Amyraut entstammte einer angesehenen Familie in Orleans. Er wurde nach Poitiers geschickt, um Rechtswissenschaften zu studieren. Durch seinen außerordentlichen Fleiß erlangte er 1616 nach nur einem Jahr den Grad eines Lizenziaten. Angeregt durch einen geistlichen Mitbürger namens Boucherau und durch die Lektüre von Johannes CalvinsInstitutio Christianae Religionis verzichtete er auf die Aussicht, der Nachfolger seines Onkels Seneschall zu werden. Stattdessen wandte er sich, entgegen den Wünschen seines Vaters, dem Studium der Theologie zu und ging auf die Akademie in Saumur, die von Philippe Duplessis-Mornay gegründet und wo er von John Cameron (1580–1625) unterrichtet wurde.[1]
Nach seiner Ordination wurde er 1623 Pfarrer in St. Aignan in Maine. 18 Monate später wurde er nach Saumur berufen, um die Pfarrstelle des Jean Daille zu übernehmen. Amyraut hätte auch in den Gemeinden Rouen oder Tours arbeiten können, aber da er bereits für eine theologische Professur in Saumur ausgewählt worden war, fiel die Wahl auf diese Gemeinde. Im Jahr 1631 sandte ihn diese als Deputierten zur Nationalsynode nach Charenton und beauftragte ihn mit er Überbringung ihrer Beschwerden und Wünsche an Ludwig XIII. 1633 wurde Amyraut gemeinsam mit Josué de La Place und Louis Cappel zum Professor der Theologie gewählt.[1][2]
In seinem Traité de la prédestination versuchte er 1634 die strenge Prädestinationslehre der Dordrechter Synode durch einen Universalismus hypotheticus abzumildern, also durch die Lehre von einem gnädigen Willen Gottes, alle Menschen unter der Bedingung des Glaubens selig zu machen, die sich auf Camerons Sätzen gründete. Dies löste heftige Streitigkeiten aus, da ihm unter anderem von Petrus Molinaeus (1568–1658) und Friedrich Spanheim vorgeworfen wurde, gegen die Beschlüsse der Dordrechter Synode zu handeln. Auf mehreren französischen Nationalsynoden wurde er angeklagt und immer wieder freigesprochen. Die Synode von Alençon sprach 1637 Amyraut das Vertrauen aus, so dass der Streit sich allmählich legte. Letztlich wurden die streitenden Parteien 1645 zur Einigung und Einhaltung der Friedenspflicht bewegt. Eine zeitweilige Verurteilung seiner Lehre, Amyraldismus genannt, erreichten schließlich 1674 der Zürcher Professor Johann Heinrich Heidegger und sein Genfer Kollege François Turrettini (1623–1687) mit dem Consensus Helveticus.
Amyraut galt als tolerant und überaus freigiebig im Denken und Handeln. Er teilte die Einkünfte aus seiner Pfarrei in den letzten 10 Jahren seines Lebens unter den Armen auf.[3]
Werke (Auswahl)
Traité des religions, contre ceux qui les estiment toutes indifférentes, Saumur 1631.
Brief Traitté de la prédestination et de ses principales dépendances, Saumur 1634; R. Lum, 1985.
Discours sur l’état des fidèles après la mort, Saumur 1646.
Apologie pour ceux de la religion, Saumur 1647.
Six livres de la vocation des pasteurs, 1649.
Du gouvernement de l’Église contre ceux qui veulent abolir l’usage et l’autorité des synodes, Saumur 1653.
La morale chrétienne, 6 Bände, Saumur 1652–1660; La Morale Chrestienne A Monsieur de Villarnoul, Forgotten Books, 2018, ISBN 978-0-332-78158-7.
Vie de François de La Noue depuis le commencement des troubles religieux en 1560 jusqu’à sa mort, Leiden 1661.
Alex Schweizer: Moses Amyraldus: Versuch einer Synthese des Universalismus und des Partikularismus. In: Eduard Zeller, Ferdinand Christian Baur (Hrsg.): Theologische Jahrbücher. L. F. Fues, Tübingen 1842, S.41–207 (Textarchiv – Internet Archive).
Jürgen Moltmann: Gnadenbund und Gnadenwahl: Die Prädestinationslehre des Moyse Amyraut, dargestellt im Zusammenhang der heilsgeschichtlichen-föderaltheologischen Tradition der Akademie von Saumur. Göttingen 1951, DNB480287031. (DissertationGeorg-August-Universität Göttingen, Theologische Fakultät. 14. April 1952).
Richard Stauffer: Moïse Amyraut, un précurseur français de l’œcuménisme, Librairie protestante, Paris 1962.
David Sabean: Theological Rationalism of Moïse Amyraut, Archiv für Reformationsgeschichte 55, N° 2, 1964, S. 204–16.
François Laplanche: Orthodoxie et prédication. L’œuvre d’Amyraut et la querelle de la grâce universelle, PUF, Paris 1965, S. 253–263.
Roger R. Nicole: Moyse Amyraut (1596-1664) and the controversy on universal grace, first phase (1634-1637), Harvard University, Cambridge 1966 (Doktorarbeit).
Brian G. Armstrong: Calvinism and the Amyraut Heresy : Protestant Scholasticism and Humanism in Seventeenth-Century France, University of Wisconsin Press, Madison 1969.
Donald Davis Grohman: The Genevan Reactions to the Saumur Doctrine of Hypothetical Universalism, 1635–1685, 1971.
Roger R. Nicole: Moyse Amyraut: A Bibliography with Special Reference to the Controversy on Universal Grace, Garland Publication, New York 1981; online: Cambridge University Press vom 28. Juli 2009[4].
Donald Macleod: Amyraldus Redivivus: A Review Article, The Evangelical Quarterly 81, N° 3, Juli 2009, S. 210–29.
Antoine Fleyfel: Les aspects désacralisants de la théologie de Moyse Amyraut, Études théologiques et religieuses 85, 1, März 2010.
Martin Klauber: The Theology of the French Reformed Churches: From Henri IV to the Revocation of the Edict of Nantes. Reformed Historical-Theological Studies, Reformation Heritage Books 2014, Grand Rapids.
↑ abAlex Schweizer: Moses Amyraldus: Versuch einer Synthese des Universalismus und des Partikularismus. In: Theologische Jahrbücher. L. F. Fues, Tübingen 1842, 2. Amyrauts Leben und Wirken, S.55–65 (Textarchiv – Internet Archive).
↑Eberhard Busch: Amyraut, Moyse (1596–1664). In: Helmut Burkhardt, Uwe Swarat (Hrsg.): Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Band1. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1992, ISBN 3-417-24641-5, S.66.