Maria Callas trat in vielen Rollen auf. Ihr Repertoire umfasste 43 vollständige Partien sowie Arien aus weiteren 34 Opern. Dabei reichte ihr Stimmumfang vom fis in Verdis Sizilianische Vesper bis zum f3 in Rossinis Armida. Neben dem Tonumfang von fast drei Oktaven besaß ihre Stimme große Biegsamkeit. Callas beherrschte alle stimmlichen Tontechniken des Belcanto-Gesangs.
Maria Callas wurde am 2. oder 3.[2] Dezember 1923 im New Yorker Stadtteil Washington Heights als zweite Tochter von George Kalogeropoulos (1881–1972) und Elmina Evangelia Dimitriadou (1894–1982) geboren. Die Eltern waren griechische Einwanderer aus Meligalas.[3] Ihr älterer Bruder Vassilios[3] war in Griechenland an Typhus[3] gestorben. Die Familie lebte zu diesem Zeitpunkt seit sechs[3] Monaten in den USA. Der Vater änderte 1929 den Familiennamen in Callas, nachdem er 1927[3] im griechischen Viertel von Manhattan eine wenig einträgliche Apotheke eröffnet hatte.[3] 1937 ging Maria Callas nach der Trennung ihrer Eltern mit Mutter Evangelia und Schwester Yakynthy (bzw. Iacinthy, genannt „Jackie“[3][2]) nach Athen.
Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie am 11. April 1938. Am 2. April 1939 war sie die Santuzza in Cavalleria rusticana[2] von Pietro Mascagni. Diese beiden Debütauftritte fielen in die Zeit, als sie noch am Athener Konservatorium bei Maria Trivella[3] studierte. Ab Anfang 1938 studierte sie Gesang bei Elvira de Hidalgo,[3] ebenfalls am Konservatorium von Athen. Am 28. Oktober 1940 begann in Griechenland der Zweite Weltkrieg. Den ersten professionellen Auftritt gab sie im Februar 1941 als Beatrice in Boccaccio von Franz von Suppè.[2] Am 27. August 1942 sang sie an der Nationaloper von Athen die Partie der Tosca,[2] im April 1944 übernahm sie erstmals die Rolle der Marta in Tiefland.[3] Bei der griechischen Erstaufführung von Fidelio im Theater des Herodes Attikus[3] am 14. August 1944[3] übernahm sie die Titelrolle. Im September 1945 reiste sie zu ihrem Vater in die USA.[2] 1946/1947 arbeitete sie mit dem Agenten Eddie Bagarozy[2] zusammen. Nach dem Konkurs des Veranstalters Bagarozy in Chicago kehrte sie im Juni 1947 noch vor der Premiere nach Europa zurück und lernte in Verona den italienischen Unternehmer Giovanni Battista Meneghini kennen. In Verona gab sie am 2. August 1947 ihr italienisches Debüt als Gioconda in der gleichnamigen Oper von Amilcare Ponchielli. Dabei begann auch ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Tullio Serafin.[2]
Am 30. November 1948 sang sie am Teatro Communale di Firenze den Part der Norma in der gleichnamigen Oper von Vincenzo Bellini.[2] Am Tag nach ihrer Heirat mit Meneghini am 21. April 1949 in Verona ging Callas, nun mit dem italienischen Pass, ans Teatro Colón in Buenos Aires. Weitere Tourneen nach Lateinamerika führten sie nach Mexiko-Stadt, São Paulo und Rio de Janeiro.[2] 1951 überwältigte Callas als Aida im Palacio de Bellas Artes das mexikanische Publikum. Das Ende der Siegerszene im 2. Akt beschloss sie, abweichend von der Partitur, mit einem glasklaren es3. „Das Publikum drehte durch“, beschrieb die Plattenfirma EMI die Reaktion. Die historische Aufnahme ist erhalten und wurde in den 1990er Jahren als Aida Live 1951 von EMI als CD herausgegeben.
