Rhenania führt die Farben „blau-weiß-rot“[1] mit goldener[2]Perkussion. Dazu wird eine dunkelblaue Mütze[3] mit weiß-rotem Rand und weißer Paspel getragen. Rhenania hat wie alle SC-Corps in Heidelberg kein Fuchsenband, die Füchse tragen nur die Mütze, allerdings mit blau-weiß-blauem Rand.[4]
Geschichte
Rhenania I–III, Hassia, Nassovia
Die älteste sicher nachweisbare Rhenania in Heidelberg (Rhenania I) wurde am 23. Juli 1802 durch Mitglieder der Rhenania Gießen gestiftet. Sie stand auf landsmannschaftlicher Basis und agitierte gegen die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestehenden, freimaurerisch beeinflussten Studentenorden, wurde gleichwohl um 1804 durch Mitglieder des Heidelberger Constantistenordens unterwandert.
1803 schlossen sich Rhenania und die 1803 gestiftete Franko-Badenia zu einem Senioren-Convent (SC) zusammen und vereinbarten den ältesten überlieferten Heidelberger SC-Comment. Beide waren nach einem Konflikt zwischen Studentenschaft und Militär im Juli 1804 maßgeblich am Auszug der Studentenschaft nach Neuenheim beteiligt.[5] Im Dezember 1804 kam es zu tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen den Heidelberger Renoncen und Constantisten. Infolge der Untersuchungen durch die akademischen Behörden lösten sich beide Landsmannschaften im Frühjahr 1805 auf. Drei Rhenanen (Morgenstern, Wenz, Bayer) beteiligten sich am 19. Mai 1805 an der Stiftung der Landsmannschaft Palatia (I). Aus den Resten der alten Rhenania konstituierten sich im August des Jahres die beiden zunächst noch eng miteinander verbundenen Landsmannschaften der Oberrheiner (Farben: rot-blau-weiß mit Silber) und Niederrheiner (rot-blau-weiß mit Gold).
Nach der Reorganisation der Universität unter Kurfürst/Großherzog Karl Friedrich von Baden kam es ab 1805 zu einem Zuzug zahlreicher auswärtiger Studenten, die neue, zum Teil nur kurzlebige Landsmannschaften stifteten (Suevia, Guestphalia, Curonia, Vandalia, Hannovera, Holsatia, Hanseatia, Helvetia, Saxo-Borussia u. a.). Sie vereinbarten 1806 einen neuen Comment, der den einzelnen Landsmannschaften feste Rekrutierungskantone zuwies. Die Aufteilung erfolgte auf der Grundlage der Grenzziehung des Friedens von Lunéville (1801) bzw. des Friedens von Preßburg (1805). Die Niederrheiner erhielten Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Nassau, Waldeck und die thüringischen Staaten. Ihr Bezirk grenzte im Norden an das Herzogtum Berg, das Herzogtum Westfalen, an Paderborn, das Göttingische und das Eichsfeld, im Osten an Sachsen und Würzburg, im Süden an Wertheim, Leiningen, Erbach und die Unterpfalz und im Westen an den Rhein. Die Oberrheiner erhielten Frankreich einschließlich der ehemals deutschen Departements links des Rheins, Baden mit Ausnahme des oberen Fürstentums am Bodensee und die in Schwaben liegenden badischen Besitzungen, die Schweiz und Franken, soweit es nicht zu Bayern gehörte.[6]
Bei einer Spaltung des Heidelberger SC wurde 1810 erstmals der Begriff Corps für eine Gruppe der dortigen Landsmannschaften verwendet, darunter die Niederrheiner, die später zur einheitlichen Bezeichnung Rhenania zurückkehrten und vermutlich bald nach den Befreiungskriegen ihre Auflösung vollzogen.
1818 erfolgte die Stiftung des Corps Hassia I, das sich zwei Jahre später in Rhenania II umwandelte.[7] Im Stiftungsprotokoll wurde explizit festgehalten, dass man sich als Fortführung der Rhenania von 1802 versteht. Die Phase der Rhenania II fällt in die politisch aufgeheizte Zeit des Vormärz. Zu ihren Mitgliedern gehörten zahlreiche badische und pfälzische Liberale wie Friedrich Wilhelm Knoebel, Ludwig Frey (beide Teilnehmer am Hambacher Fest[8]), Friedrich Hecker (Führer der Revolution in Baden) und Joseph Martin Reichard (Präsident der provisorischen Regierung der Pfalz). Infolge der Ereignisse um den Karzersturm und Auszug der Heidelberger Studentenschaft nach Frankenthal (nach Differenzen mit der Heidelberger Museumsgesellschaft über den Mitgliederstatus von Studierenden, 14. August 1828) erging eine dreijährige Verrufserklärung gegen die Universität, die der SC wenig später zurücknahm.[9] Rhenania II bestand bis zum 3. November 1833.
