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Sibylle Mertens-Schaaffhausen

Sibylle Mertens-Schaaffhausen

Sibylle Mertens-Schaaffhausen, vollständiger Geburtsname Maria Sibilla Josepha Schaaffhausen,[1] (* 29. Januar 1797[2] in Köln; † 22. Oktober 1857 in Rom), genannt Rheingräfin, war Archäologin und Mittelpunkt eines rheinischen Salons.

Leben

Sibylle Mertens-Schaaffhausen war die Tochter des Kölner Bankiers Abraham Schaaffhausen und seiner Ehefrau Maria Anna, geb. Giesen, des zwölften Kindes des Honnefer Rheinschiffers Johann Heinrich Giesen. Die Mutter starb in der Folge der Geburt. Der Vater verehelichte sich 1800 ein zweites Mal; die Stiefmutter und die fünf Halbgeschwister blieben Sibylle immer fremd.[3] Theresia von Wittgenstein und Elisabeth Deichmann-Schaaffhausen waren die jüngsten Halbschwestern.[4]

Ab 1816 war sie mit dem Bonner Bankier Joseph Ludwig „Louis“ Mertens verheiratet. Dabei handelte es sich um ein Ehearrangement im Sinne der damaligen Zeit. Die zu ihrem Freundeskreis gehörende Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff sprach von der „Höllenehe“ ihrer Bekannten,[5] die einen 16 Jahre älteren Mann heiraten musste und mit diesem vom ersten Tag an unglücklich war. Das Paar hatte sechs Kinder. Eine Scheidung kam aus religiösen Gründen nicht in Frage. Die finanziellen Verhältnisse ermöglichten es jedoch, dass jeder seiner Wege ging: Er lebte meist in Köln, sie in Bonn und auf dem Petersberg, wo sie sich 1834 einen Sommersitz errichten ließ. Allerdings wäre wohl jede Ehe zum Scheitern verurteilt gewesen, denn Sibylle Mertens-Schaaffhausen liebte nicht Männer, sondern Frauen. Laut ihren Tagebuchaufzeichnungen war die größte Liebe ihres Lebens die Marchesa Laurina Spinola (* 29. März 1806, † 11. März 1838) in Genua, Tochter des Markgrafen Giancarlo di Negro († 1857), Witwe von Agostino Spinola († 6. November 1829), um die sie viele Jahre lang trauerte. Sie widmete Laurina Spinola ein eigenes Tagebuch, dessen Reflexionen es zu einem „einzigartigen Dokument“ einer „Frauen liebenden Frau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ machen.[6]

Grab von Adele Schopenhauer und Auguste Dernen (geb. Mertens-Schaaffhausen) auf dem Alten Friedhof in Bonn

Sibylle Mertens-Schaaffhausen war von Jugend auf eine begeisterte Archäologin. 1832 bezog sie eine große Villa in Bonn (Wilhelmstraße 33), deren Oberstock ihrer Sammlung vorbehalten war. Bald wurde das Haus zum Treffpunkt der geistigen Elite der Stadt, wo sie einen der berühmtesten Salons des Rheinlandes führte. Ihm gehörte ein Kreis bedeutender Professoren, Künstler und vor allem Altertumsforscher an. Zu ihrem Freundeskreis zählten die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (ab Oktober 1825) sowie Johanna und Adele Schopenhauer, ebenso wie Goethes Schwiegertochter Ottilie. Mit Adele Schopenhauer, der Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer, führte sie ab 1826 eine Lebensgemeinschaft. Nach dem Tod von Laurina Spinola und Louis Mertens näherten sich die beiden Frauen wieder an. Adele Schopenhauer zog dann in das Bonner Haus von Sibylle Mertens-Schaaffhausen in der Wilhelmstraße und lebte dort bis zu ihrem Krebstod 1849. Sibylle setzte der Freundin einen italienisch beschrifteten Grabstein auf dem Alten Friedhof in Bonn.[7]

Sibylle Mertens-Schaaffhausen war eine begabte Musikerin und verkehrte mit bekannten Musikern ihrer Zeit. Sie unterstützte zum Beispiel das Niederrheinische Musikfest und die Errichtung des Beethoven-Denkmals in Bonn (1845). Sie organisierte und dirigierte anfangs auch den „Verein für Alte Musik“, der in ihrem Haus probte. Von ihr sind zwei Vertonungen von Gedichten aus Goethes West-Östlichem Divan überliefert.

Sibylle Mertens-Schaaffhausen reiste zeitlebens viel und vor allem nach Italien. Sie war eine anerkannte Spezialistin für Numismatik und Besitzerin einer der bedeutendsten Münzsammlungen in Deutschland. Sie war Mitgründerin des Kölner Dombauvereins, der die Vollendung des Kölner Doms ermöglichte.