Am 14. Januar 1951 stand sie erneut auf der Bühne des Teatro Communale di Firenze, diesmal in der Rolle der Violetta in La traviata von Giuseppe Verdi. Ab dem 7. Dezember 1951 war sie dann an der Mailänder Scala als Elena in Verdis I vespri siciliani zu sehen und zu hören. Ab 1954 sollte aus dem Zusammentreffen mit Luchino Visconti[2] eine kontinuierliche Zusammenarbeit erwachsen. 1956 ging Callas an die Metropolitain Opera (Met) in New York. Ein Auftritt am 2. Januar 1958 endete als Fiasko, als Callas ihren Vortrag im ersten Akt wegen angeschlagener Gesundheit abbrach.[2] Ihr Verhältnis zur Intendanz des Met und der Scala war von Streit getrübt. Im November und Dezember 1958 folgten deshalb Verträge mit dem Lyric Theatre in Chicago und ein Gastspiel in Paris.
Im Juli 1959 wurde Maria Callas durch Elsa Maxwell mit Aristoteles Onassis bekannt gemacht und begann kurz darauf eine Liebesaffäre mit dem griechischen Milliardär. Diese führte 1959 zur Scheidung ihrer Ehe mit Giovanni Battista Meneghini und 1960 zur Scheidung Onassis’ von seiner damaligen Ehefrau Athina Livanos.[4] Am 18. März 1966 hatte Maria Callas dafür auf die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verzichtet.[2] Fortan war sie griechische Staatsbürgerin. 1968 endete die Beziehung zu Onassis.[2] Auch nach Onassis’ Eheschließung mit Jacqueline Kennedy 1968 wurden er und „die Callas“ in den 1970er Jahren wiederholt in der Öffentlichkeit zusammen gesehen.
In den Jahren 1960 bis 1963 trat Maria Callas nur wenig auf. Am 21. Januar 1964 wagte sie die Rückkehr auf die Opernbühne in Franco Zeffirellis Neuinszenierung von Tosca am Covent Garden in London.[2] 1969 spielte Maria Callas für 65.000 USD[5] die Rolle der Medea im gleichnamigen Film von Pier Paolo Pasolini. Ihre gute finanzielle Situation erlaubte es ihr, sich ihre Wohnung an der Avenue Georges-Mandel[5] in Paris durch den Dekorateur Georges Grandpierre[5] glanzvoll einrichten zu lassen. Von 1971 bis 1972 unterrichtete sie zeitweilig ausgewählte Meisterklassen an der Juilliard School in New York.[2] Zusammen mit ihrem früheren musikalischen Partner Giuseppe Di Stefano versuchte sie ein Comeback in mehreren Rezital-Tourneen. Am 11. November 1974 trat sie in Sapporo zum letzten Mal öffentlich auf.[2] Am 15. März 1975 wachte sie am Totenbett von Onassis in Neuilly-sur-Seine.[5]
Maria Callas hat ein bedeutendes musikalisches Erbe hinterlassen. Von 1952 an bis zu ihrem Abschied von den Opernbühnen mit der Tosca-Aufführung am 5. Juli 1965 im Royal Opera House Covent Garden in London hat sie, exklusiv für EMI, viele ihrer großen Partien auf Schallplatten aufgenommen. Ihre Aufnahme von Tosca mit Giuseppe Di Stefano und Tito Gobbi als Partner unter Victor de Sabata wird noch heute als eine der besten Opern-Einspielungen überhaupt angesehen. Insgesamt gibt es über ein Dutzend Studioaufnahmen verschiedener Opern. Darüber hinaus existieren Live-Mitschnitte von Opernaufführungen und mehrere Rezitals. Maria Callas wird als unerreichte „Primadonna assoluta“ des 20. Jahrhunderts gesehen. In den 1950er und 1960er Jahren war ihr Primat nicht unbestritten. Manche Medien und Opernliebhaber, besonders in Italien, bevorzugten die knapp zwei Jahre ältere Italienerin Renata Tebaldi, die zwar hinsichtlich Stimmvolumen, Ausdruckskraft und Gesangstechnik nicht mit ihr mithalten konnte, aber über eine angenehmere, wärmere Stimme verfügte, wobei Maria Callas als „Tigerin“ und Tebaldi als „Engel“ oder „Taube“ apostrophiert wurde.
