Eine Sonderform des Synchrotrons ist der Speicherring. Das Synchrotron kann auch selbst, nachdem die Teilchen auf eine gewünschte Energie beschleunigt sind, als Speicherring betrieben werden. Auch eine Gesamtanlage aus einem Speicherring und einem getrennten Synchrotron zu dessen Füllung wird manchmal einfach als Synchrotron bezeichnet.
Ein Synchrotron besteht seinem Grundbauplan nach aus mehreren Ablenkmagneten und dazwischen angeordneten geradlinigen Beschleunigungsstrecken, kombiniert damit also die Prinzipien des Ring- und des Linearbeschleunigers. Anders als beim Zyklotron oder Betatron jedoch, bei denen die Teilchenbahnen spiralförmig sind, verlaufen sie beim Synchrotron vom Anfang bis zum Ende des Beschleunigungsvorgangs als in sich geschlossener Ring. Das Feld der Ablenkmagnete kann daher nicht wie im Zyklotron oder Betatron zeitlich konstant bleiben, sondern muss während der Beschleunigung jedes Teilchenpakets proportional zu dessen aktuellem und von Durchlauf zu Durchlauf wachsendem Teilchen-Impuls erhöht werden. Zur Beschleunigung in den geraden Beschleunigungsstrecken dienen dabei hochfrequente elektrische Wechselfelder in Hohlraumresonatoren. Damit die Teilchen dabei nicht durch Stöße mit Gasmolekülen verlorengehen, muss in dem Ringrohr, in dem sie sich bewegen, außerdem – wie bei anderen Beschleunigern auch – ein Ultrahochvakuum (UHV) herrschen.
Ein Synchrotron beschleunigt die Teilchen nicht „von Null an“, sondern wird immer von einem Vorbeschleuniger (Injektor) gespeist. Dieser bringt sie auf eine Energie – beispielsweise 20 oder 50 MeV –, die im Fall von Elektronen schon weit über der Ruheenergie des Teilchens liegt, im Fall von Ionen dagegen weit darunter.[1] Dementsprechend treten Elektronen schon mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins Synchrotron ein. Dort erhöhen sich, wie von der relativistischen Mechanik beschrieben, ihre Energie und ihr Impuls, aber praktisch nicht mehr die Geschwindigkeit; die Frequenz, mit der der Strom der Magneten moduliert wird, und die Phasenlage der Beschleunigungsstrecken zueinander können daher konstant sein. Bei Protonen und noch schwereren Teilchen nimmt dagegen auch im Synchrotron selbst die Geschwindigkeit noch erheblich zu. Hier muss daher während der Beschleunigung eines jeden Teilchenpakets nicht nur das Magnetfeld, sondern auch die Phase der Hochfrequenzspannungen der einzelnen Resonatoren laufend angepasst werden.
Wegen dieser erheblichen technischen Unterschiede ist ein Synchrotron immer speziell
Die heute (2016) größte Synchrotronanlage Large Hadron Collider hat Protonen bis auf 6,5 TeV beschleunigt, so dass Colliding-Beam-Experimente mit 13 TeV möglich sind. Dagegen dienen Elektronensynchrotrone heute nicht mehr der Teilchenphysik, sondern als Quellen für Synchrotronstrahlung.
Verwendungen
In Synchrotronen beschleunigte Ionen werden in der Regel zu Kollisions- oder Targetexperimenten der teilchenphysikalischen Grundlagenforschung verwendet, in einigen Fällen auch zu therapeutischen Zwecken. Dagegen verwendet man Elektronenspeicherringe seit den 1980er Jahren hauptsächlich als Quellen von Synchrotronstrahlung; diesem Zweck dienen die meisten heute existierenden Synchrotronanlagen.
Erreichbare Energien
Die Teilchenenergie , die in einem bestimmten Synchrotron erreicht werden kann, ist abhängig von der maximalen magnetischen FlussdichteB, vom Radius r des (hier vereinfachend als Kreis angenommenen) Rings und von den Teilcheneigenschaften. Für hohe Energien gilt näherungsweise:
.
Dabei ist q die elektrische Ladung des beschleunigten Teilchens und c die Lichtgeschwindigkeit. In der Formel ist keine Abhängigkeit von der Masse des Teilchens ersichtlich; allerdings wurde die Abgabe von Synchrotronstrahlung nicht beachtet. Leichtere Teilchen sind bei gleicher Energie schneller als schwerere Teilchen und strahlen daher stärker. Der Energieverlust durch diese Abstrahlung muss durch die elektrische Beschleunigung ausgeglichen werden.