An ihrer Stelle stifteten im Juli 1836 Mitglieder der 1829 gegründeten Hassia II das Corps Rhenania III (bis 1842).[7]
Im November 1838 stifteten auswärtige Corpsstudenten, namentlich Mitglieder der Nassovia Göttingen, das Corps Nassovia II, das seinen Nachwuchs vornehmlich aus dem Gymnasium in Weilburg rekrutierte.[10] Außer zu Nassovia Göttingen trat Nassovia in engere Beziehungen zu den beiden anderen nassauischen "Landescorps" Hasso-Nassovia Marburg und Nassovia Würzburg, pflegte aber auch einen regen Austausch mit dem Corps Rhenania in Bonn.
Rhenania IV
Das Revolutionsjahr 1849 wurde auch zum Stiftungsjahr der heute noch bestehenden Rhenania IV. In bewusster Abkehr von der deutschen Kleinstaaterei lösten die Aktiven der Nassovia das Corps am 15. Januar 1849 auf und stiften am gleichen Tag eine neue Rhenania (IV). Verfassung, Wahlspruch („Virtuti semper corona!“) und Tradition der Nassovia wurden übernommen. Der Einzugsbereich weitete sich in den folgenden Jahren über ganz Deutschland aus. Zu den Corpsangehörigen zählten auch Studenten aus dem europäischen Ausland und aus Übersee (Schweiz, Griechenland, England, Vereinigte Staaten, Kanada und Südafrika). Das Corps Rhenania gehört als Mitglied des Heidelberger SC seit seiner Stiftung dem 1848 gegründeten Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) an. 1872 war Rhenania präsidierendes Vorortcorps und stellte auch 1868 und 1877 Kösener Vorortsprecher.
Die Zeit des Kaiserreichs gilt als "Blütezeit" des Corpsstudententums. Im Gegensatz zu den SC-Corps Saxo-Borussia, Guestphalia und Vandalia, in deren Altherrenschaften ostelbische, hannoversche und mecklenburgische Großagrarier und Beamte dominierten, entwickelte sich Rhenania in dieser Phase zum Corps der Großindustrie und des Kapitals mit Rekrutierungsschwerpunkten im Rhein-Ruhr-Gebiet, in Frankfurt, Hamburg und im mitteldeutschen Industrierevier. Rhenania gehörte damit zu den Corps, die als "besonders exklusiv" eingestuft wurden.[11]
1875 wurden erstmals gedruckte „Corpschroniken“ (Semesterberichte) an die auswärtigen Mitglieder (Alten Herren) verschickt. 1882 erkannten die letzten lebenden Alten Herren der Rhenania II das bestehende Corps als rechtmäßigen Nachfolger der alten Rhenania von 1802/20 an. Noch lebende Mitglieder der Rhenania III und Nassovia II wurden in das Corps übernommen.
Während des Ersten Weltkrieges wurde der Aktivenbetrieb 1914 bis 1919 eingestellt. Von der Politisierung der Studentenschaft in der Frühzeit der Weimarer Republik war das Corps kaum betroffen. Der Heidelberger SC pflegte seine selbstgewählte Isolierung und schottete sich gegenüber Einflüssen aus der übrigen Studentenschaft weitgehend ab.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte wohl zunächst ebenso wenig Einfluss auf den Corpsbetrieb. Die Umsetzung der Arierbestimmungen nach den Richtlinien des Allgemeinen Deutschen Waffenring im Frühjahr 1934 wurde allerdings durchgeführt.[12] Am 8. September 1935 wurde durch den Ausschluss des KSCV aus der „Gemeinschaft studentischer Verbände“ durch den Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers die Auflösung des Verbandes eingeleitet. Nach dessen Ende beschloss auch das Corps Rhenania die Suspension. Die Beteiligung an der Heidelberger SC-Kameradschaft „Axel Schaffeld“ war verhalten, beschränkte sich auf finanzielle Zuwendungen und wurde mit Kriegsende 1945 eingestellt. Personelle und organisatorische Schnittstellen zwischen Kameradschaft und Corps wie in anderen Universitätsstädten gab es nicht.
