Stishovit wurde nach dem russischen KristallographenSergei Stischow (* 1937) benannt, dem es 1961 zusammen mit S. W. Popowa erstmals gelang, die bis dahin nur theoretisch bekannte Modifikation synthetisch herzustellen. Vorhergesagt wurde sie schon 1952 durch Albert Francis Birch.
Stishovit war bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt. Damit hätte Stishovit theoretisch den Status eines grandfathered Mineral. In der 1967 erfolgten Publikation der IMA: Commission on new minerals and mineral names erhielt das Mineral allerdings nachträglich zusammen mit anderen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Mineralen die offizielle Anerkennung durch die IMA/CNMNC.[7] Der Stishovit wird seitdem in der „Liste der Minerale und Mineralnamen“ der IMA unter der Summenanerkennung „IMA 1967 s.p.“ (special procedure) geführt.[1] Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Stishovit lautet „Sti“.[2]
Klassifikation
In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Stishovit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung „MO2- und verwandte Verbindungen“, wo er zusammen mit Coesit und dem bisher nicht anerkannten Keatit die „Keatit-Coesit-Stishovit-Gruppe“ mit der System-Nr. IV/D.01b innerhalb der „SiO2-Familie“ (IV/D.01) bildete.
Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[8]9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Stishovit in die Abteilung der „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 1 : 2 und vergleichbare“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen sowie der Zugehörigkeit zu einer größeren Mineralfamilie bzw. der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend in der Unterabteilung „Mit kleinen Kationen: Kieselsäure-Familie“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 4.DA.40 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Stishovit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Oxidminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Rutil, Ilmenorutil, Pyrolusit, Kassiterit, Plattnerit, Argutit und Squawcreekit sowie dem seit 2006 als Varietät von Rutil diskreditierten Strüverit in der „Rutilgruppe (Tetragonal: P42/mnm)“ mit der System-Nr. 04.04.01 innerhalb der Unterabteilung der „Einfachen Oxide mit einer Kationenladung von 4+ (AO2)“ zu finden.
Im Gegensatz zu den Niederdruck-Modifikationen von Quarz ist beim Stishovit das Silicium sechsfach gebunden, wodurch das Mineral eine wesentlich kompaktere Struktur aufweist. Dies wird auch im Vergleich der Dichten deutlich. Quarz hat eine Dichte von 2,65 g/cm3 und Stishovit von 4,32 g/cm3.
Stishovit ist bei Raumtemperatur ab Drücken von 8 Gigapascal (GPa) stabil und geht bei fünfzig GPa in die verwandte orthorhombische Kristallstruktur vom Typ Stishovit II über. Bei Normaldruck ist Stishovit metastabil.
Weitere Modifikationen sind Cristobalit und Tridymit als Hochtemperaturmodifikationen, Lechatelierit als amorphes Kieselglas, welches allerdings nicht von der IMA als Mineral anerkannt wird und der ebenfalls amorphe, wasserhaltige Opal.
Als seltene Mineralbildung konnte Stishovit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 20 Fundorte dokumentiert sind (Stand 2023).[10] Neben seiner Typlokalität, dem Barringer-Krater in Arizona, konnte das Mineral in den Vereinigten Staaten von Amerika noch im Steinbruch „Newton County“ im Kentland-Krater in Indiana, bei Raton im Colfax County von New Mexico und im MeteoritenTishomingo, der 1965 nahe dem gleichnamigen Ort in Oklahoma entdeckt wurde, sowie im Meteoriten Umbarger, den man 1954 nahe der gleichnamigen Gemeinde in Texas fand.[11]
In Deutschland konnte Stishovit außer im Nördlinger Ries, genauer im Steinbruch „Altebürg“ und einem unbenannten Aufschluss bei Zipplingen (Unterschneidheim) im Baden-Württemberger Teil sowie einem Steinbruch bei Otting im Bayerischen Teil, nur noch in einem Prismatin-Aufschluss bei Waldheim in Mittelsachsen entdeckt werden.
Auch in Gesteinsproben vom Mond, die während der Apollo 15-Mission in der Palus-Putredinis-Ebene am östlichen Rand des Mare Imbrium gesammelt wurden, konnte Stishovit nachgewiesen werden.[11]
S. M. Stischow, S. W. Popowa: Новая плотная модификация кремнезёма. In: Геохимия, 1961:10, S. 837–839
E. C. T. Chao, J. J. Fahey, Janet Littler, D. J. Milton: Stishovite, SiO2, a very high pressure new mineral from Meteor Crater, Arizona. In: Journal of Geophysical Research. Band67, 1962, S.419–421, doi:10.1029/JZ067i001p00419 (englisch).
Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band47, 1962, S.805–812 (englisch, rruff.info [PDF; 546kB; abgerufen am 16. März 2023]).
Stishovite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF); abgerufen am 16. März 2023 (englisch).
↑ abcd
Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
↑ abcHugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S.206 (englisch).
↑ abcd
Stishovite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 70kB; abgerufen am 16. März 2023]).
↑ abcStishovite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 16. März 2023 (englisch).
↑
International Mineralogical Association: Commission on new minerals and mineral names. In: Mineralogical Magazine. Band36, März 1967, S.131–136 (englisch, rruff.info [PDF; 210kB; abgerufen am 16. März 2023]).
↑
Nancy L. Ross, Jin-Fu Shu, Robert M. Hazen, Tibor Gasparik: High-pressure crystal chemistry of stihovite. In: American Mineralogist. Band75, 1990, S.739–747 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1MB; abgerufen am 16. März 2023]).
↑Localities for Stishovite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 16. März 2023 (englisch).
↑ abc
Fundortliste für Stishovit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 16. März 2023.