Geprägt von Christoph Blumhardt begann Thurneysen 1907 das Studium der Evangelischen Theologie in Basel (u. a. bei Paul Wernle), das er in Marburg und Zürich (u. a. bei Hermann Kutter und Leonhard Ragaz) fortsetzte. Während des Studiums war er von 1911 bis 1913 Hilfssekretär des CEVI in Zürich. Ausserdem wurde er in dieser Zeit Mitglied im Schweizerischen Zofingerverein.[1] Nach dem Examen arbeitete er von 1913 bis 1920 als Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Leutwil im Aargau, wo er in enge Beziehungen zu Karl Barth in der Nachbargemeinde Safenwil trat. Von 1920 bis 1927 wirkte Thurneysen dann als Pfarrer in St. Gallen-Bruggen. Im Jahre 1927 wurde er von der Münstergemeinde in Basel zum Pfarrer gewählt. Hier wurde er ebenfalls 1927 zum Dr. theol. promoviert. 1929 wurde er Privatdozent und 1941 ausserordentlicher Professor für Praktische Theologie in Basel.
Thurneysen hat sich vor allem in der Seelsorge einen Namen gemacht. Sein Seelsorgeansatz kann als konsequente Umsetzung der Dialektischen Theologie gelten: Der Mensch kann von seiner Schuld beladenen Existenz nur durch den Zuspruch Gottes befreit werden, den der Seelsorger stellvertretend erteilt. Menschliche Bemühungen müssen grundsätzlich scheitern. Folgerichtig hat sich auch die Psychologie in der Seelsorge dem Zuspruch Gottes unterzuordnen. Sie kann nicht frei machen, sie wird lediglich als Werkzeug (Hilfswissenschaft) verstanden. Aufgabe des Seelsorgers ist es, seinen Klienten an einen Punkt zu führen, wo alle Selbstrechtfertigungen und Eigenbemühungen aufhören (Gesetzesgerechtigkeit) und er Gott wirken lässt (Gerechtigkeit aus dem Evangelium). Dieser Ansatz ist auch auf breite Ablehnung gestoßen. Dennoch findet seine Seelsorgelehre – vor allem in konservativen Kreisen – bis heute Beachtung.
Neben der Seelsorge haben auch seine gemeindenahen Auslegungen der neutestamentlichen Bücher und seine Analyse des schriftstellerischen Werkes Dostojewskis breite Wirkung entfaltet.
Das Wort Gottes und die Kirche. München : Ch. Kaiser 1927; Neuaufl. hrsg. von Ernst Wolf (Theologische Bücherei ; Bd. 44), 1971
Die Bergpredigt. (= Theologische Existenz heute. Heft 46.) Chr. Kaiser Verlag, München 1936.
Die Lehre von der Seelsorge, EA Zollikon-Zürich 1946, Zürich 19947. ISBN 3-290-11364-7
Praktische Seelsorge, Gütersloh 19782.
Christliche Unterweisung, Zürich 1947.
Seelsorge im Vollzug, Zürich 1968.
In seinen Händen. Grabreden, Neukirchen-Vluyn : Neukirchener Verlag, 1978, 2. Aufl. 1980
Die neue Zeit. Predigten 1913 - 1930. Hrsg. von Wolfgang Gern, Neukirchen-Vluyn : Neukirchener Verlag, 1982
Literatur
Gottesdienst-Menschendienst: Eduard Thurneysen zum 70. Geburtstag am 10. Juli 1958. 2 Bde. Zollikon: Evangel. Verl. 1958
Rudolf Bohren; Max Geiger (Hgg.): Wort und Gemeinde: Probleme und Aufgaben der praktischen Theologie. Eduard Thurneysen zum 80. Geburtstag. Zürich: EVZ 1968
Rudolf Bohren: Prophetie und Seelsorge: Eduard Thurneysen. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1982, ISBN 3-7887-0687-2
Sönke Lorberg-Fehring: Thurneysen – neu gesehen. Tectum-Verlag Marburg 2006, ISBN 978-3-8288-9192-0
Reijer Jan de Vries: Gods Woord verandert mensen. Een praktisch-theologisch onderzoek naar het veranderingsconcept in de pastorale theologie van Eduard Thurneysen. Narratio Gorinchem 2008, ISBN 978-90-5263-926-0