Die Feier des 100. Stiftungsfestes durch die Altherrenschaft fand 1949 in einem den Zeitumständen entsprechenden Rahmen statt. Im gleichen Jahr bildete sich der durch den Verein Heidelberger Rhenanen protegierte „Rheinländerkreis“, der zum Teil Formen des früheren Corps fortführte, aber auch neue Ansätze für zeitgemäßes studentisches Zusammenleben suchte. Am 3. Mai 1951 beschloss die Altherrenschaft die Integration des Rheinländerkreises in das Corps und damit dessen Rekonstitution. In den 1950er Jahren war Rhenania Initiator der Gründung der Heidelberger Interessengemeinschaft (HIG), dem Zweckverband der schlagenden Korporationen am Ort. Nach einer separaten Übereinkunft des SC mit der Universität kam es 1958 zum Bruch mit der HIG. Seither geht der SC eigene Wege.
In den 1870er und 1880er Jahren betrieb Rhenania eine rege Verhältnispolitik und knüpfte bis zum Ersten Weltkrieg offizielle Beziehungen zu zahlreichen Corps in anderen Universitätsstädten an, u. a. in Bonn, Gießen, Marburg, Freiburg, Tübingen, Würzburg, München, Jena, Leipzig, Halle, Breslau, Göttingen, Berlin, Straßburg und Zürich. Da sich das Corps nicht auf eine bestimmte Richtung innerhalb des Verbandes festlegen wollte, trat ab 1900 eine Stagnation und nach dem Ersten Weltkrieg eine regelrechte Isolation ein, die erst kurz vor der Suspension überwunden werden konnte. Heute unterhält das Corps befreundete Beziehungen zu den Corps Suevia Freiburg, Hasso-Nassovia, Nassovia Würzburg und Tigurinia.
Corpshäuser
Nachdem das Corps in wechselnden Heidelberger Gasthäusern gekneipt hatte (u. a. im Seppl, zuletzt im Gasthaus Weinberg am Marktplatz), erfolgte 1882 der Ankauf des barocken Stadthauses in der Hauptstraße 231, das sich früher im Besitz des Theologen Carl Daub und seines Schwiegersohns Wilhelm Theophor Dittenberger befunden hatte, als Corpshaus und die Gründung der „Rheinländischen Gesellschaft AG“ als Träger.
Als das alte Haus dem gewandelten Repräsentationsbedürfnis nicht mehr genügte, wurde es abgerissen und in den Jahren 1906 bis 1909 nach Plänen des kgl. bayerischen Hofoberbaurats Eugen Drollinger (München) in einer Mischung aus neobarocken und Jugendstilelementen das heutige Corpshaus errichtet. Es ist der einzige Jugendstilbau in der Heidelberger Hauptstraße.[14] Zugleich erfolgte der Kauf des hinter dem Garten gelegenen Hauses Neckarmünzgasse 14 und dessen Ausbau zum Studentenwohnheim.