Starke Fokussierung
Die Teilchen führen während des Umlaufs unvermeidlich Schwingungen (sogenannte Betatronschwingung) um ihre Sollbahn aus. Die Amplitude dieser Schwingungen bestimmt die „Dicke“ des Strahls, damit die nötige Breite der Magnetpolschuhe und so die Gesamtgröße und die Baukosten. Synchrotrone für höhere Energien nutzen deshalb das Prinzip der starken Fokussierung: Die Ablenkmagnete haben abwechselnd nach beiden Seiten angeschrägte Polschuhe, so dass die Magnetfelder quer zur Teilchen-Flugrichtung Gradienten mit wechselnder Richtung haben. Dies ergibt eine Stabilisierung (Fokussierung) der Teilchenbahnen. Auf die Ablenkung eines Teilchens in der Querrichtung bezogen entspricht es anschaulich der Hintereinanderanordnung von Sammel- und Zerstreuungslinsen für Licht, mit einer Fokussierung als Nettoeffekt.
Außer mit wechselnden Gradienten der Ablenkmagnetfelder kann die starke Fokussierung auch außerhalb der Ablenkmagneten mit Quadrupollinsen erreicht werden.[2]
Elektronensynchrotron
Weil der Strahlungsverlust bei relativistischen Geschwindigkeiten mit der vierten Potenz der Energie ansteigt, lassen sich Elektronen im Synchrotron nur bis ca. 10 GeV einigermaßen wirtschaftlich beschleunigen. Nur als Ausnahme wurden 1999 in einem Versuch an der Anlage LEP Elektronen auf über 100 GeV gebracht.[3] Günstiger erhält man Elektronen mit mehr als einigen GeV mit Linearbeschleunigern. Bei der heute fast ausschließlichen Verwendung von Elektronensynchrotronen als Strahlungsquelle werden Elektronenenergien bis zu etwa 6 GeV genutzt.
Beim Elektronensynchrotron erzeugt eine Elektronenkanone mit einer Glühkathode freie Elektronen, die dann über eine Gleichspannungs-Beschleunigungsstrecke in einen Linearbeschleuniger, ein Mikrotron oder sogar schon in einen ersten Synchrotron-Beschleunigungsring geleitet werden. In diesem werden die Elektronen auf ihre Endenergie beschleunigt und dann – im Fall einer Speicherringanlage – in einem Speicherring gespeichert, der bis zu einigen hundert Metern Umfang haben kann. Die Elektronen laufen dort um, bis sie durch Kollisionen mit noch vorhandenen Gasmolekülen verloren gehen. Bei modernen Elektronensynchrotronen wie BESSY oder ESRF beträgt die Lebensdauer des Elektronenstroms im Speicherring einige Tage; allerdings werden in regelmäßigen Abständen Elektronen zugeführt, um einen dauerhaft ausreichenden Ringstrom bereitzustellen.
An Elektronensynchrotronen wurde erstmals die intensive und breitbandige elektromagnetische Strahlung im Spektralbereich der Röntgen- und Ultraviolettstrahlung nachgewiesen, die aufgrund der Ablenkung sehr schneller geladener Teilchen entsteht und den Teilchen dadurch kinetische Energie entzieht. Zunächst trat sie an Elektronensynchrotronen für die teilchenphysikalische Forschung störend in Erscheinung; ihre vorzügliche Eignung für Untersuchungen in anderen Bereichen der Physik sowie weiterer Naturwissenschaften, aber auch für industrielle und medizinische Anwendungen wurde erst nach und nach erkannt. Sie wird daher inzwischen gezielt produziert. Dazu werden nicht mehr die zur Führung des Teilchenstrahls benötigten Dipolmagneten genutzt, sondern zusätzlich eingebaute Vorrichtungen, die Undulatoren.
Einige Elektronen-Synchrotronanlagen
ALBA, Consorcio para la Construcción, Equipamiento y Explotación del Laboratorio de Luz de Sincrotrón, Cerdanyola del Vallès, Spanien
UVSOR II (Ultraviolet Synchrotron Orbital Radiation Facility), Okazaki, Japan
Synchrotronanlagen für Ionen
Die für Ionen erreichbare Energie ist in modernen Synchrotronen hauptsächlich nach der oben genannten Formel durch Radius und Magnetflussdichte gegeben. Da die in großen Magneten erreichbare Flussdichte auf einige Tesla beschränkt ist, müssen Synchrotrone für sehr hohe Energien zwangsläufig große Radien haben. Im Large Hadron Collider mit etwa 4,2 km Radius sind Protonen auf 6,5 TeV (Tera-Elektronenvolt), also 6500 GeV beschleunigt worden.
Antiproton Decelerator, CERN-PS, ISR, LHC und SPS beim CERN (frz. Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, Europäisches Kernforschungszentrum) bei Genf, Schweiz
Frank Hinterberger: Physik der Teilchenbeschleuniger und Ionenoptik. 2. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-75281-3.
Helmut Wiedemann: Particle Accelerator Physics. 3. Auflage. Springer 2007, ISBN 3540490434.
Ralph Burmester: Die vier Leben einer Maschine. Das 500 MeV Elektronen-Synchrotron der Universität Bonn. Wallstein-Verlag, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0595-3.