Ortrun Wenkel (* 25. Oktober1942 in Buttstädt, Thüringen) ist eine deutsche Opernsängerin (Alt). Sie gilt seit ihrer Darstellung der Erda im Bayreuther „Jahrhundertring“ (1976–1980) als eine der bedeutendsten Opern- und Konzertsängerinnen des 20. Jahrhunderts in dieser Stimmlage.
Ortrun Wenkel ist seit 1966 mit dem Geologen Peter Rothe verheiratet.
Kritiken (Auswahl)
„Das Publikum wurde Zeuge eines Wunders: Einer der schönsten Mezzosoprane der Welt verzauberte mit seiner natürlichen, reich-fließenden Stimme den Raum. Doch nicht nur die Stimme ist unbeschreibbar schön - Frau Wenkels Kunst besteht vielmehr in ihrer reichen Ausdruckskraft, in ihrer überaus nuancenreichen Farbpalette und in ihren unbegrenzten Möglichkeiten.“ (aus der Kritik des ungarischen Musikwissenschaftlers Peter Várnai zur Aufführung der Wesendonck-Lieder von Richard Wagner in der Instrumentierung von Hans Werner Henze mit dem Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden in Budapest, veröffentlicht in der (damals staatlichen) ungarischen Tageszeitung Magyar Hírlap im Januar 1984)
„Frau Wenkel stellte sich in der Messe von Bach als eine der besten Altistinnen der Welt vor, die gerade in der Interpretation von Bach kaum eine Konkurrenz finden kann. Die Leichtigkeit, mit der ihr mächtiger Alt aus beinahe Tenor-Tiefen bis in Sopran-Höhen überging, konnte fast Neid erwecken.“ [Opus Musicum, Bd. 1, Nr. 8, 1969 über die h-moll-Messe von J. S. Bach in Brünn]
„Mit Abstand am besten unter den Sängern ist Ortrun Wenkel. Sie steht im Vergleich über allen anderen Partien. Das ist eine großartige Erda, eine echte Altstimme und Mutter Erde, die Schrecken und Befehlsgewalt entfacht.“ (aus der Besprechung von Speight Jenkins in Record World (New York) im September 1981 über die damals neu erschienene Schallplatte von Das Rheingold mit Ortrun Wenkel (Erda), Siegmund Nimsgern (Alberich), Theo Adam (Wotan), Peter Schreier (Loge), Lucia Popp (Woglinde), Yvonne Minton (Fricka) (u. a.) und der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Marek Janowski, aufgenommen 1980 in Dresden)
„Die Mezzosopranistin Ortrun Wenkel, ein neuer Fixstern am deutschen Sängerhimmel, der auch das Kontra-Alt-Register zur Verfügung steht, sang die fünf Lieder mit überwältigender, dramatischer Spannung. Wenn diese kostbare Stimme den Höhepunkten des Ausdrucks zustrebt, hält man den Atem an.“ (aus der Kritik zur Uraufführung der Neuinstrumentierung von Richard Wagners Wesendonck-Liedern von Hans Werner Henze im WDR Köln unter Leitung des Komponisten mit Ortrun Wenkel als Solistin, veröffentlicht in der Rheinischen Post am 28. März 1977)
„Mahlers Wehmut, Mahlers Verklärung traf Ortrun Wenkel mit einem Ausdruck, einer Gewandtheit, die sie in die vordere Reihe der Mahler-Interpretinnen von heute einreiht. Mit solchem Adel des Timbres und der Linie, mit solcher Ausgeglichenheit der Register im Technischen und solcher Intelligenz im Vortrag, klug zwischen Piano-Entrückung und aufblühendem Ton das Gleichgewicht findend, wird man die Alt-Sätze dieses sinfonischen Zyklus nicht gerade häufig hören.“ (aus der Kritik von Peter Dannenberg zur Aufführung von Gustav Mahlers Lied von der Erde mit Ortrun Wenkel und den Stuttgarter Philharmonikern unter der Leitung von Hans Zanotelli, Stuttgarter Zeitung, 3. Dezember 1975)
„Es ist Ortrun Wenkel, die diese fünf großen und schönen Lieder gesungen hat. Eine Stimme von bemerkenswerter Ebenmäßigkeit mit einem Umfang von zwei Oktaven von warmem und dunklem Timbre, welche in jeder Lage dieselben Vorzüge bewahrt, dazu ein ganz natürliches Gefühl für Phrasierung, welche der melodischen Linie dient, ohne jemals eine strahlend klare Aussprache zu beeinträchtigen.“ (aus der Kritik von Pierre Petit zur Aufführung von Gustav Mahlers Kindertotenliedern in Paris mit Ortrun Wenkel und dem Orchestre de Paris unter Leitung von Erich Leinsdorf, veröffentlicht in Le Figaro, Paris, am 14. März 1986)
