Pierre Kœnigs Vater war ein Orgelbauer aus dem Elsass, seine Mutter kam aus der Normandie. In Caen wurde er katholisch erzogen.[2] Er besuchte das Collège Sainte-Maire und später das Lycée Malherbe in Caen. Unmittelbar nach seinem Baccalauréat trat er im Ersten Weltkrieg als 17-jähriger Kriegsfreiwilliger in das 36. Infanterieregiment ein. Im Februar 1918 wurde er Offizieranwärter und kehrte zurück zu seiner Fronteinheit. Im September 1918 wurde er ausgezeichnet und zum Sous-Lieutenant (entspricht dem deutschen Leutnant) befördert.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Berufsoffizier und diente bei den französischen Besatzungstruppen in Oberschlesien (1920–1922) und im Rheinland (1923–1929). Anschließend war er von 1929 bis 1939 als Offizier in Französisch-Marokko stationiert.[3]
Politisch engagierte er sich für die Vereinigung des Saargebietes mit Frankreich, so etwa am 20. Mai 1946 während einer Kundgebung in Saarlouis, wo er unter anderem erklärte: „Angesichts der heutigen Demonstration kann jeder sehen, daß unsere Pläne einem tiefen Wunsche der Saarbevölkerung entsprechen.“ Das Saargebiet werde von einer Vereinigung mit Frankreich zweifach profitieren: einerseits durch eine Unterstützung Frankreichs hinsichtlich einer Korrektur der Grenzen von 1919, andererseits durch einen Verzicht Frankreichs auf Reparationen.[5] Ende Juli 1946 erweiterte Kœnig das ehemalige Saargebiet um 142 Gemeinden der preußischen Rheinprovinz (Landkreise Saarburg und Wadern sowie Teile der Kreise Birkenfeld und Trier-Land)[6] mit einer Fläche von insgesamt 911 km². Dadurch schuf er das Saarland,[3] das in der Folgezeit aus der übrigen Besatzungszone ausgegliedert und wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen wurde. Ein Teil der betroffenen Gemeinden wurde jedoch im Juni 1947 an Rheinland-Pfalz zurückgegliedert.
Am 30. August 1946 erließ Kœnig die Verordnung Nr. 57[7], mit der die rheinländischen Regierungsbezirke Koblenz und Trier, der Regierungsbezirk Rheinhessen (Mainz), ein Teil von Hessen-Nassau (Regierungsbezirk Montabaur) sowie die ehemals bayerische Pfalz zum neuen Land Rheinland-Pfalz zusammengelegt wurden. Außerdem bestimmte er durch die Verordnung Mainz zur Landeshauptstadt. Zu diesem Anlass ließ er jedem Mainzer Bürger eine Flasche Wein schenken sowie am 14. September 1946 eine Parade und anschließend einen fünftägigen Weinmarkt abhalten.[8] Das bei Mainz gelegene Schloss Waldthausen nutzte er als seinen Sitz. Er ließ es aufwändig umbauen,[9][10] was die Zeitschrift Stern Ende 1950 öffentlich kritisierte.[11]
Die Möglichkeit einer Demokratisierung Deutschlands sah er skeptisch. Im September 1946 äußerte er in einem Zeitungsinterview: „Die Deutschen wollen, daß man sie kommandiert, sie wollen einen Führer.“[12]
Ab 1948 leitete er in dieser Funktion auch die Neue Verlag-Gesellschaft; am 7. Oktober 1947 setzte er Carl Opitz (1937 Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der UFA) als Treuhänder für das UFA-Film-Vermögen in der französischen Zone ein und stiftete die Auszeichnung Bambi.[13][14][15][16][17] (1953 übernahm der Verleger Karl Fritz, der 1938 als Verlagsdirektor in Karlsruhe mit Franz Burda die Papiergroßhandlung und Papierwarenwerk AkademiestraßeGebrüder Bauer oHG (Mannheim) „arisiert“ hatte,[18] die Neue Verlagsgesellschaft samt Bambi.[19]; das Unternehmen von Karl Fritz (und damit der Bambi) wiederum wurde 1962/63 vom Burda-Verlag übernommen.[20])
Nach seiner Pensionierung wurde er im Juni 1951 für das gaullistischeRassemblement du peuple français (RPF) als Abgeordneter des Département Bas-Rhin in die Nationalversammlung gewählt. Dort hatte er bis August 1954 den Vorsitz im Verteidigungsausschuss.[22] Zudem gehörte er als französischer Delegierter der Beratenden Versammlung des Europarates. Dort trat er als ausgesprochener Gegner des Plans einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und der Schaffung einer Europäischen Armee unter deutscher Beteiligung auf. Im Verlauf des Indochinakrieges sprach er sich mehrmals öffentlich für den Einsatz von Wehrpflichtigen in Französisch-Indochina aus, um die Kolonialherrschaft zu erhalten. Nach der Niederlage von Dien Bien Phu im Frühjahr 1954 wurde ihm erneut das Oberkommando an diesem Kriegsschauplatz von der französischen Regierung angeboten. Aufgrund der Weigerung der Regierung, den Einsatz von Wehrpflichtigen zuzusichern, lehnte er seine Rückkehr in den aktiven Dienst ab.[23]
Vom 18. Juni 1954 bis zum 15. August 1954 war Kœnig Verteidigungsminister im Kabinett von Pierre Mendès France. Aus Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft trat er von diesem Amt zurück. Er stimmte anschließend jedoch für die Ratifizierung der Londoner Akte, die der Bundesrepublik Deutschland den Beitritt zur NATO und die Wiederbewaffnung erlaubte. Kœnig kritisierte Mendès Frances „Rede von Karthago“ zur Dekolonisierung Tunesiens und war beunruhigt über die Situation in Algerien. Er sprach dem Premier daher am 5. Februar 1955 das Misstrauen aus und trug so zum Sturz der Regierung Mendès France bei. Im anschließend regierenden zweiten Kabinett von Edgar Faure war Kœnig vom 23. Februar 1955 bis zum 6. Oktober 1955 erneut Verteidigungsminister. Diesmal trat er aus Protest gegen die Beschlüsse der Konferenz von Aix-les-Bains zurück, die den marokkanischen Sultan Mohammed V. zurück auf den Thron brachten, der das französische Protektorat in Marokko beendete.[4]
Bei der Parlamentswahl 1956 wurde Kœnig als einer der wenigen gaullistischen Abgeordneten – die sich nach dem Rückzug de Gaulles und der Auflösung des RPF nun Républicains sociaux nannten – wiedergewählt. Er gehörte der Nationalversammlung bis zum Ende der Vierten Republik 1958 an.[4]
Ab 1955 war Kœnig in der freien Wirtschaft tätig, u. a. als Präsident und Generaldirektor einer Ölraffinerie in Nordafrika sowie als Aufsichtsratsmitglied einer Erdölgesellschaft, der Straßburger Eisenhütten und einer Bergwerksgesellschaft. Zudem war er Präsident der französisch-israelischen Gesellschaft. In dieser Position protestierte er 1969/70 gegen das nach dem Sechstagekrieg verhängte Waffenembargo gegen Israel und die französischen Waffengeschäfte mit arabischen Staaten.
↑ abcdefgDorlis Blume, Irmgard Zündorf: Biografie Pierre Kœnig. In: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Stand 22. Januar 2016.
↑Bruno Aust, Hans-Walter Herrmann, Heinz Quasten: Das Werden des Saarlandes. 500 Jahre in Karten. Institut für Landeskunde im Saarland, Saarbrücken 2008, S. 36.
↑Norbert Wiesner: Das vierblättrige Fachblatt. Die Filmfachpresse in Wiesbaden. In: Matthias Knop (Hrsg.): Rote Rosen und weißer Flieder – die Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden. Museum Wiesbaden, Wiesbaden 1995, ISBN 3-89258-028-6, S. 105–110, hier S. 106 f.
↑Christopher E. Goscha: Historical Dictionary of the Indochina War (1945–1954) – An International and Interdisciplinary Approach. Kopenhagen, 2011, S. 245