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Tyche

Tyche von Antiochia, ein Werk des Eutychides, im Vatikan
Tyche mit Plutos, 2. Jahrhundert, Archäologisches Museum Istanbul

Tyche (altgriechisch Τύχη Týchē) ist in der griechischen Mythologie die Göttin des Schicksals, der glücklichen (oder unglücklichen) Fügung und des Zufalls. Die römische Entsprechung ist die Göttin Fortuna, die germanische Entsprechung ist das abstraktere Heil.

Tyche erhöht und erniedrigt und führt launenhaft den Wechsel der Geschichte herbei, wird jedoch meist mit positiven Wendungen außerhalb der Kontrolle der überbrachten Person assoziiert.[1] Ihre Attribute sind Füllhorn, Ruder, Flügel und ein Steuerruder auf einer Kugel oder einem Rad. Gelegentlich hält sie auch den als Knaben dargestellten Plutos, den Gott des Reichtums, im Arm.

Geschichte

Die frühesten Erwähnungen finden sich bei Hesiod[2] gegen 700 v. Chr. und in den Homerischen Hymnen[3] aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr., die sie noch als Tochter des Okeanos und der Tethys beschreiben. Bei Pindar[4] um 470 v. Chr. wird sie dann hingegen die Tochter des Zeus Eleutherios genannt.

Ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. ist ein Kult der (Agathe) Tyche[5] nachweisbar. Seit dieser Zeit finden sich auch verschiedene Darstellungen der Tyche mit ihren Attributen. Bekannt ist die in Antiochien gefertigte Skulptur des Bildhauers Eutychides, die die Tyche mit der Flussgottheit des Orontes, die zu ihren Füßen auftaucht, darstellt. Für Argos, Mégara, Theben und, außerhalb Griechenlands, Bupalos und Smyrna und vielleicht Elis, Korinth, Megalopolis, Sikyon wird mit Tempeln gerechnet.

Im Hellenismus wuchs ihre Verehrung, Antiochia, Alexandria und Skythopolis verehrten sie als Stadtgöttin. Die hellenistische Entwicklung der Tyche zu einer Stadtgöttin findet dann in der römischen Fortuna ihre Fortsetzung. Auch die kleinasiatischen Städte in der römischen Kaiserzeit, wie zum Beispiel Kibyra in Phrygien, Aspendos und Side in Pamphylien und Karallia in Kilikien, verehrten ihre jeweilige Tyche weiter als Schicksalsgöttin ihrer Stadt und bildeten gelegentlich stilisierte Tempel mit dem Kultbild der Tyche (Tycheion) auf den Rückseiten ihrer im lokalen Zahlungsverkehr gebräuchlichen Bronzemünzen ab.[6]

In der antiken Alltagsverwendung des Wortes schwindet dann aber die personale Vorstellung zunehmend, so dass týchē auch „Schicksal“ und „Zufall“, „zufällige Begegnung“ bedeuten kann und schließlich sogar als eine Art Ausruf bei einem Fehler oder Versehen Verwendung findet.

Rezeption

Goethe ließ in den 1770er Jahren in Weimar in Anspielung auf Tyche den Stein des guten Glücks errichten.

Der 1886 entdeckte Asteroid des Hauptgürtels trägt den Namen (258) Tyche.

Seit 1999 rechnet die Astronomie mit einem hypothetischen Planeten des Sonnensystems namens Tyche.

Commons: Tyche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Tyche. Eintrag im Theoi Projekt, mit umfangreichen Belegstellen (englisch)
  • Agathe Tyche. Eintrag bei Dēmos, Classical Athenian Democracy (englisch)

Literatur

  • Ferdinand Friedrich Baur: De Tyche in pragmatica Polybii historia disputatio. Tübingen 1861.
  • Gerda Natalie Busch: Untersuchungen zum Wesen der Tyche in den Tragödien des Euripides. Winter, Heidelberg 1937 (Universität Heidelberg, phil. Dissertation vom 12. Juli 1937).
  • Tobias Dohrn: Die Tyche von Antiochia. Mann, Berlin 1960.
  • Thomas Hägg: Eros und Tyche. Der Roman in der antiken Welt (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 36). Von Zabern, Mainz am Rhein 1987, ISBN 3-8053-0934-1.
  • Robert Heidenreich: Die „Tyche des Eutychides“. Bemerkungen aus Anlaß eines Buches. In: Helikon. Bd. 8, Heft 1/4, 1968, ISSN 0017-9981, S. 550–551.
  • Gertrud Herzog-Hauser: Tyche und Fortuna. In: Wiener Studien. Bd. 63, 1948, ISSN 0084-005X, S. 156–163.
  • Burkhard Fehr: Lectio graeca, lectio orientalis. Überlegungen zur Tyche von Antiochia. In: Visible Religion. Bd. 7, 1990, S. 83–92.
  • Paul Joos: Tyche, physis, techne. Studien zur Thematik frühgriechischer Lebensbetrachtung. Keller, Winterthur 1955 (Universität Zürich, phil. Dissertation vom 11. Dezember 1953).
  • Marion Meyer: Die Personifikation der Stadt Antiochia. Ein neues Bild für eine neue Gottheit (= Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Ergänzungs-Heft 33). De Gruyter, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-11-019110-5 (Zugleich: Universität Hamburg, Habilitations-Schrift, 1996: Funktion und Bedeutung von Figuren mit Mauerkrone in hellenistischer Zeit.).
  • Andrea Peine: Agathe Tyche im Spiegel der griechischen und römischen Plastik. Untersuchungen klassischer Statuentypen und ihre kaiserzeitliche Rezeption. Münster 1998 (Universität Münster, Dissertation, 1998).
  • Hans Strohm: Tyche. Zur Schicksalsauffassung bei Pindar und den frühgriechischen Dichtern. Cotta, Stuttgart 1944 (Zugleich: Universität München, Habilitations-Schrift, 1940).
  • Eduard Voss: De tyche Thucydidea. In: Jahres-Bericht über das Königliche Gymnasium zu Düsseldorf, für das Schuljahr von Ostern 1878 bis Ostern 1879. ZDB-ID 14592-0.
  • Silke Vry: Zeus und Tyche in der Dekapolis. Kiel 1996 (Universität Kiel, Dissertation, 1996).
  • Otto Waser: Tyche. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 5, Leipzig 1924, Sp. 1309–1380 (Digitalisat).
  • Arnd Zimmermann: Tyche bei Platon. Bonn 1964 (Universität Bonn, Dissertation vom 26. Februar 1964).

Einzelnachweise

  1. Ellerbrock, Uwe: The Parthians: The Forgotten Empire (Peoples of the Ancient World). Routledge, London 2021, ISBN 978-0-367-47309-9, S. 285 ff.
  2. Hesiod, Theogonie 360
  3. Homerischer Hymnos an Demeter 420
  4. Pindar, Olympische Oden 12,1–2
  5. Agathe Tyche, von ἀγαθή agathḗ, deutsch ‚gut‘, die gute Tyche, Göttin der glücklichen Fügung; vgl. Amy C. Smith: Athenian Political Art from the Fifth and Fourth Centuries BCE: Images of Political Personifications. In: C.W. Blackwell (Hrsg.): Dēmos: Classical Athenian Democracy. Ausgabe vom 18. Januar 2003, S. 25.
  6. Margret Karola Nollé, Johannes Nollé: Götter Städte Feste. Kleinasiatische Münzen der Römischen Kaiserzeit. Staatliche Münzsammlung, München 1994, S. 77.
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