„Hoch schlugen die Wogen der Begeisterung zu spätabendlicher Stunde im Liederabend der Altistin Ortrun Wenkel aus der BRD. Die international gefeierte Künstlerin von Konzertsaal und Bühne, die bei der derzeitigen Schallplatteneinspielung des 'Siegfried' mitwirkt, entfachte bei den enthusiasmierten Dresdnern wahre Begeisterungsstürme und weckte reale Vorahnungen auf die bevorstehenden, nun schon traditionellen Liederstunden der Dresdner Musikfestspiele zu vorgerückter Stunde. Ortrun Wenkel besitzt nahezu alle Voraussetzungen einer idealen Sängerpersönlichkeit: beneidenswerte Bühnenerscheinung, klangvolles Material, das noch jugendlich frisch, unverbraucht, überraschend schlank und flexibel ist, dazu eine souveräne Stimmbeherrschung, echte, sensible Musikalität, Temperament, Gestaltungskraft - Herz, was begehrst du mehr? […] Vier Zugaben sprachen für die Resonanz Ortrun Wenkels, von denen die Wolf-Lieder noch neue Akzente zu setzen vermochten.“ (aus der Kritik zu Ortrun Wenkels Liederabend im Großen Haus der Sächsischen Staatstheater Dresden 1982, veröffentlicht in den Sächsischen Neuesten Nachrichten am 2. April 1982, „Begeisterung um Ortrun Wenkel / Liedgestalterin von Format im Großen Haus“)
„Ortrun Wenkel verfügt über ein beneidenswertes, kostbares Stimmmaterial, das sie klug und diszipliniert einzusetzen weiß. Jugendlich und frisch, biegsam, elastisch, ausgeglichen in allen Lagen, fundiert in der charakteristischen Tiefe, von strahlender Durchschlagskraft in der Höhe, fasziniert wohl besonders das äußerst tragfähige Pianoverhalten, aus dem sie ökonomisch alles Weitere entwickelt. Damit einher geht eine sehr bewusste, verinnerlichte Gestaltungsweise, fernab jeglicher Effekthascherei und Stimmprunkerei, die zwar Erkenntnisse opernhafter Gestaltung sinnvoll mit einbringt, nie aber die Grenzen kammermusikalischen Liedgesanges überschreitet.“ (aus der Kritik zum Liederabend mit Ortrun Wenkel in der Dresdner Semperoper am Weltmusiktag 1986, veröffentlicht in den Sächsischen Neuesten Nachrichten am 8. Oktober 1986)
„Ortrun Wenkel gibt mit ihrem satten, aparten Alt diesen Gesängen schon vom Timbre her die nötige emotionelle Basis, gestaltet die markanten Rhythmen mit musikantischem 'Drive' und fäbrt Wort und Ton den Anforderungen des jeweiligen Liedes entsprechend, von naiv-traurig bis zu sinnlich-wissend und vor allem mitleidvoll. - Der Wunsch liegt nahe, die Sängerin auch live mit diesen Liedern zu erleben. Konzertagenturen, wünscht sie euch! Unter Draufgabe der optischen Komponente - Ortrun Wenkel hat etwas vom geheimnisumwitterten Wesen der Seejungfrau an sich - ist diese exzellente Liedsängerin ein doppelter Genuß.“ (Dr. Sieglinde Pfabigan, Der neue Merker, zur CD-Veröffentlichung Alexander Zemlinsky, Die Seejungfrau/Sinfonische Gesänge op. 20 mit dem Sinfonieorchester des Südwestfunks unter Leitung von Zoltan Pesko und Vaclav Neumann, Wergo 1993)
„La contralto seguramente destacó sus intervenciones sobre el resto porque hay en su emision y en las caracteristicas propias de su voz esmaltada, cualidades especiales que distinguen su trabajo por encima de un conjunto.“ [La Prensa, 12. August 1970, Buenos Aires, über die Missa solemnis von Ludwig van Beethoven am Teatro Colón]
„Elle s’avance, blonde, belle, grande, avec le sourire tendre et persuasif qu'ont parfois les madones aux fresques des murs. […] Et puis, elle chante. Sa voix n’a rien d’hasardeuse, on sent, alors qu’elle festonne les paroles du lied, qu’elle pourrait aussi bien chuchoter l’impalpable. Son timbre, fait de péripéties, d’amour, de contrariétés semble mouvant comme la mélodie, avant qu’il n’évoque un disque flamboyant qui monte comme un soleil.“ („Une héroine pour Mahler“; Florence Mothe in „Sud-Ouest“ über die Aufführung von Gustav Mahlers Lied von der Erde mit Ortrun Wenkel, Peter Hofmann und dem Orchestre national Bordeaux Aquitaine, 16. März 1979)
Diskografie (Auswahl)
Vivaldi: Psaume 126 „Nisi Dominus“, Carissimi: Canzone „No, non si speri“, Caldara: Air de Cantate „Mirti, faggi, tronchi“, Monteverdi: Lamento d’Arianna; Ortrun Wenkel, Orchestre PRO ARTE München, Dirigent: Kurt Redel (LP 1975, Arion, Paris 1976/1979)