Regierender Bürgermeister von Frankfurt am Main, Naturforscher und Sammler, Entomologe, Mitbegründer der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft
Badischer Staatsrat, Präsident des badischen Justizministeriums und der badischen Oberrechnungskammer, Oberhofgerichtskanzler in Mannheim, Mitglied des Erfurter Unionsparlaments und der Ersten und Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung
Gutsbesitzer, Weinbaulobbyist und Politiker, Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, des Rheinischen Provinziallandtags und des preußischen Staatsrats
Politiker, Publizist, Schriftsteller, Führer der hessischen Fortschrittspartei, Mitglied des Reichstages (nationalliberal), Chefredakteur der „Nationalzeitung“ in Berlin
Politiker, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, Oberpräsident von Westpreußen, Oberbürgermeister von Königsberg, Ehrenbürger von Danzig und Elbing
Industrieller, Präsident der deutsch-belgisch-luxemburgischen Handelskammer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Münster, Mitglied des Vorstandes des deutschen Industrie- und Handelstages
Gr. Hessischer Wirklicher Geheimer Rat, Gesandter und außerordentlicher Bevollmächtigter zum Bundesrat für Hessen-Darmstadt, Lippe und Schaumburg-Lippe
Direktor und Miteigentümer der Danziger Eisen-Handelsgesellschaft mbH, Generaldirektor der Polnisch-Danziger Eisenkonzern AG, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Eisenhandel AG in Berlin, Vorsitzender des Finanzrats der Freien Stadt Danzig, Aufsichtsratsvorsitzender Bank von Danzig
Oberamtmann, Amtsvorstand der Bezirksämter Pfullendorf, Engen, Tauberbischofsheim und Offenburg, Vorsitzender des Vorstands der badischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversicherung
Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Mitglied des Reichstages, Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, bedeutender Vertreter des Kolonialrevisionismus in der Weimarer Republik
Paul Bertololy: Alt-Heidelberg – ewiger Studententraum, 1962, Neudruck 1997 (Novelle. Freie Bearbeitung der Ereignisse um den Tod des Rhenanen Carl Specht, der 1855 im Duell fiel)
Florian Hoffmann: 100 Jahre Heidelberger Rhenanenhaus. Geschichte – Architektur – Umfeld. 1909–2009, Heidelberg 2009
Richard August Keller: Beiträge zur Geschichte der ersten Heidelberger Landsmannschaften. 1802–1806, Diss., Heidelberg 1914
Berthold Kuhnert: Geschichte des Corps Rhenania Heidelberg 1802–1869, 1913, ND Heidelberg 1997
Werner Lamprecht, Peter Kutter (Hrsg.): 150 Jahre Corps Rhenania Heidelberg 1849–1999, Heidelberg 1999
[Gerhard Müller]: Mitgliederverzeichnis des Corps Rhenania Heidelberg einschließlich seiner Vorverbindungen 1802–1999, Heidelberg 1999
Albert Trapp: 112 Jahre Rhenania Heidelberg. [Köln 1960]
↑Ernst-Günter Glienke: Civis Academicus. Handbuch der deutschen, österreichischen und schweizerischen Korporationen und studentischen Vereinigungen an Universitäten und höheren Schulen. Jahrgang 1996, Lahr 1996, S. 121.
↑Eckhard Oberdörfer: Der Heidelberger Karzer. Köln 2005, S. 159, ISBN 3-89498-132-6.
↑Erwähnt in: Mark Twain: Bummel durch Deutschland. Kapitel 4: Studentenleben. Die fünf Korps. München 2006, S. 35.
↑Deutscher Universitäts-Kalender. Winter-Semester 1913/14. Leipzig 1913, S. 149.
↑Richard August Keller: Beiträge zur Geschichte der ersten Heidelberger Landsmannschaften 1802–1806. Heidelberg 1914, S. 12–22
↑Richard August Keller: Beiträge zur Geschichte der ersten Heidelberger Landsmannschaften 1802–1806. Heidelberg 1914, S. 35
↑ abFritz Groos: Die 4 Hassia zu Marburg, Göttingen, Gießen und Heidelberg, ihre Zusammenhänge und ihre Geschichte. Einst und Jetzt, Bd. 3 (1958), S. 102–118.
↑Edgar Süß: Die Pfälzer im "Schwarzen Buch". Ein personengeschichtlicher Beitrag zur Geschichte des Hambacher Festes, des frühen pfälzischen und deutschen Liberalismus. Heidelberg 1956, S. 49 und 78
↑Florian Hoffmann: "Burschen heraus!" - Der Auszug der Heidelberger Studentenschaft nach Frankenthal im Jahre 1828. In: Frankenthal einst und jetzt 1/2, 2000, S. 48–51
↑Klaus Vassel: Nassovia-Heidelberg - Beitrag zur Corpsgeschichte. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 28 (1983), S. 131–142.
↑Detlev Grieswelle: Zur Soziologie der Kösener Corps 1870–1914. In: Christian Helfer, Mohammed Rassem (Hrsg.): Student und Hochschule im 19. Jahrhundert. Göttingen 1975, S. 356 ff.
↑Michael Wiest: Wo sich Corpsgeschichte und Zeitgeschichte begegnen. In: Werner Lamprecht, Peter Kutter (Hrsg.): 150 Jahre Corps Rhenania Heidelberg 1849–1999. Heidelberg 1999, S. 118–125.
↑Horst Schiller: Vom alten zum neuen Corpshaus. In: Werner Lamprecht, Peter Kutter (Hrsg.): 150 Jahre Corps Rhenania Heidelberg 1849–1999, Heidelberg 1999, S. 64–78