Paul Fridolin war viertes Kind des damaligen Rektors der Bürger- und Gewerbeschule Waltershausen, Karl Kehr. Das Interesse für die Diplomatik weckte wohl bereits der Halberstädter Gymnasialdirektor Gustav Schmidt, an dessen Domgymnasium Kehr 1879 das Abitur ablegte. Mit ihm gemeinsam hat er päpstliche Urkunden und Regesten für die Provinz Sachsen (1353 bis 1378) im Jahre 1889 veröffentlicht. 1883 wurde Kehr an der Georg-August-Universität Göttingenpromoviert. Prägend war das Jahr 1884 am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien bei Theodor von Sickel, als dessen Begleiter er 1885 erstmals Rom und die römischen Archive und Bibliotheken kennenlernte. Sickel hat ihn als Mitarbeiter für die Herausgabe der Diplome Ottos III. angestellt, doch endete die Beschäftigung 1888 abrupt. 1889 wurde Kehr an der Philipps-Universität Marburghabilitiert und Privatdozent. 1893 wurde er Professor in Marburg und 1895 in Göttingen. 1903 wurde Kehr Direktor des Preußischen Historischen Instituts in Rom, Vorgänger des heutigen Deutschen Historischen Instituts in Rom. Hier hatte er regelmäßigen Kontakt und wissenschaftlichen Austausch mit dem Priesterhistoriker Paul Maria Baumgarten. Nicht überall wurde dieser enge Umgang zwischen einem römischen Monsignore und einem preußischen Professor positiv beurteilt.[1] 1919 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.[2]
Im Jahr 1940 wurde ihm der Adlerschild des Deutschen Reiches verliehen mit der Würdigung „Dem hervorragenden Erforscher der mittelalterlichen Geschichte“.[5] Kehr starb in Wässerndorf und wurde auf dem Privatfriedhof derer von Pölnitz bei Schloss Hundshaupten bestattet.
Leo Just: Briefe an Hermann Cardauns, Paul Fridolin Kehr, Aloys Schulte, Heinrich Finke, Albert Brackmann und Martin Spahn 1923–1944 (= Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte. Bd. 12). Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Michael F. Feldkamp. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2002, ISBN 3-631-38931-0.
Arnold Esch: Die deutsche Geschichtswissenschaft und das mittelalterliche Rom. Von Ferdinand Gregorovius zu Paul Kehr. In: Hartmut Boockmann, Kurt Jürgensen (Hrsg.): Nachdenken über Geschichte. Beiträge aus der Ökumene der Historiker. In memoriam Karl Dietrich Erdmann. Wachholtz, Neumünster 1991, ISBN 3-529-02715-4, S. 55–76.
Michael F. Feldkamp: Pius XI. und Paul Fridolin Kehr. Begegnungen zweier Gelehrter. In: Archivum Historiae Pontificiae. Bd. 32, 1994, ISSN0066-6785, S. 293–328.
Josef Fleckenstein: Paul Kehr. Lehrer, Forscher und Wissenschaftsorganisator in Göttingen, Rom und Berlin. In: Hartmut Boockmann, Hermann Wellenreuther (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in Göttingen. Eine Vorlesungsreihe (= Göttinger Universitätsschriften. Serie A: Schriften. Bd. 2). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-35831-8, S. 239–260.
Horst Fuhrmann: Paul Fridolin Kehr. „Urkundione“ und Weltmann. In: Horst Fuhrmann: Menschen und Meriten. Eine persönliche Portraitgalerie. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47221-4, S. 174–212.
Hubert Jedin: In memoriam Paul Kehr. In: Hubert Jedin: Kirche des Glaubens. Kirche der Geschichte. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge. Bd. 1: Kirchengeschichtsschreibung. Italien und das Papsttum. Deutschland, Abendland und Weltkirche. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1966, S. 91–94.
Wolfgang Leesch: Die deutschen Archivare 1500–1945. Bd. 2: Biographisches Lexikon. Saur, München u. a. 1992, ISBN 3-598-10605-X, S. 299–300.
Alberto Monticone: La cultura italiana e la Germania nel 1914. Una lettera di P.F. Kehr al principe di Bülow. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Bd. 48, 1968, S. 323–345.
Hedwig Munscheck-von Pölnitz: Der ‚Liber Vitae Pauli Fridolini Kehr‘ oder eine neue Quelle zu Paul Fridolin Kehr. In: Arno Mentzel-Reuters, Martina Hartmann, Martin Baumeister (Hrsg.): Das Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde 1935 bis 1945 – ein „Kriegsbeitrag der Geisteswissenschaften“? Beiträge des Symposiums am 28. und 29. November 2019 in Rom (= Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung. Bd. 1). Harrassowitz, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-447-11631-2, S. 221–240.
Stephan Selzer: Zwischen Rom und Merseburg. Paul Fridolin Kehr und das Urkundenbuch des Hochstiftes Merseburg. In: Sachsen und Anhalt. Bd. 24 (2002/2003), S. 83–102.
Stefan Weiß: Paul Kehr. Delegierte Großforschung. Die „Papsturkunden in Frankreich“ und die Vorgeschichte des Deutschen Historischen Instituts in Paris. In: Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58519-3, S. 36–57 (perspectivia.net Digitalisat).
Eva Wipplinger: Medaillenkünstlerinnen in Deutschland. Kreativität in Geschichte und Gegenwart. Staatliche Galerie Moritzburg, Halle 1992, ISBN 3-86105-066-8, S. 38 (Bronzeplakette von G. Budde zum 70. Geburtstag Kehrs 1930).
↑Vgl. dazu Paul Fridolin Kehr: Ältere Papsturkunden in den päpstlichen Registern. In: Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften. Heft 4, 1902, S. 401, Anm. 1 (Nachdruck Papsturkunden in Italien, Teil 3 (1901–1902), Vatikanstadt 1977, S. 375).
↑Paul Fridolin Kehr (PDF; 839 kB). Nachruf bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
↑Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 955.