Phokaia (altgriechisch: Φώκαια Phṓkaia, lateinisch Phocaea, heute türkischFoça) war eine antike griechische Stadt in Kleinasien an der Küste des Ägäischen Meeres im Golf von Smyrna (heute Izmir in der Türkei). Die Stadt wurde zwischen dem 10. und 8. Jahrhundert v. Chr. von Siedlern gegründet, die vom griechischen Festland kamen. Der antike Name spiegelt sich auch in der Bezeichnung der heutigen türkischen Stadt Foça.
Die antiken Texte geben nur wenig Aufschluss über den Ursprung, die Institutionen und die Kulthandlungen der Stadt. Ihre Bevölkerung soll sich aus Athenern und Phokidiern (Bewohner von Phokis) zusammengesetzt haben. Laut Herodot[1] ist Phokaia die Schöpferin der ersten Langschiffe mit fünfzig Rudern (Pentekontere) und in der Region mit dem besten Klima der Welt angesiedelt, wo sich Hügel an eine weite, gut geschützte Bucht schmiegen.
Phokaia war eine der zwölf Städte des Ionischen Bundes – der griechischen Dodekapolis in Kleinasien – zusammen mit Chios, Klazomenai, Kolophon, Ephesos, Erythrai, Lebedos, Milet, Myus, Priene, Samos und Teos. Diese Städte waren zwar im Bund zusammengeschlossen, unterhielten jedoch nur sehr lose Verbindungen untereinander. Das brachte sie in eine schwache Position, als sie ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. gegen feindliche Mächte antreten mussten (die Lyder, die Kimmerer und vor allem die Perser unter Kyros II. ab 546 v. Chr.)
Die griechischen Städte Kleinasiens unterhielten rege Handelsbeziehungen mit ihrem Nachbarn, dem reichen und wohlhabenden Königreich Lydien. Als Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr. Invasoren aus dem Norden – die Kimmerer – Lydien und das Gebiet der griechischen Städte verwüsteten, verfolgte der lydische König Gyges eine Politik der Bündnisse und Eroberungen, wobei Lyder und Griechen sich zusammenschlossen, um gegen ihren gemeinsamen Feind zu kämpfen.
Gyges starb in der Schlacht, aber seine Nachfolger errichteten, nachdem Frieden eingekehrt war, ihr Königreich wieder und stellten die griechischen Städte unter ihre Verwaltung. Die griechischen Städte regierten sich weiterhin selbst, mussten jedoch Tribut zahlen und im Bedarfsfall ein militärisches Kontingent stellen. Umgekehrt wurden die Lyder von der griechischen Kultur beeinflusst.
Aus Phokaia stammte möglicherweise der Bildhauer Telephanes (griechsch Τηλεφάνης Tēlephánēs „der Strahlende“) der laut Plinius (Naturalis historia XXXIV, 68) für die Könige Dareios I. und Xerxes I. gewesen sein soll.[2]
Phokäische Kolonien
Die griechischen Städte Kleinasiens waren wohlhabend und ihr Reichtum wuchs mit dem Ausbau der Beziehungen zu ihren Kolonien, die sie rund um das Mittelmeer gegründet hatten. So wurde Phokaia im 6. Jahrhundert v. Chr. zur Metropole (Mutterstadt) der griechischen Kolonien im westlichen Mittelmeerraum. Die Phokäer gründeten nacheinander Massalia (Marseille) in der Nähe der Rhône-Mündung, dann Auenion (Avignon), Agathe Tyche (Agde), Aigitna (Cannes), Antipolis (Antibes) und Nikaia (Nizza), Allalia (Aléria), einen Handelsposten an der Ostküste Korsikas, und Hyele (Elea) in Süditalien sowie mächtige Kolonien in Spanien, wie Emporion (Empúries) in Katalonien. Das griechische Wort ἐμπόριον (empórion) bezeichnete einen Seehandelsplatz.
Im Jahr 546 v. Chr. wurde Phokaia von den Persern unter Kyros dem Großen eingenommen. Die reichen Familien der Metropole hatten genügend Zeit, um zu fliehen und in ihren Kolonien Zuflucht zu suchen, und trugen so zu deren Entwicklung bei. Dennoch wurde die Stätte von Phokaia nicht völlig aufgegeben, wie das im 4. Jahrhundert v. Chr. errichtete Theater beweist. Der berühmte Athena-Tempel stürzte nach einem Erdbeben im 2. Jahrhundert n. Chr. ein, wurde aber von den Römern aus Marmor wiederaufgebaut.
Literatur
Félix Sartiaux: Recherches sur le site de l'ancienne Phocée. In: Comptes rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 1914, S. 6-18 (Digitalisat).
Ernst Langlotz: Die kulturelle und künstlerische Hellenisierung der Küsten des Mittelmeers durch die Stadt Phokaia (= Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswissenschaften 130 ). Westdeutscher Verlag, Köln u. a. 1966.
George Ewart Bean: Kleinasien, Band 1: Die ägäische Türkei von Pergamon bis Didyma. 5. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1987, ISBN 3-17-009678-8, S. 117–125.
Antoine Hermary u. a. (Hrsg.): Les cultes des cités phocéennes (= Études Massaliètes 6). Centre Camille Jullian, Aix-en-Provence 2001, ISBN 2-7449-0229-2.
Haris Yiakoumis: Phocée, 1913–1920, Le témoignage de Félix Sartiaux. Éditions Kallimages, Paris 2008, ISBN 978-2-915936-06-3.
Ömer Özyiğit: Phokaia I: Phokaia kazıları tarihi ile Foça yarımadasını çeviren kent duvarları ve restorasyonu (Phokaia Kazı ve Araştırmaları). Ege Yayınları, Istanbul 2017, ISBN 978-605-9680-44-8
Zeki Arikan: Phokaia II: Tarihsel Süreç İçinde Foça. Şap Ticaretinden Tuz Ticaretine. 9. yüzyıldan 19. yüzyılın sonuna kadar (Phokaia Kazı ve Araştırmaları). Ege Yayınları, Istanbul 2017, ISBN 978-605-9680-41-7
Ömer Özyiğit: Phokaia III: Arkaik Dönem Athena Tapınağı (Phokaia Kazı ve Araştırmaları). Ege Yayınları, Istanbul 2020, ISBN 978-605-7673-38-1
Ömer Özyiğit: Phokaia IV: Athena Tapınağı Kazıları Işığında İon Mimarlığının Doğuşu. Ege Yayınları, Istanbul 2023, ISBN 978-625-8056-61-7
Münzprägung
Friedrich Bodenstedt: Phokäisches Elektron-Geld von 600–326 v. Chr. Studien zur Bedeutung und zu den Wandlungen einer antiken Goldwährung. Zabern, Mainz 1976 (Digitalisat im Internet Archive).
Aylin Tanrıöver: Antiochos II., Phokaia und die Göttin Athena. Ein numismatischer Beitrag zur Geschichte von Phokaia. In: Vom Euphrat bis zum Bosporus. Kleinasien in der Antike. Festschrift für Elmar Schwertheim zum 65. Geburtstag. 1. Bd. Hrsg. von Engelbert Winter. Habelt, Bonn 2008, S. 681–688 (Reihe „Asia Minor Studien“, Bd. 65; Digitalisat bei academia.edu).
Aylin Tanrıöver: Die Münzprägung Phokaias in der Kaiserzeit. Dissertation Münster 2014.
↑Robert Fleischer: Griechische Kunst in Iran vor der Partherzeit. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 220–226, hier: S. 221.