Grabstätte Sibylle Mertens-Schaaffhausen Campo Santo Teutonico
Grabtafel für Sibylle Mertens, Campo Santo Teutonico

Nach dem Tod ihres Mannes kam es zu Erbauseinandersetzungen mit den vier älteren ihrer sechs Kinder, die ihre Erbanteile ausgezahlt haben wollten. Ein langwieriges Gerichtsverfahren hierzu endete erst 1849, und in der Folge musste Mertens-Schaaffhausen große Teile des Vermögens veräußern, um die Erbanteile finanzieren zu können. So verkaufte sie – kurz vor ihrem Tod – am 2. Mai 1857 das „Gut Sülz“ (das ehemalige Weingut der Zisterzienserabtei Heisterbach) mit den dazugehörigen Ländereien und Weingärten an David Cahn. Sibylle Mertens-Schaaffhausen fand ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof des Campo Santo Teutonico neben dem Petersdom in Rom.

Ausstellung

Quellen und Literatur

  • G. Mallinckrodt: Beitrag zur Geschichte der Kölner Familie Schaaffhausen. 1896. Digitalisat.
  • H. H. Houben: Die Rheingräfin. Das Leben der Kölnerin Sibylle Mertens-Schaaffhausen. Dargestellt nach ihren Tagebüchern und Briefen. Mit einem Nachruf auf H. H. Houben von Hanns Martin Elster. Essener Verlagsanstalt, Essen 1935.[8]
  • Theo Clasen, Walther Ottendorff-Simrock (Hrsg.): Briefe an Sibylle Mertens-Schaaffhausen. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Bd. 3) Röhrscheid, Bonn 1974, ISBN 978-3-7928-0284-7. (Inhaltsverzeichnis)
  • Unbekannte Briefe der rheinischen Altertumsfreundin Sibylle Mertens-Schaaffhausen. Herausgegeben von Rudolf Noll. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse: Sitzungsberichte, Bd. 450) Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1985, ISBN 978-3-7001-0701-9.
  • Karsten Hein: Ottilie von Goethe (1796–1872). Biographie und literarische Beziehungen der Schwiegertochter Goethes (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, Band 1782). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-631-37438-0 (Dissertation Universität Düsseldorf 2001, 698 Seiten).
  • Monika Ditz, Doris Maurer: Annette von Droste-Hülshoff und ihre Freundinnen. Turm-Verlag, 2006, ISBN 3-929874-05-9.
  • Christine Wittich, Valentin Kockel: Sybille Mertens-Schaaffhausen (1797–1857). Sammlerin, Kennerin und „Kollegin“ der Altertumswissenschaftler. In: Valentin Kockel, Daniel Graepler (Hrsg.): Daktyliotheken. Götter und Caesaren aus der Schublade. Bierig und Brinkmann, München 2006, ISBN 3-930609-51-7, S. 102–107.
  • Angela Steidele: Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797–1857). StadtMuseum, Bonn 2007, ISBN 978-3-931878-21-4.
  • Gabriele Büch: La principessa tedesca Sibylle Mertens-Schaaffhausen. 1797–1857. Romanbiographie. Bouvier-Verlag, Bonn 2009, ISBN 978-3-416-03257-5.
  • Andrea Rottloff: Archäologen. Philipp von Zabern, Mainz 2009, ISBN 978-3-8053-4063-2. (Inhaltsverzeichnis)
  • Angela Steidele: Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens. Insel Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-458-17454-7. (Inhaltsverzeichnis)
  • Josef Niesen: Bonner Personenlexikon. 3., verbess. und erw. Aufl. Bouvier, Bonn 2011, ISBN 978-3-416-03352-7.
Commons: Sibylle Mertens-Schaaffhausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. A. Steidele: Geschichte einer Liebe, 2010, S. 19.
  2. A. Steidele: Geschichte einer Liebe, 2010, S. 279.
  3. A. Steidele: Geschichte einer Liebe, 2010, S. 18–20.
  4. Zur zweiten Ehe des Vaters vgl. Mallinckrodt, S. 11f. und die Graphik IV. Generation.
  5. Brief vom 12. September 1842 an Levin Schücking, Zitat.
  6. A. Steidele: Geschichte einer Liebe, 2010, S. 157f.
  7. Sibylles jüngste Tochter Auguste, verehelichte Dernen, wurde auf ihren Wunsch bei Adele bestattet. Ihr Sohn Hermann Dernen (1851‒1915) ließ 1905 eine marmorne Grabtafel im Campo Santo Teutonico setzen und regte etwa 1912 Houbens Forschungen zu Sibylle Mertens an.
  8. Das Buch geht auf ein Manuskript zurück, an dem Houben über 20 Jahre gearbeitet hat; es „wurde von der Essener Verlagsanstalt posthum um zwei Drittel gekürzt und ohne jedes editorische Gewissen veröffentlicht. Die Rheingräfin […] (1935) strotzt von Fehlern und Interpolationen. Zitate wurden unkenntlich verändert, […], Belege getilgt.“ (A. Steidele: Geschichte einer Liebe, 2010, S. 286f.).
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