„Das andere Beispiel ist natürlich die MedeaCherubinis (nehmen wir die Scala-Aufführung unter Leonard Bernstein 1953). Wenn Callas das bereitete Schlachtfeld des dritten Aktes betritt (»Numi, venite a me, inferni dei!«), dann lernen wir als fassungslose Zuhörer, auch wenn wir nicht Zuschauer waren, was es heißt, in der Oper des 18. und frühen 19. Jahrhunderts Rezitative zu singen, und wenn sie nur dieses und das dem Finale vorausgehende Rezitativ hinterlassen hätte, sie würde allein dadurch zu den größten Erscheinungen dramatischen Gesangs aller Zeiten zählen […] Ich neige nicht zu Übertreibungen, aber ich muss bei aller Abwehr der kritiklosen Callas-Verhimmelung gestehen, daß es in der Geschichte der Aufzeichnung des menschlichen Gesanges nichts Atemberaubenderes gibt als diesen dritten Akt Medea. Hier sang jemand um sein Leben, und wenn man die Callas nach diesem Abend tot von der Bühne getragen hätte, mich würde es nicht wundern. Das ist eine Selbstentäußerung, das ist vokaler Wahnwitz in einem Grade, der jede Kritik verstummen läßt, ja jede fachmännische Beurteilung nebensächlich erscheinen läßt. So darf man einfach nicht singen, so darf man sich nicht auf der Bühne selbst verbrennen, möchte man als Hörer einwenden, aber man bringt kein Wort heraus. Das Gift, das Medea Glauce mit Diadem und Gewand eingibt, das zerfrißt gleichzeitig die Stimmbänder ihrer Interpretin, und der Gott des Gesanges, wenn es denn einen gibt, hat das Opfer, das ihm da gebracht wurde, nicht gnädig angenommen.“
In der Vorhalle der U-Bahn-Station Megaro Mousikis der Athener U-Bahn befindet sich eine große Abbildung von Maria Callas.
Am 27. Juni 2023 brachte die griechische Zentralbank aus Anlass des hundertsten Geburtstages der Künstlerin eine 2-Euro-Gedenkmünze mit einer Auflage von 750.000 Stück heraus, die Maria Callas im Profil zeigt.
Tosca von Giacomo Puccini, London 1964 (Carlo Felice Cillario), Live
Tosca von Giacomo Puccini, EMI 1964/65 (Georges Prêtre)
Film- und Fernsehaufnahmen mit Maria Callas
Nur wenige Auftritte von Callas sind als Film dokumentiert, so Ausschnitte aus Tosca vom 25. November 1956 in New York (mit George London als Scarpia und dem NBC-Orchester unter Dimitri Mitropoulos), ihr Debüt in Paris 1958, beide Konzerte in Hamburg (1959 und 1962) sowie die Konzerte im Royal Opera House in Covent Garden (1962 und 1964). Außerdem gibt es sehr kurze Ausschnitte aus Norma und La traviata sowie den Medea-Film von Pasolini.
Callas stand von 1949 bis 1965 insgesamt 540 Mal in 42 Partien auf der Opernbühne, das erste Mal als Santuzza in einer Studentenaufführung von Cavalleria rusticana am 2. April 1939. Auf einer professionellen Bühne sang sie zum ersten Mal in Athen am 27. August 1942 die Tosca. In dieser Rolle verabschiedete sie sich auch am 5. Juni 1965 in London von der Opernbühne. Konzertante Opern-Darbietungen sind bei diesen Aufstellungen nicht enthalten.[13]
Mit Abstand am häufigsten trat sie als Norma auf (91-mal), es folgen Violetta (57-mal), Lucia (40-mal), Tosca (32-mal), Medea (29-mal), Aida (26-mal), Turandot (24-mal), Amina (22-mal), Leonora in Trovatore (21-mal), Elvira in den Puritani (16-mal), La Gioconda und Santuzza (13-mal), Isolde (12-mal), Anna Bolena und Elena in I vespri siciliani (11-mal).
John Ardoin: Maria Callas und ihr Vermächtnis. Aus dem Englischen von Tilmann Waldraff. Noack-Hübner, München 1979, ISBN 3-88453-002-X (Originaltitel s. u.).
