Die Entwicklung des Ortes verlief sehr wechselvoll. Bis zum 18. Jahrhundert dominierte die Landwirtschaft. Die Lage des Ortes in den Auenbereichen der Pleiße 25 km südlich der Stadt Leipzig bot günstige Voraussetzungen für diese bäuerliche Tätigkeit. Gleichzeitig begünstigte dieser Landschaftsbereich vor Millionen Jahren die Entstehung der Braunkohle, so dass nach anfänglichen geringen Schürfungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts um 1900 die industrielle Nutzung der Braunkohle begann. Der Bau eines Braunkohlewerks in Deutzen zog Menschen aus unterschiedlichen Gegenden Deutschlands an – darunter bemerkenswert viele Bayern. Die Folge war, dass im Zeitraum von 1910 bis 1968 die Einwohnerzahl von 350 auf 4300 anstieg. Der Braunkohleabbau bewirkte in der Gemeinde einen Wandel der örtlichen Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur von der Land- zur Industriegemeinde. Seit 1918 besitzt der Ort einen Halt an der Bahnstrecke Leipzig–Hof. Im Jahr 1934 wurde das Dorf Röthigen eingemeindet. 1958 wurde die Pleiße 1000 Meter nach Westen verlegt. Das ursprüngliche Flussbett bildete die Grenze zwischen den Ortsfluren Deutzen und Görnitz, das neue Flussbett verläuft mittig durch den Ort Deutzen. 1964/1965 wurde der alte Ortskern von Deutzen durch den Braunkohletagebau Borna-Westdevastiert. Das heutige Deutzen wurde westlich des alten Orts auf dem ausgekohlten Gelände des 1960–1963 geschlossenen Tagebaus Deutzen (Kraft II) errichtet. Die Fläche von Alt-Deutzen wird heute durch das Speicherbecken Borna eingenommen, im Volksmund Adria genannt, das mit Wasser der Pleiße zwecks Hochwasserschutz gespeist wird.
Nach langjährigen Verhandlungen wurde die Gemeinde Deutzen zum 1. Juli 2014 nach Neukieritzsch eingegliedert.[3]
Tagebau Deutzen
1910/1911 erfolgte der Aufschluss des Tagebaus Deutzen westlich des Orts. Zeitgleich erfolgte östlich davon der Aufschluss des Abbaufelds „Borna-Nord“ des Tagebaus Borna-West (Betriebszeit 1910–1942), dessen Abbaufeld „Borna-Süd“ wurde zwischen 1939 und 1970 betrieben. Im südlich anschließenden „Tagebau Regis III“ erfolgte der Kohleabbau zwischen 1937 und 1941,[4][5] im nördlich anschließenden Tagebau Witznitz II im Abbaufeld 1 zwischen 1946 und 1961.[6]
1930 entstanden einerseits 113 Bergarbeiterwohnungen auf bereits ausgekohltem Gelände, andererseits mussten 13 Grundstücke und Bauernhöfe dem Tagebau Deutzen weichen. Der Ort Bergisdorf, seit 1948 Ortsteil von Lobstädt, wurde 1951 abgebrochen.[7] Zwischen 1960 und 1963 musste die Pleiße wegen Rutschungen notverlegt werden, kurze Zeit darauf wurde der Betrieb im Tagebau vollständig eingestellt. Auf dem rekultivierten Areal wurde Mitte der 1960er Jahre nördlich von Röthigen der Ort Neu-Deutzen angelegt, da das östlich gelegene Alt-Deutzen zwischen 1961 und 1963 durch den vorrückenden Tagebau Borna-West ausgesiedelt und 1966/1967 überbaggert wurde.
Kohlewerk „Kraft II“
In der gleichen Zeit wie der Aufschluss des Tagebaus Deutzen entstand 1910 das Braunkohlewerk „Kraft II“.[8] Am 25. Mai 1912 wurde die Brikettfabrik Deutzen eröffnet. Die Schwelerei wurde nach einjähriger Bauzeit im Jahr 1937 in Betrieb genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Braunkohlewerk am 1. August 1946 als „Kombinat Deutzen“ in die Sowjetische Aktiengesellschaft mit dem Namen „SAG Brikett“ eingegliedert. Die Anlagen wurden auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration auf schnellsten Weg instand gesetzt und auf volle Leistung gebracht. 1952 erfolgte die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb. 1968 wurde das Kombinat Deutzen in das Kombinat Regis eingegliedert. Mit der Stilllegung der Schwelerei Deutzen im Jahr 1974 verblieben nur noch die Brikettfabrik und das Kraftwerk als produzierende Betriebe. Letzteres wurde 1980 Teil des Braunkohlekombinats Bitterfeld. 1990 wurde das Werk in die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft eingegliedert. Die Brikettfabrik wurde 1992 stillgelegt. Nach dem Abriss von Brikettfabrik und Kraftwerk im Jahr 1992 erfolgte bis 2012 die vollständige Sanierung des Areals durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft.
Gedenkstätten und Sehenswürdigkeiten
Gedenkstein für den Ort Alt-Deutzen, durch einen Tagebau zerstört
Grabstätten auf dem Ortsfriedhof für einen polnischen Kriegsgefangenen und einen italienischen Militärinternierten, die während des Zweiten Weltkrieges Opfer von Zwangsarbeit wurden.
Nach Konrad von Parzham benannte katholische Kirche, 1954–1956 mit Holz aus dem Bayerischen Wald erbaut,[9] der Ökokirche Deutzen e. V. kümmert sich um die Nachnutzung des Gebäudes[10]
Wasserturm im Ortsteil Röthigen, errichtet 1955 als Ersatz für den Wasserturm des durch den Tagebau Borna-West abgerissenen Dorfes Blumroda[11]
Wasserkugel, ehem. Hochbehälter der Brikettfabrik, 1938 von Gräfenhainichen umgesetzt[12]
Richard Steche: Deutzen. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 15. Heft: Amtshauptmannschaft Borna. C. C. Meinhold, Dresden 1891, S. 16.
Christliches Umweltseminar Rötha e. V., Kulturbüro Espenhain, Heimatverein Regis-Breitingen und Umgebung e. V. (Hrsg.): Erinnerungen an die Dörfer Blumroda, Hartmannsdorf, Görnitz, Deutzen und Schleenhain. Regis-Breitingen 1996, ISBN 3-930044-07-2.
Weblinks
Commons: Deutzen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Deutzen im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen