Tiergifte oder Tierische Gifte sind Toxine von Tieren, also diejenigen Gifte, die von Tieren synthetisiert oder sequestriert (von anderen Quellen angereichert) werden.[1] Tiergifte können zur Überwindung von Beutetieren oder zur Abwehr von Mikroorganismen, Parasiten oder Prädatoren dienen.
Einige der Tiere enthalten Toxine in Körperteilen, welche im Kontakt passiv übertragen werden (englischpoisonous), etwa durch Berühren oder Aufnahme als Nahrung; andere können ihre Toxine aktiv übertragen (englischvenomous), etwa durch Biss (Giftzahn) oder Stachel (Giftstachel).[1]
Aufgrund der Vielzahl an Giften besteht eine Vielzahl an Wirkmechanismen. Das Wirkspektrum ist umfangreich, kann aber für aktiv abgegebene Insektengifte grob eingeteilt werden in neurotoxische, hämolytische, verdauende, hämorrhagische und algogenische (Schmerz verursachende) Effekte.[5][6] Möglicherweise dominieren Nervengifte unter den besonders potenten Giften. Andere verändern als Chaperone die Tertiärstruktur von Proteinen und damit deren Funktionen.[7]
Das Antidot bildet ein (stoffliches) Gegenmittel zu Toxinen oder anderen Substanzen, die auf einen Organismus Einfluss nehmen.
Akute Vergiftung
Unbehandelte akute Gewebevergiftungen durch potente Tiergifte (etwa durch Giftfische, Skorpionstich oder Schlangenbiss) können bleibende Schäden hinterlassen und lebensbedrohlich verlaufen. Zur wirksamen Behandlung wird möglichst ein spezifisches Antiserum eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine passive Impfung mit einem Immunserum, welches Antikörper gegen die Toxine enthält. Diese Toxine werden von dazu gezüchteten Gifttieren (z. B. in Schlangenfarmen) gewonnen. Das erhaltene Gift wird für bessere Lagerfähigkeit meist tiefgefroren und gefriergetrocknet. Hoch verdünnt aufgelöst werden damit Haustiere – häufig Pferde, Schafe oder Kaninchen – geimpft. Aufgereinigte Teile ihres Blutserums ergeben das Antiserum. Dieses wird für maximale Haltbarkeit gefriergetrocknet und portioniert in Brech-Glasampullen eingeschmolzen. Wird das Antiserum bald nach dem Gifteintritt verabreicht und ist das Antiserum spezifisch wirksam, ist die Prognose in aller Regel gut.
Allergisierung
Bei gleicher Giftdosis zeigt sich manchmal eine unterschiedliche Wirkung auf verschiedene Menschen. Dies kann oft auf unterschiedlich starke Allergisierungen zurückgeführt werden und wird als Allergie bezeichnet.[11] Gerade nach Stichen durch Honigbienen (Apis mellifera), Wespen (insbesondere Vespula vulgaris, Vespula germanica), seltener auch Hornissen (Vespa crabro) und Hummeln (Bombus spp.) können Insektengiftallergien vermehrt auftreten, die Reaktionsbreite kann sich zwischen 'harmlos' bis zum anaphylaktischen Schock erstrecken. Im Notfall können intravenös Elektrolytlösungen verabreicht oder in besonders schweren Fällen Adrenalin injiziert werden.
Zur Therapie von Giftallergien besonders gegen Hautflügler können die auslösenden Insektengifte niedrig dosiert verabreicht werden, dies wird als Hyposensibilisierung bezeichnet.[12][13]
Anders Edstrom: Venomous and poisonous animals. Krieger Publishing Company, 1992, ISBN 0-89464-627-3.
Wolfgang Bücherl, Eleanor E. Buckley, Venancio Deulofeu (Hrsg.): Venomous Animals and Their Venoms: Venomous Vertebrates. Vol. 1, Elsevier, 17. September 2013, ISBN 978-1-4832-6363-2.
Gerhard Venzmer: Giftige Tiere und tierische Gifte. Stuttgart 1932.
Julian White, Jurg Meier: Handbook of clinical toxicology of animal venoms and poisons. Vol. 236, CRC Press, 1995, ISBN 0-8493-4489-1.
Tim Lüddecke, Björn von Reumont: Venomics – Tiergifte als Quelle neuartiger Bioressourcen. In: BIOspektrum 26, 2020,7, S. 724–727.
Einzelnachweise
↑ abcAnders Edstrom: Venomous and poisonous animals. Krieger Publishing Company, 1992, ISBN 0-89464-627-3.
↑W. L. Meyer: Most toxic insect venom. (PDF) In: Book of Insect Records.Chapter 23, Gainesville Florida 1. Mai 1996. Abgerufen am 6. Juli 2015.
↑M. S. Blum: Chemical defenses in arthropods. Academic Press, New York 1981, S. 562.
↑J. O. Schmidt: Chemistry, pharmacology and chemical ecology of ant venoms. In: T. Piek (Hrsg.): Venoms of the hymenoptera. Academic Press, London 1986, S. 425–508.
↑M. S. Blum: Chemical defenses in arthropods. 'Academic Press. New York 1981, S. 562.
↑Naofumi u. a.: Protein function: chaperonin turned insect toxin. In: Nature. 411, Nr. 6833, 2001, S. 44–44, doi:10.1038/35075148.
↑Tim Lüddecke, Stefan Schulz, Sebastian Steinfartz, Miguel Vences: A salamander’s toxic arsenal: review of skin poison diversity and function in true salamanders, genus Salamandra. In: The Science of Nature. Band105, Nr.9-10, Oktober 2018, ISSN0028-1042, S.56, doi:10.1007/s00114-018-1579-4 (springer.com [abgerufen am 26. Januar 2021]).
↑ abJohn Tidwell: The intoxicating birds of New Guinea. (PDF) Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2015; abgerufen am 16. Juli 2015. In: ZooGoer. Band 30, Nr. 2., 2001.
↑Henry M. Parrish: Analysis of 460 fatalities from venomous animals in the United States. In: The American journal of the Medical Sciences. Band 245, Nr. 2, 1963, S. 35–47.
↑David B. K. Golden, David G. Marsh, Anne Kagey-Sobotka, Linda Freidhoff, Moyses Szklo, Martin D. Valentine, Lawrence M. Lichtenstein: Epidemiology of insect venom sensitivity. In: JAMA. 262, Nr. 2, 1989, S. 240–244, doi:10.1001/jama.1989.03430020082033.
↑Iris Bellinghausen, Gudrun Metz, Alexander H. Enk, Steffen Christmann, Jürgen Knop, Joachim Saloga: Insect venom immunotherapy induces interleukin‐10 production and a Th2‐to‐Th1 shift, and changes surface marker expression in venom‐allergic subjects. In: European Journal of Immunology. 27, Nr. 5, 1997, S. 1131–1139, doi:10.1002/eji.1830270513.
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch wird dadurch eine Diagnose durch einen Arzt ersetzt. Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!