John Ardoin (Hrsg.): Maria Callas: Meine Meisterklasse. Ein Übungsbuch für Sänger mit zahlreichen Notenbeispielen. Aus dem amerikanischen Englisch von Olaf Matthias Roth. Henschel, Berlin 2002, ISBN 3-89487-444-9 (Transkript der Meisterkurse an der New Yorker Juilliard School mit 25 Sängerinnen und Sängern).
Jens Malte Fischer: Große Stimmen. Von Enrico Caruso bis Jessye Norman (= Suhrkamp-Taschenbuch. 2484). Lizenzausgabe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-38984-X.
Nicholas Gage: Griechisches Feuer. Maria Callas und Aristoteles Onassis. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Blessing, München 2001, ISBN 3-89667-136-7 (Originaltitel s. u.).
Stelios Galatopoulos: Maria Callas. Die Biographie. Aus dem Englischen von Manfred Ohl und Hans Sartorius. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-024413-3.
Gunna Wendt: Maria Callas oder Die Kunst der Selbstinszenierung. Henschel, Leipzig 2006, ISBN 3-89487-537-2.
in französischer Sprache
Anne Edwards: Maria Callas intime (= J’ai lu. Biographie. Nr. 7731). Traduit de l’anglais par Marie-Claude Elsen. J’ai lu, impr. Paris 2005, ISBN 2-290-33777-3 (Originaltitel s. u.).
Jacques Lorcey: L’art de Maria Callas. Éditions Atlantica, Biarritz 1999, ISBN 2-84394-168-7.
Jacques Lorcey: Immortelle Callas. Éditions Séguier, Paris 2002, ISBN 2-84049-348-9.
in englischer Sprache
John Ardoin: The Callas Legacy. Duckworth, London 1977, ISBN 0-7156-0975-0.
Anne Edwards: Maria Callas. An Intimate Biography. St. Martin’s Press, New York NY 2001, ISBN 0-312-26986-2.
Nicholas Gage: Greek Fire. The Story Of Maria Callas and Aristotle Onassis. Warner Books, New York NY 2001, ISBN 0-446-61076-3.
Stelios Galatopoulos: Maria Callas. Sacred Monster. Simon and Schuster, New York NY 1998, ISBN 0-684-85985-8.
David A. Lowe (Hrsg.): Callas, As They Saw Her. Ungar Publishing Company, New York NY 1986, ISBN 0-8044-5636-4.
Nicholas Petsalis-Diomidis: The Unknown Callas. The Greek Years (= Opera Biography Series. 14). Amadeus Press, Portland OR 2001, ISBN 1-57467-059-X.
Nadia Stancioff: Maria. Callas Remembered. An Intimate Portrait of the Private Callas. E. P. Dutton, New York NY 1987, ISBN 0-525-24565-0 (deutsch: Callas. Biographie einer Diva. Schweizer Verlags-Haus, Zürich 1988, ISBN 3-7263-6571-0 bzw. (= Bastei-Lübbe-Taschenbuch. 61202). Lübbe, Bergisch Gladbach 1991, ISBN 3-404-61202-7).
Arianna Stassinopoulos: Maria Callas. The Woman Behind the Legend. Simon and Schuster, New York NY 1981, ISBN 0-671-25583-5.
Theaterstücke
Terrence McNally: Master Class. Deutsch (Meisterklasse) von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting. Das Stück und sein Autor erhielten dafür 1996 den Tony Award.
Wolfgang Schukraft: Maria und die Callas. Uraufführung: 16. März 2017 in der Theaterei Herrlingen.[14]
Callas Assoluta. Dokumentarfilm, Frankreich 2007, 98 Min., Regie: Philippe Kohly. Produktion: Swan Productions, ARTE France. Inhaltsangabe bei 3sat, Video bei YouTube.
↑Arianna Stassinopoulos: Maria. Beyond the Callas Legend. 1980, S. 103.
↑ abcdefghijklmnopqGunna Wendt: Meine Stimme verstörte die Leute – Diva assoluta Maria Callas. Lebensdaten. Albrecht Knaus Verlag, München 2006, ISBN 978-3-8135-0237-4, S.227–231.