN 3-87490-541-1 (Bayern. Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 59).
Judith Oexle (Hrsg.): Aus der Luft – Bilder unserer Geschichte. Luftbildarchäologie in Zentraleuropa. Landesamt für Archäologie Sachsen mit Landesmuseum für Vorgeschichte, Dresden 1997, ISBN 3-910008-20-8 (Ausstellungskatalog).
Johannes Nollé, Hertha Schwarz: Mit den Augen der Götter. Flugbilder des antiken und byzantinischen Griechenlandes. Das Festland. Mit Flugbildern von Georg Gerster. Philipp von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3379-X (Antike Welt Sonderheft; Zaberns Bildbände zur Archäologie).
Otto Braasch, Kirsten Thiel: Vom heiteren Himmel ... Luftbildarchäologie. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, Esslingen 2005, ISBN 3-9808926-1-1 (Porträt Archäologie 1).
Georg Gerster: Flug in die Vergangenheit. Archäologische Stätten der Menschheit in Flugbildern. Herausgegeben von Charlotte Trümpler. Verlag Schirmer-Mosel, München 2005, ISBN 3-8296-0190-5 (Ausstellungskatalog).
Stephan W. E. Blum, Frank Schweizer, Rüstem Aslan: Luftbilder antiker Landschaften und Stätten der Türkei. Mit Flugbildern von Hakan Öge. Philipp von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-3653-5 (Antike Welt Sonderheft; Zaberns Bildbände zur Archäologie).
Jörg Bofinger: Flugzeug, Laser, Sonde, Spaten. Fernerkundung und archäologische Feldforschung am Beispiel der frühkeltischen Fürstensitze. Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen a. N. 2007 (online [PDF; 5,8MB; abgerufen am 13. Dezember 2010]).