Die Bahnstrecke Orbe–Chavornay des VerkehrsunternehmensTravys (Transports Vallée de Joux–Yverdon-les-Bains–Ste-Croix) ist eine normalspurigeEisenbahnstrecke in der Schweiz die umgangssprachlich auch als Ottawa–Chicago[1] bezeichnet wird. Bei Eröffnung im Jahr 1894 war sie die erste elektrisch betriebene Normalspurbahn des Landes und gehörte ursprünglich den Usines de l’Orbe (UO). Diese betrieben die Strecke fast 100 Jahre unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung, 1992 lagerten sie das Eisenbahngeschäft in die neu gegründete Tochtergesellschaft Orbe–Chavornay-Bahn (OC) französisch: Chemin de fer Orbe–Chavornay aus. Im Jahr 2008 wurde die OC durch Fusion in das Unternehmen Travys integriert und aufgelöst.
Ab 7. Mai 1855 fuhren die ersten Züge der Compagnie de l’Ouest Suisse von Bussigny-près-Lausanne nach Yverdon durch die Orbe-Ebene und hielten in Chavornay. Der etwa vier Kilometer abseits von Chavornay gelegene Bezirkshauptort Orbe aber hatte keinen Eisenbahnanschluss. Als sich dort die Industrie mit Mühlen und einer Nestlé-Fabrik vergrösserte, musste ein geeigneter Anschluss gefunden werden.
Usines de l’Orbe
Die Usines de l’Orbe waren ein vom 5. Februar 1892 bis zum 25. Mai 2012 bestehendes Unternehmen zur Elektrizitätserzeugung mit Wasserkraftwerken am Fluss Orbe, im Raum Orbe.[2] Die Firma wurde durch die VOé production in Vallorbe übernommen, womit die Wasserkraftkraftwerke im Raum Orbe–Vallorbe am Fluss Orbe in ein Unternehmen zusammengefasst wurden.[3]
Chemin de fer Orbe–Chavornay bis 2008
Am 17. April 1894 wurde die Stichbahn von Orbe nach Chavornay eröffnet. Da das Trassee vor dem Endbahnhof Orbe auf kurzer Distanz mit 30 Promille ansteigt, und der Eigentümer selbst Strom erzeugte, wurde die elektrische Traktion gewählt. Man wählte Gleichspannung mit 600, später 700 Volt. Die anfänglich vorhandenen zwei Triebwagen Ce 2/2 und CFe 2/2 sowie der Gütertriebwagen Fe 2/2 bezogen ihren Strom zunächst mit Rollenstromabnehmern von der Fahrleitung, und ihre zwei Motoren leisteten 70 Pferdestärken (51,5 kW). Der Personenverkehr war bescheiden, aber der starke Güterverkehr verlangte bald noch stärkere Triebfahrzeuge. 1902 beschaffte man daher einen doppelt so leistungsfähigen Gütertriebwagen, den Fe 2/2 32.
Am 1. Juni 2003 übernahm Travys die Geschäftsleitung und in der Folge die Aktien von den Usines de l’Orbe. Von diesen wird auch der Bahnstrom bezogen. Im Jahr 2008 wurde die Gesellschaft durch Fusion vollständig in das Unternehmen integriert.[4]
Bahnhof Orbe mit BDe 4/4 13 (vorn), seit 2017 bei der Buckower Kleinbahn im Einsatz
Bahnhof Orbe mit Triebwagen Be 2/2 14 am Hausbahnsteig, 2008
Der einzige noch vorhandene Personentriebwagen, der Be 2/2, erlitt 2021 einen Schaden und konnte nicht mehr eingesetzt werden. Seit Juli 2022 wickelt Travys den Personenverkehr mit zwei von der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft übernommenen Triebwagen der Serie GT8-100C/2S ab, den Güterverkehr mit einer Elektrolokomotive und drei Diesellokomotiven.
Im Zusammenhang mit der Umstellung der Stromversorgung wird die Strecke so in den Bahnhof Chavornay eingebunden, dass direkte Züge des RER Vaud von Lausanne nach Orbe verkehren können. Dazu wird sie auf etwa einem Kilometer neu trassiert und zweigleisig ausgebaut. Die Stationen Les Granges, St-Eloi und Orbe erhalten 110 Meter lange Perrons. Die Bauarbeiten beginnen im Sommer 2024 und dauern bis Ende 2026.[5]
Infrastruktur
In Orbe befinden sich ein Depot und eine Werkstätte, in Les Granges (Orbe) eine einfache Remise.
Fahrzeuge
Diese Liste ist nicht aktuell, es fehlen die aktuellen Diesellokomotiven und die kurzzeitig vorhandenen SBB Em 3/3.
