Rudolf Weigl, geboren 1883 in Přerov in Mähren, stammte aus einer deutschmährischen Familie, die sich nach dem Tode von Weigls Vater unter dem Einfluss seines neuen Stiefvaters, des Gymnasiallehrers Józef Trojnar, der polnischen Kultur galizischer Prägung zuwandte.
Weigl besuchte die Gymnasien in Jasło und Stryj in Galizien. Er studierte anschließend Naturwissenschaften an der Universität Lemberg. Nach dem Studienabschluss 1907 promovierte er und habilitierte sich 1913 in Zoologie, Vergleichender Anatomie und Histologie. Als Privatdozent forschte er danach vor allem zu Aspekten der Zelle und des Transplantationswesens.
Von 1918 bis 1920 arbeitete Weigl im neuen polnischen Staat in einem Militärlabor in Przemyśl, bevor er als Professor für Biologie an die Lemberger Universität berufen wurde. In der Zwischenkriegszeit errang er mit seinen Arbeiten Weltgeltung. Er war viermal (1932, 1936, 1942, 1946) Kandidat für den Medizin-Nobelpreis, den er aber nie erhielt.[1]
Nach dem Kriegsausbruch 1939 kehrte er von einem Forschungsaufenthalt in Abessinien nach Polen zurück. Nach dem Einmarsch der Sowjettruppen im September 1939 setzte er die Tätigkeit des Instituts im nun sowjetisch besetzten Lemberg weiter fort. Das Gebäude des benachbarten Mädchengymnasiums wurde an das Institut angeschlossen. Die Produktion von Fleckfieberimpfstoffen wurde massiv gesteigert. Nach dem deutschen Einmarsch in der Stadt am 30. Juni 1941 ließen die neuen Besatzer insgesamt 25 Professoren der Universität erschießen, darunter den früheren polnischen Ministerpräsidenten und Mathematiker Kazimierz Bartel. Weigl erklärte sich angesichts der zunehmenden Gefahr für sein eigenes Leben bereit, unter den Deutschen weiter zu arbeiten, weigerte sich jedoch, die Deutsche Volksliste zu unterzeichnen.
In den folgenden vier Jahren leitete er das Institut für Fleckfieber- und Virusforschung in Lemberg, einen Ableger des Instituts für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres in Krakau unter Hermann Eyer. Seinen Fleckfieberimpfstoff erhielten in den 1930er Jahren etwa acht Millionen Polen und Russen. Mit Eyer besprach Weigl 1942 die Dosierung des Impfstoffs im Menschenversuch.[2] In diesem Zusammenhang rettete er zahlreichen Menschen (geschätzt wird die Zahl auf mehrere Tausende) das Leben, indem er ihre Arbeit als „kriegswichtig“ bezeichnete. Unter den Angestellten befanden sich auch polnische Hochschulprofessoren, wie Stefan Banach, Bronisław Knaster, Helena Krzemieniewska und Władysław Orlicz. Die Angestellten fütterten infizierte Läuse mit ihrem Blut, aus den Därmen der Insekten wurde das Serum gewonnen. Unter den so Geretteten befanden sich auch Juden, etwa sein Naturwissenschaftlerkollege und Soziologe Ludwik Fleck.
Nach Kriegsende setzte Weigl seine Forschungen an den Universitäten von Krakau und Posen fort und wurde 1951 emeritiert. Er starb 1957 in Zakopane.
Von den kommunistischen Machthabern ignoriert und sogar der Kollaboration mit den Deutschen beschuldigt, wurden seine Leistungen erst nach 1989 offiziell gewürdigt. 2003 erhielt er postum in Yad Vashem die Medaille Gerechter unter den Völkern.[3]
2021, zu seinem 138. Geburtstag am 2. September, wurde Weigl von der Suchmaschine Google mit einem Doodle geehrt.[4]
Literatur
Ryszard Wójcik: Kapryśna gwiazda Rudolfa Weigla. Wydawnictwo Uniwersytetu Gdańskiego, Danzig 2015, ISBN 978-83-7865-308-0.
Arthur Allen: The Fantastic Laboratory of Dr. Weigl: How Two Brave Scientists Battled Typhus and Sabotaged the Nazis. New York : W.W. Norton, 2015
Heinz Flamm: Das Fleckfieber und die Erfindung seiner Serodiagnose und Impfung bei der k. u. k. Armee im Ersten Weltkrieg, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, 165, 7-8, 2. Dezember 2014, S. 152–163
↑John D. C. Bennett, Lydia Tyszczuk: Deception by immunisation, revisitedBritish Medical Journal 1990, Band 301, Ausgabe vom 22.–29. Dezember 1990, Seiten 1471–1472
↑Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 320 f.