J. S. Bach: Matthäus-Passion, BWV 244; Evangelische Jugendkantorei der Pfalz, Heidelberger Kammerorchester, Dirigent: Heinz Markus Göttsche (1976 LP Da Camera Magna, 1997 CD Bayer Records)
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 3 d-moll; London Philharmonic Orchestra, Dirigent: Klaus Tennstedt (EMI Records 1980)
Krzysztof Penderecki: Te Deum; Chor des NDR, Rias-Kammerchor, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, Dirigent: Krzysztof Penderecki (1981, Sender Freies Berlin, LP und Fernseh-Live-Aufzeichnung)
Antonín Dvořák: Stabat Mater; Tschechischer Philharmonischer Chor, Tschechische Philharmonie, Dirigent: Wolfgang Sawallisch (1982, Supraphon, 1994 CD Ariola Eurodisc)
Dmitri Shostakovich: Sechs Gedichte von Marina Tsvetaeva op. 143 a, Ortrun Wenkel, Concertgebouw Orchester Amsterdam, Dirigent: Bernard Haitink; mit: Dmitri Shostakovich, Symphonie Nr. 14 / Julia Varady, Dietrich Fischer-Dieskau / (1986, Decca)
Dmitri Shostakovich: Aus jüdischer Volkspoesie op. 79, Elisabeth Söderström, Ortrun Wenkel, Ryszard Karczykowsky, Concertgebouw Orchester Amsterdam, Dirigent: Bernard Haitink; mit: Dmitri Shostakovich, Symphonie Nr. 15 / (1986, Decca)
Franz Schreker: Fünf Gesänge für tiefe Stimme; Radio-Symphonie-Orchester Berlin, Dirigent: Karl-Anton Rickenbacher (1986, Koch Records)
Wolfgang Amadeus Mozart: Requiem; Concentus musicus Wien, Dirigent: Nikolaus Harnoncourt (1982 Hörcassette, 1991 CD Teldec, Deutscher Schallplattenpreis; DVD 2006, TDK [mit Johann Sebastian Bach, Kantate BWV 161 „Komm, du süße Todesstunde“])
Alexander Zemlinsky: Sinfonische Gesänge für eine mittlere Stimme und Orchester op. 20 (1929); Ortrun Wenkel, Sinfonieorchester des SWF, Dirigent: Vaclav Neumann (SWF Baden-Baden 1984, CD bei WERGO 1993)
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 8; Frankfurter Museumsorchester, Dirigent: Michael Gielen (LP 1981 / CD 1992 Sony, Fernseh-Live-Aufzeichnung zur Wiedereröffnung der Alten Oper Frankfurt durch den Hessischen Rundfunk 1981)
Johann Sebastian Bach: Kantaten BWV 137 & 21; Arleen Augér, Ortrun Wenkel, Peter Schreier, Siegfried Lorenz, Thomanerchor und Neues Bachisches Kollegium Leipzig, Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch (1982, Eterna / 1994, Berlin Classics)
Johann Sebastian Bach: Kantaten BWV 110, 40 & 71; Arleen Augér, Ortrun Wenkel, Peter Schreier, Siegfried Lorenz, Thomanerchor und Neues Bachisches Kollegium Leipzig, Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch (1982, Eterna / 1994, Berlin Classics)
Johann Sebastian Bach: Kantate BWV 172; Ortrun Wenkel, Peter Schreier, Thomanerchor und Neues Bachisches Kollegium Leipzig, Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch (1982, Eterna / 1994, Berlin Classics)
Johann Sebastian Bach: Kantaten BWV 137, 79 & 80; Arleen Augér, Ortrun Wenkel, Peter Schreier, Theo Adam, Thomanerchor und Neues Bachisches Kollegium Leipzig, Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch (1982, Eterna / 1994, Berlin Classics)
Johann Sebastian Bach: Osterkantaten BWV 4, 132 & 31; Helga Termer, Ortrun Wenkel, Peter Schreier, Eberhard Büchner, Hermann Christian Polster, Thomanerchor und Gewandhausorchester Leipzig, Dirigent: Hans-Joachim Rotzsch (1982, Eterna / 1994, Berlin Classics)
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen; Dresdner Staatskapelle, Dirigent: Marek Janowski (1982 LP, Eterna / 1983 LP Ariola-Eurodisc / 1995 CD, RCA / 2012 CD, RCA)
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen (Boulez/Chereau-Ring); (1980 LP Philips/ 2005 DVD Deutsche Grammophon)
Richard Strauss: Daphne; Lucia Popp, Reiner Goldberg, Peter Schreier, Ortrun Wenkel, Kurt Moll; Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent: Bernard Haitink (1983 LP, 2011 CD EMI Classics)
Literatur
Saarländisches Staatstheater, Programmheft Nr. 111 (Spielzeit 2011/2012)
Der Ring, Bayreuth 1976–1980. Kristall-Verlag, Berlin / Hamburg 1980, ISBN 3-607-00020-4.