Die Wenzelsbibel befindet sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und wird dort unter der Signaturen Cod. 2759 bis Cod. 2764 aufbewahrt. Sie umfasst im jetzigen Zustand sechs Bände mit zusammen 1214 Pergament-Blättern, wobei das Werk im Jahre 1790 in der heutigen Form gebunden wurde. Jede Seite ist mit zwei Kolumnen zu 36 Zeilen beschrieben mit einer Kopfleiste über jeder Kolumne. Besonders wertvoll sind die 654 zum Teil mit Gold ausgelegten Miniaturen. Die Wenzelsbibel wird häufig als Vollbibel bezeichnet, blieb aber unvollendet: Es fehlen die zwölf Kleinen Propheten, das Erste und das Zweite Makkabäerbuch sowie das Neue Testament.
Schrift und Miniaturen
Die Handschrift ist in der so genannten Textura, also einer gotischen Schrift, auf höchstem kalligraphischen Niveau verfasst. Zeittypisch fehlen bis auf den Punkt jegliche Satzzeichen; Großbuchstaben werden nur am Zeilenanfang verwendet. Die Namen der Schreiber sind nicht überliefert, man geht aber davon aus, dass mindestens drei Schreiber mit dem Text beschäftigt waren und weitere Fachkräfte in Arbeitsteilung für die Miniaturen, die Kapitelzählung etc. zuständig waren. Die namentlich meist nicht oder nicht sicher bekannten sieben oder mehr Buchmaler aus dieser Wenzelswerkstatt werden von Kunsthistorikern zum Beispiel nach den von ihnen jeweils illustrierten Teilen mit Notnamen wie „Balaam-Meister“ oder „Ruth-Meister“ benannt; man vermutet auch, dass ein Großteil der Arbeiten von einem Maler mit Namen Frana (Frantisek) stammt.[1]
Entstehung
Zwar achtete die römische Kirche im 14. Jahrhundert angesichts vor- und frühreformatorischer Bewegungen wie der LollardenJohn Wyclifs in England darauf, dass die Bibel nicht unkontrolliert in der Volkssprache verbreitet werden konnte und auch Kaiser Karl IV. bekräftigte für sein Herrschaftsgebiet 1369 das Übersetzungsverbot für die Vulgata. Karls Sohn und Nachfolger Wenzel jedoch setzte sich hierüber hinweg und gab die Prachthandschrift in deutscher Sprache im Jahr 1385 in Auftrag, wobei Martin Rotlev, ein reicher Kaufmann mit engen Beziehungen zum Hof der Luxemburger, die Finanzierung übernahm. Wer allerdings die Übersetzung selbst vornahm, ist bis heute unbekannt. Mit der Absetzung Wenzels im Jahre 1400 wurde die Arbeit an der Bibel bis auf weiteres unterbrochen. Erst 1441, unter dem Habsburger Friedrich III. wurde die Arbeit fortgesetzt, ohne dass man dabei zum Ende gekommen wäre. Insgesamt wurden 607 Kalbshäute für die Bibel verwendet.
Besitzgeschichte
1447 wurden die Blätter erstmals gebunden, wobei etwa dem heutigen 5. Band die Habsburger-Devise A.E.I.O.U. beigefügt wurde. Um 1500 verbrachte man die Bibel auf die Innsbrucker Hofburg. Um 1580 war sie im Besitz des Erzherzogs Ferdinand, der sie auf Schloss Ambras aufbewahrte.
Als die Tiroler Linie der Habsburger 1665 ausstarb, wurde die Ambraser Bibliothek mit den Wiener Beständen in der Hofbibliothek in Wien vereinigt. 1790 erfolgte die Neubindung in sechs Bände; 1803 wurde das Werk kurzfristig vor dem Ansturm der napoleonischen Truppen nach Ungarn verbracht.
Seit 1936 ist die Wenzelsbibel als Codices vindobonenses Nr. 2759–2764 Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek. Der Forschergemeinde ist sie lediglich in Form von Faksimiles zugänglich. Die vollständige Faksimile-Ausgabe der Wenzelsbibel ist bei der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz erschienen.
Einzelnachweise
↑Gerhard Schmidt: Malerei bis 1450. In: Karl M. Swoboda (Hrsg.): Gotik in Böhmen. Prestel, München 1969, S. 167–321. Eine andere Namensgebung zum Beispiel bei Josef Krasa: Die Handschriften König Wenzels IV. Forum-Verlag, Wien 1971. Vgl. dazu auch Marcel Thomas, Gerhard Schmidt: Die Bibel des Königs Wenzel. Akademische Druck- und Verlags-Anstalt, Graz 1989.
Julius von Schlosser: Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Band XIV, 1893, S. 214–251, 266–269 (Digitalisat)
Josef Krasa: Die Handschriften König Wenzels IV. Forum-Verlag, Prag 1971.
Franz Josef Andorf: Die Wenzelsbibel. Eine sprachgeschichtliche Studie. Dissertation, Freiburg im Breisgau 1983.
Klaus Priptsch: Mittelalterliche Buchmalerei am Beispiel der Wenzelsbibel in Faksimile. Ohne Verlag, Duisburg 1988.
Marcel Thomas, Gerhard Schmidt: Die Bibel des Königs Wenzel. ADEVA, Graz 1989, ISBN 3-201-01490-7.
Horst Appuhn: Wenzelsbibel: König Wenzels Prachthandschrift der deutschen Bibel. Harenberg, Dortmund 1990, ISBN 3-611-02001-X.
Katharina Hranitzky: Die schönsten Bilder aus der Wenzelsbibel. ADEVA, Graz 1998, ISBN 3-201-01700-0.
Ingo F. Walther, Norbert Wolf: Codices illustres, die schönsten illuminierten Handschriften der Welt, 400–1600; Taschen Verlag, Köln 2005; 504 S., ill.; S. 242–247 «Die Bibel des Königs Wenzel».
Ulrike Jenni, Maria Theisen: Mitteleuropäische Schulen. IV (ca. 1380–1400): Hofwerkstätten König Wenzels IV. und deren Umkreis (= Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse. Band 458 (Veröffentlichungen zum Schrift- und Buchwesen des Mittelalters. Band I,13). 2 Bände, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2014, Textband S. 158–212 (Nr. 5), Tafel- und Registerband Abb. 144–192 (Textband online, Tafel- und Registerband online).
Rudolf Hopmann: König ohne Kaiserkrone oder Eine Bibel für den Papst – Die (Bilder)Sprache der Wenzelsbibel. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2015, ISBN 978-3-89870-876-0.