Mit der hastigen Flucht von KaiserKarl V. und seiner Truppen aus Innsbruck nach Villach hatte Moritz sein oberstes Kriegsziel erreicht, um Verhandlungen mit Karls Bruder König Ferdinand I. und Regenten des Reiches ohne Karl aufnehmen und eine Lösung der Religionsfrage im Reich zu forcieren, die mit Karl nicht möglich war, da dieser zu keiner friedlichen Regelung bereit war.
Die Verhandlungen fanden in einer Atmosphäre des unmittelbar drohenden und von MarkgrafAlbrecht Alcibiades dann auch tatsächlich geführten Zweiten Markgrafenkrieges statt. Die Vertreter des Kaisers hatten allerdings keine Vollmachten, einen endgültigen Vertrag abzuschließen, Karl wollte selbst entscheiden. Die Verhandlungen fanden hauptsächlich zwischen den Kriegsparteien statt. Ferdinand und die anderen Fürsten vermittelten bei Konflikten.
Reichsrechtliche Bedeutung
Dieser Vertrag war zugleich auch eine Kompromissvereinbarung zwischen Ferdinand und Moritz von Sachsen. Kaiser Karl verpflichtete sich, den Schwiegervater von Moritz von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen freizulassen, der sich seit der Wittenberger Kapitulation 1547 in kaiserlicher Gefangenschaft befand. Auch der gefangengehaltene ehemalige Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen kam im Folge der Friedensverhandlungen frei. Pflicht des Kaisers war schließlich für den Schutz des Heiligen Römischen Reichs angesichts der Bedrohung durch das Osmanische Reich während des schwelenden Türkenkrieges zu sorgen. Die Protestanten unter Moritz von Sachsen verpflichteten sich, den Kaiser dabei zu unterstützen.[3] Der Passauer Vertrag war Schritt zu einem dauerhaften Frieden, der drei Jahre später zum Augsburger Reichs- und Religionsfrieden führte.
Position des Kaisers
Karl lehnte den in Passau verhandelten Vertragsentwurf zunächst ab und bestand auf Änderungen, u. a. auf einer Befristung des vereinbarten Gewaltverzichts bis zum nächsten Reichstag, der dann nach Wegen zu einer religiösen Wiedervereinigung des Reichs zu suchen habe. Karl ratifizierte den veränderten Entwurf am 15. August 1552 widerwillig.[4]
Insofern waren die dem Vertrag vorangegangenen Passauer Verhandlungen wesentlich wichtiger. Sie werden von Historikern als das eigentlich Bahnbrechende angesehen.
Karl widersetzte sich lange den Forderungen der aufständischen Fürsten, und mit der Standhaftigkeit der kaisertreuen Stadt Frankfurt am Main, die der Belagerung der Fürsten trotzte (17. Juli bis 9. August 1552)[5] sowie durch Geldbewilligungen aus Neapel und von den Fuggern änderte sich allmählich die Lage. Den verlangten definitiven, immerwährenden Frieden in der Religionsfrage lehnte Karl ab.
Interessen der Fürsten
Trotzdem waren fast alle an den Verhandlungen Beteiligten an einem stabilen, tragfähigen Ausgleich auf der Grundlage des Status quo interessiert. Das war insofern interessant, als die katholische Kirche bis dahin immer darauf bestanden hatte, dass die Einheit der Kirche unbedingt gewahrt bleiben müsse. Zweitens war man sich darin einig, dass dem Frieden gegenüber der Wiedervereinigung der Kirche Vorrang einzuräumen sei. Die Glaubensauseinandersetzungen sollten verrechtlicht und damit politisch neutralisiert werden. Man wollte einen stabilen Frieden, mochten die theologischen Fragestellungen auch weiterhin ungelöst bleiben. Auch diese Ansichten hatten kurz zuvor noch kaum Anhänger im Reich besessen. Und drittens waren die in Passau versammelten Fürsten der Überzeugung, dass die Reichsstände selbst die Probleme zu lösen hätten. Es sei nicht nur eine Aufgabe des Kaisers oder des Papstes, Frieden zu schaffen, sondern das Reich müsse von innen heraus befriedet werden. Die Ansichten der Kurie wurden nicht zur Kenntnis genommen, und auch das bisherige Provisorium von Karl V. in Form des Augsburger Interims wurde stillschweigend preisgegeben.
Trotz der Ablehnung des Vertrags als dauerhafte Regelung durch Karl stimmte auch Moritz der Befristung zu. Er wollte sich lieber als Retter des Protestantismus sehen als den Krieg gegen die Habsburger weiter fortzusetzen, zumal der Krieg langfristig auf Grund der Ressourcen des Kaisers wahrscheinlich sowieso nicht zu gewinnen gewesen wäre.
Interessen König Ferdinands
Seine Interessen galten vorrangig der Sicherung Ungarns und der österreichischen Erblande, dafür bedurfte es aber des Friedens im Reich.[6] Ferdinand wusste, dass er alle Kräfte im Reich einschließlich der protestantischen zur Türkenabwehr brauchte, wie die Belagerung von Wien 1529 gezeigt hatte.
Dass der Passauer Vertrag letztlich umgesetzt werden konnte, lag nicht am Kaiser, sondern an seinem Bruder Ferdinand.[7]
Winfried Becker (Hrsg.): Der Passauer Vertrag von 1552. Politische Entstehung, reichsrechtliche Bedeutung und konfessionsgeschichtliche Bewertung (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns. Bd. 80). Degener, Neustadt an der Aisch 2003, ISBN 3-7686-4221-6
Gerhard Fischer: Die persönliche Stellung und politische Lage König Ferdinands I. vor und während der Passauer Verhandlungen des Jahres 1552. M. Liedtke, Königsberg 1891 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495–1806. 5. durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-15118-9 (archive.org).
Joseph Lortz: Die Reformation in Deutschland. Herder, Freiburg i. B. 1940. (2. Band)
K. G. Petermann: Der Passauer Vertrag, oder der 2. Aug. 1552. Ein Schriftchen für evangelische Christen. 1852 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Ines Grund: Die Ehre – die Freiheit – der Krieg Frankreich und die deutsche Furstenopposition gegen Karl V. 1547/48 – 1552. Regensburg 2006, S.217–243 (uni-regensburg.de [PDF]).
Johannes Herrmann, Günther Wartenberg und Christian Winter (Bearbeiter): Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen Sechster Band 2. Mai 1552 – 11. Juli 1553 Akademie Verlag GmbH, Berlin 2006, ISBN 978-3-05-004166-7PDF
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Christian Winter: Die Zusammenarbeit mit König Ferdinand nach dem Passauer Vertrag (Einleitung XXIV) In: Johannes Herrmann, Günther Wartenberg und Christian Winter( Bearbeiter): Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen
↑Tatsächlich leisteten die Protestanten unter Moritz ihm mit einigem Erfolg Hilfe. Die ersten ernsten Probleme mit der „Reichstürkenhilfe“ traten auf, als der Nachfolger von Ferdinand, Maximilian II. beabsichtigte, die Krone von Polen zu erlangen. Dies führte zu einer Annäherung Maximilians an den Papst und zu einer Entfremdung von den deutschen Protestanten.
↑Franz Brendle: Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfriede. In: Das konfessionelle Zeitalter. de Gruyter, Berlin 2015, S.128 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).