Als Pol der Unzugänglichkeit (auch Unzugänglichkeitspol oder Pol der Unerreichbarkeit oder Pol der relativen Unerreichbarkeit) bezeichnet man verschiedene Positionen auf der Erde, an Land oder auf dem Wasser, die eine maximale Entfernung zur nächstgelegenen Küste haben. Das Konzept geht zurück auf den Polarforscher Vilhjálmur Stefánsson, der hiermit zwischen dem Nordpol und dem entferntesten Punkt der Arktis unterscheiden wollte.[1]
Die unzugänglichste Insel insgesamt ist die norwegischeBouvetinsel im Südatlantik. Die nächste bewohnte Insel, Tristan da Cunha, ist 2260 km entfernt. Südafrika liegt etwa 2530 km entfernt.[3]
Der Nordpol der Unzugänglichkeit wurde 1927 von Hubert Wilkins mit einem Flugzeug erreicht. Aufgrund der permanenten Bewegung des Packeises gibt es hier keine Landmarke.
Südpol der Unzugänglichkeit
Der Südpol der Unzugänglichkeit befindet sich bei den Koordinaten 85° 50′ S, 65° 47′ O-85.83333333333365.783333333333 (nach anderen Angaben bei 82° 6′ S, 54° 58′ O-82.154.966666666667) an der Stelle der von Eis überdeckten Landmasse der Antarktis, die am weitesten von den Wassermassen des Südlichen Ozeans – und damit vom Weltmeer – entfernt ist. Er ist 463 km vom geographischen Südpol entfernt und liegt auf einer Höhe von 3718 Metern über dem Meeresspiegel. Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt −58,2 °C und ist damit eine der tiefsten der Erde.[4]
Im Rahmen einer sowjetischen Antarktis-Expedition, die 1958 im Internationalen Geophysikalischen Jahr stattfand, wurde dieser Pol erreicht und unweit eine sowjetische Forschungsstation eingerichtet, die den Namen Poljus Nedostupnosti bekam. Hierbei wurde eine vorgefertigte, hölzerne Leninbüste mitgeführt und errichtet.[5] Station und Büste wurden im Anhang zum Antarktis-Vertrag als historische Stätten festgeschrieben.[6]
Pazifischer Pol der Unzugänglichkeit / Point Nemo
Der Pazifische Pol der Unzugänglichkeit (auch Point Nemo oder Wasserpol genannt) befindet sich bei den Koordinaten 48° 52′ 31,75″ S, 123° 23′ 33,07″ W-48.875485555556-123.39251916667 und ist die Stelle auf der Erdoberfläche, die am weitesten von Festländern und Inseln entfernt ist. Er wurde erst 1992 durch den kroatisch-kanadischen VermessungsingenieurHrvoje Lukatela bestimmt.[7][8] Er befindet sich im südlichen Pazifik, 2688 km (1451 nautische Meilen) vom nächstliegenden Land: Ducie (Teil der Pitcairninseln) im Norden, Motu Nui (der Osterinsel vorgelagert) im Nordosten und der Maher-Insel (nahe der Siple-Insel vor der Küste des Marie-Byrd-Landes, Antarktis) im Süden. Die Chatham-Insel liegt weiter westlich und das südliche Chile befindet sich im Osten.[9] Dieser Pol wird auch als Raumschiff-Friedhof genutzt; so wurden z. B. unbemannte Kapseln nach der Rückkehr von der Raumstation ISS und die Mir zum kontrollierten Absturz über dieser Stelle gebracht.
Eurasischer Pol der Unzugänglichkeit
Der eurasische Pol der Unzugänglichkeit befindet sich bei den Koordinaten 46° 17′ N, 86° 40′ O46.28333333333386.666666666667 und ist der Ort auf der Erdoberfläche, der am weitesten vom Weltmeer entfernt ist. Er befindet sich im nordwestlichen China im autonomen Gebiet Xinjiang in der Wüste Gurbantünggüt und ist 158 km von der Stadt Karamay entfernt. Bis zur nächsten Küste sind es 2383 km.
Computerberechnungen aus dem Jahr 2007[10] schlagen zwei alternative Ortungen vor (in Verbindung mit der Küstenlinienunsicherheit), die beide ebenfalls im Bereich von Ürümqi liegen (EPIA = Eurasian point of inaccessibility):
EPIA2: 45° 16′ 48″ N, 88° 8′ 24″ O45.2888.14 (ebenfalls in Gurbantünggüt), Entfernung vom Weltmeer 2514±14 km.
Abstand zur nächsten Straße
Im übertragenen Sinn werden manchmal auch Orte abseits von Straßen als „Unzugänglichkeitspole“ bezeichnet, um auf diese Weise ein Maß für die Größe von Wildnisgebieten zu haben. So weist etwa Schweden einen Punkt im Nationalpark Padjelanta aus, der in alle Richtungen mindestens 46,1 km von der nächsten Straße entfernt ist.[11] In Deutschland sind die Inseln Großer Knechtsand und Greifswalder Oie jeweils rund 13,5 km von der nächsten Straße entfernt. Auf dem Festland ist es mit 10,1 km ein Punkt im Nationalpark Berchtesgaden. Außerhalb der Alpen und ohne Lage an einem großen See kommt ein Punkt im Nationalpark Bayerischer Wald auf 6,3 km.[12]
Literatur
Daniel Garcia-Castellanos, Umberto Lombardo: Poles of Inaccessibility: A Calculation Algorithm for the Remotest Places on Earth. In: Scottish Geographical Journal. Vol. 123, No. 3, September 2007, S. 227–233. (PDF; 837 kB)
↑Vilhjalmur Stefansson: The Region of Maximum Inaccessibility in the Arctic. In: Geographical Review. Band10, Nr.3, 1920, S.167–172, doi:10.2307/207749.
↑Joachim Blüthgen: Lehrbuch der Allgemeinen Geographie. Allgemeine Klimageographie. 3. Auflage. de Gruyter, Berlin / New York 1980, S. 150 (Snippet)
↑Joshua Foer, Dylan Thuras, Ella Morton: Atlas Obscura: An Explorer's Guide to the World's Hidden Wonders. Workman, New York 2016, S. 445 (Snippet)
↑Ben Saul, Tim Stephens (Hrsg.): Annex: List of historical sites and monuments approved by the Antarctic treaty consultative meeting. In: Antarctica in International Law. Bloomsbury, 2015, S. 128 (Snippet)
↑Point Nemo. In: geocuriosa (www.archive.org). Archiviert vom Original am 19. Januar 2019; abgerufen am 5. Januar 2021 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.geocuriosa.com
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Poles of Inaccessibility: A Calculation Algorithm for the Remotest Places on Earth. In: Scottish Geographical Journal. Band123, Nr.3, 2007, S.227–233, doi:10.1080/14702540801897809.