Beide Eltern stammten aus Künstlerfamilien aus Rovereto, sein Vater Gino Pollini war Architekt und Gründungsmitglied der Gruppo 7 (Rationalismus), seine Mutter Renata Melotti war Musikerin und Schwester des Bildhauers Fausto Melotti. Bereits im Alter von neun Jahren gab Pollini als Pianist sein Debüt. Er studierte zuerst bei Carlo Lonati bis zu seinem 13. Lebensjahr, dann bei Carlo Vidusso, bis er 18 Jahre alt war. Er erhielt ein Diplom am Conservatorio Giuseppe Verdi in Mailand. Später wurde er auch von Arturo Benedetti Michelangeli ausgebildet.[1]
Pollini war auch politisch engagiert, betonte aber, dass dies nichts mit seiner künstlerischen Leistung oder mit der Aussage der Kunst zu tun habe. Mit Luigi Nono und Claudio Abbado engagierte er sich seit den späten 1960er Jahren für die Kommunistische Partei Italiens und konzertierte vor Fabrikarbeitern in deren Werkhallen.
Er gab Sonderkonzerte gegen Silvio Berlusconi und setzte sich dafür ein, dass Studenten seinen Zyklus mit sämtlichen Klaviersonaten Beethovens zu günstigen Preisen besuchen konnten.[3]
Pollini gehörte zu den wenigen Konzertpianisten, die trotz der nahezu omnipräsenten Verfügbarkeit großer Steinway-Bühnenflügel stets auf ihrem eigenen Instrument konzertieren, wie es auch von Krystian Zimerman, von Vladimir Horowitz und Arturo Benedetti Michelangeli bekannt ist.[4] Er reiste mit einem „Fabbrini“ – einem der vom italienischen Klavierbauer Angelo Fabbrini bearbeiteten Steinway-Flügel, die „fast wie die Instrumente des 19. Jahrhunderts klingen: trennschärfer in den Registern als ein gewöhnlicher Steinway“ und „weiter gefächert in den dynamischen Möglichkeiten“.[5]
Zeitweilig betätigte sich Pollini auch als Dirigent, namentlich beim Rossini-Festival in Pesaro. Der 1978 in Bern geborene Pianist Daniele Pollini ist sein Sohn.
Maurizio Pollini starb am 23. März 2024 im Alter von 82 Jahren in seiner Geburtsstadt Mailand.[6][7]
Repertoire und Bedeutung
Maurizio Pollini gehörte neben Arturo Benedetti Michelangeli, der über ein schmales Repertoire verfügte,[8] zu den bedeutendsten Pianisten Italiens. Wie etwa bei Martha Argerich oder Krystian Zimerman war der erste Preis beim Warschauer Chopin-Wettbewerb für ihn der Ausgangspunkt einer internationalen Karriere.[9]
Pollini machte zunächst durch dynamisch-feurige Darbietungen von Werken Frédéric Chopins auf sich aufmerksam. So spielte er bereits 1957 die Chopin-Etüden in Mailand und erregte damit einiges Aufsehen. Ende der 60er Jahre konzentrierte er sich mehr auf Klarheit und klangliche Feinabstimmung.
Die späteren Aufzeichnungen lassen eine veränderte Klangästhetik erkennen. Der trocken-analytische Ton ist weitgehend verschwunden, und die Aufnahmen zeigen einen höheren Raumanteil und einen größeren Abstand zum Instrument. Laut Gregor Willmes blieb Pollini seinem Stilideal der Neuen Sachlichkeit treu und behielt auch die raschen Tempi bei, die seine Spielweise seit jeher charakterisierten. Das zeigt sich etwa bei der Einspielung der Beethoven-Sonaten, die Pollini bei der Deutschen Grammophon nicht chronologisch vornahm. So begann er den Zyklus Mitte der 1970er Jahre mit den letzten Sonaten von op. 101 bis op. 111 und schloss ihn im Jahre 2014 mit den drei Sonaten op. 31 und den leichten, nur zwei Sätze umfassenden Sonaten aus op. 49 ab. Die späte A-Dur-Sonate sowie die Hammerklaviersonate spielte er 2020 erneut ein. Gerade die poetischen Momente in den frühen und mittleren Klaviersonaten würden in Pollinis kühler Sichtweise mitunter auf der Strecke bleiben. Die Interpretation der späten Diabelli-Variationen sei wiederum besser, da Pollini seine Fähigkeiten vor allem bei großen Konstruktionen ausspielen könne.[12]
Aus Anlass von Schönbergs 100. Geburtstag führte Pollini dessen Gesamtwerk für Klavier in mehreren Städten auf.
Nicolas Slonimsky und Laura Kuhn (Hrsg.): Baker’s Biographical Dictionary of 20th Century Classical Musicians. (1 Vol). Schirmer Books, New York City 1997, ISBN 978-0-02-871271-0. (englisch)
Peter Fuhrmann: Maurizio Pollini: Nichts auf der Welt darf vollkommen sein. In: Alle Lügen hört man sofort: 24 Begegnungen mit großen Musikern. Dittrich, Weilerswist-Metternich 2016, ISBN 978-3-943941-65-4, S.33–42.
Film
Maurizio Pollini – von Meisterhand. Dokumentarfilm (2014), 54 Min., Regie: Bruno Monsaingeon, Produktion: Idéale Audience, Arte France, SRF. Erstsendung: 20. April 2014 auf SRF 1, Schweiz. Die DVD-Veröffentlichung erfolgte durch die Deutsche Grammophon am 9. Oktober 2015 unter dem Titel Maurizio Pollini – De main de maitre.[17][18]
Maurizio Pollini: Sono Interessato A Tutte Le Arti. Intervista a Maurizio Pollini di Reinhold Jaretzky, Milano 2009[19]
↑Maurizio Pollini ist tot: Berühmter Pianist stirbt im Alter von 82 Jahren. In: Der Spiegel. 23. März 2024, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 23. März 2024]).