Von der OC beziehungsweise Travys eingesetzte Fahrzeuge
Heute in der Sammlung des VHS, CFe 2/2 11 in Orbe, 1967
Triebwagen Be 2/2 14 in Les Granges (Orbe), 2003
Fe 2/2 32, Tm 238 305 und X 42 im Bahnhof Orbe, 2017
Be 4/8 003 und 004 (1994) GT8-100C/2S, Gelenktriebwagen, 94800 450 003-9D-TVYS und 94800 450 004-7D-TVYS, 2022 von der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft erworben (ehemals Nr. 819 und 820, bis 2019 DB Regio)[6]
Personenwagen
C2 12 (1894), ehemals C 21, 1980 verkauft an Rive-Bleue Express, nach dessen Liquidation 2005 an den Verein Historische Mittel-Thurgau-Bahn (VHMThB) abgegeben
C2 21 (1894) 1980 verkauft an Rive-Bleue Express, 2005 an Verein Historische Mittel-Thurgau-Bahn, Weiterverkauf an Privat, abgestellt seit ca. 2014 im Locorama Romanshorn, desolater Zustand
C2 22 und C2 23 (1895/1862), ehemals SBB A 251 und 253, ehemals Jura-Simplon-Bahn A 11 und 13, 1958 abgebrochen
C2 24 (Umbau 1918), ehemals Ce 2/2 1 (1894), 1980 verkauft an Rive-Bleue Express, nach dessen Liquidation 2005 an den Verein Historische Mittel-Thurgau-Bahn abgegeben, Weiterverkauf an Privat, abgestellt seit ca. 2014 im Locorama Romanshorn, desolater Zustand
C2 25 (1892/1950), ehemals SiTB C 22, 1986 verkauft an Rive-Bleue Express, nach dessen Liquidation 2005 an die Zürcher Museums-Bahn (ZMB) abgegeben
Br4 26 (1955/1987/1994), ehemals B 26, ehemals SBB B 20-33 024, ehemals SBB 5937, 2007 Verkauf an Verein RVT-Historique
Steuerwagen
Bt 51 La Sihl (1960/2006), ehemals Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn Bt 912, ursprünglich Uetlibergbahn Bt 17
Gütertriebwagen und Rangierlokomotiven
Fe 2/2 31 (1894), ehemals Fe 2/2 1, 1947 abgebrochen
De 2/2 33 (1921) SWS / MFO, 1987 verkauft an Rive-Bleue Express (REB), Einsatz auf einem Abschnitt der Tonkin-Linie, dort Packwagen, 2006 nach Achsschaden bei Überführungsfahrt zum neuen Besitzer der Zürcher Museums-Bahn (ZMB) abgebrochen
Ee 2/2 1–2 (1970), Elektrolokomotive (vorgesehene Nummern Ee 927 601 und Ee 927 602)
Em 3/3 3 (1985) Henschel DHG 700 C, Diesellokomotive (vorgesehene Nummer Em 837 603), Em 98 85 5837 803-6 CH-TVYS, Fabriknummer: 32724
Am 4/4 706 (2004) Vossloh G 1000 BB, Diesellokomotive (vorgesehene Nummer Am 842 705-6), Am 98 85 5842 705-6 CH-TVYS, Fabriknummer: 5001533, 2016 von der 2015 stillgelegten Raffinerie Collombey (Tamoil RSO Services) übernommen
Em 4/4[7] 601 (1960) Brissonneau & Lotz, Diesellokomotive, Em 92 85 8846 601-3 CH-TVYS, ehemals Scheuchzer Em 4/4 80 8597 70 002-6 Gazelle, ehemals SBB Em 4/4 1110, ursprünglich Bassin du Nord et du Pas-de-Calais
Tm 238 305 (1965) Raco, 2000 von der Pont–Brassus-Bahn (PR) übernommen, 2006 Transfer unter der TRAVYS auf die Strecke Chavornay–Orbe, ursprünglich SBB Tm I 328
X3 43 (1910/1970/1997), Begleitwagen zu Br 26, ehemals SBB-Mannschaftswagen (Rottenküche) X 40 85 96 32 237-5, ehemals SBB 95564
Von den anschliessenden Industrieunternehmen eingesetzte Fahrzeuge
Port-franc et Entrepôts de Lausanne-Chavornay (PESA), Chavornay
Die Firma PESA ist ein Logistikdienstleister. Sie hat Lagerhäusern die auch als Zollfreilager genutzt werden und bietet für den nationalen wie auch internationalen Transport von Gütern Dienstleistungen an, inklusive Verzollung.[8] Am Standort der PESA in Chavornay gibt es eine Schweizerische Inlandzollstelle.[9]
Tm 237 962-6 Zabett (1990) Schöma, Tm 98 85 5237 962-6 CH-TVYS diesel-hydraulische Werklokomotive, 2000 von Lipton-SAIS, Horn. Unterhalt durch die Werkstätte der OC beziehungsweise Travys in Orbe.[10]
Literatur
Peter Willen: Lokomotiven der Schweiz, Normalspur Triebfahrzeuge. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1975, ISBN 3-280-00800-X
Michel Dehanne, Michel Grandguillaume, Gérald Hadorn, Sébastien Jarne, Anette Rochaix und Jean-Louis Rochaix: Voies normales privées du pays du Vaud. BVA, Lausanne, 1997, ISBN 2-88125-010-6
Michel Dehanne, Michel Grandguillaume, Gérald Hadorn, Sébastien Jarne, Anette Rochaix und Jean-Louis Rochaix: Chemins de fer privés vaudois 1873–2000. La Raillère, Belmont 2000, ISBN 2-88125-011-8.
Jean-Louis Rochaix, Sébastien Jarne, Gérald Hadorn, Michel Grandguillaume, Michel Dehanne und Anette Rochaix: Chemins de fer privés vaudois 2000–2009, 10 ans de modernisation. La Raillère, Belmont 2009, ISBN 978-2-88125-012-5.