Ende Gelände sieht sich selbst als Teil der Bewegung für Klimagerechtigkeit und „für den globalen Erhalt der Umwelt und für gelebte Solidarität mit unseren Mitmenschen weltweit, insbesondere denen, die schon heute von der Klimakrise bedroht sind.“[1] Die Bewegung fordert einen sofortigen Kohleausstieg sowie einen „tiefgreifenden, sozial-ökologischen Wandel“ durch eine „Abkehr vom fossilen Kapitalismus“ („System Change not Climate Change“, „Systemwandel statt Klimawandel“[2]). Darin eingeschlossen ist die Forderung nach dem Erhalt der vom Braunkohletagebau bedrohten Dörfer.[3] Nach Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzes geriere sich die Berliner Ortsgruppe von Ende Gelände in ihrer Außendarstellung als Klimaschutz-Akteur, verschleiere aber, dass ihre tatsächlichen Ziele weit darüber hinausgingen.[4] Laut der Philosophin Eva von Redecker ist für das Aktionsbündnis Ende Gelände kennzeichnend, dass es „in direkten Aktionen zivilen Ungehorsams Umweltfragen mit Kapitalismuskritik“[5] verbinde.
Vorgehensweise und Aktionsform
Die Kampagne hat Stand Juli 2019 nach eigenen Angaben in Deutschland 59 lokale Gruppierungen, die u. a. bei der Mobilisierung für die Massenaktionen unterstützen, aber auch eigene kleinere Aktionen planen. Zusätzlich gibt es einzelne Gruppen in Belgien, Tschechien, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz.[6] Als Sprecherinnen von Ende Gelände treten u. a. Nike Mahlhaus und Sina Reisch in Erscheinung.
Als Aktionsform nutzt Ende Gelände laut eigener Darstellung „angekündigte Massenblockaden zivilen Ungehorsams“ als „symbolischen und bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen“ mit dem Ziel der „direkten Verhinderung einer Unrechtssituation“.[2] Grundlage für die Aktionen bilde ein Aktionskonsens, der festlegt, dass keine Gewalt von den Teilnehmenden ausgehen dürfe.[7][8]
Auf Bündnistreffen komme die Bewegung regelmäßig in unterschiedlichen Städten zusammen; die Arbeit sei in mehreren Arbeitsgruppen (AG) organisiert: Aktions-AG, Aktionslogistik-AG, Anti-Repressions-AG, Homepage-Redaktion, Camp-AG, AG Internationales, Sani-AG, Mobilisierungs-AG, Finanz-AG, Moderations-AG, Prozess-AG, Polizeikontakt-AG, Presse-AG, Kleingruppe „gegen Rechts“.[2] Laut Berliner Verfassungsschutz werden Gewaltanwendungen von dem Bündnis „zumindest billigend in Kauf genommen“[9] und „Angriffe auf Polizisten positiv bewertet“. Ende Gelände hat dem widersprochen.[10]
Das Bündnis sieht sich getragen „von Menschen aus den Anti-Atom- und Anti-Kohle-Bewegungen, aus den Vorbereitungsgruppen der Klimacamps in Rheinland und Lausitz, von der Waldbesetzung im Hambacher Forst, aus klimapolitischen Graswurzelinitiativen und Bürgerinitiativen, aber auch größeren Umweltorganisationen, aus linken Politgruppen und anderen“.[11] Die linksextreme Organisation Interventionistische Linke war nach Ermittlungen des Verfassungsschutzes „maßgeblich an der Organisation und Mobilisierung zu den Aktionstagen beteiligt“ und erwies „sich als zuverlässiger und aktiver Partner“ im Bündnis. Nach Angaben des Verfassungsschutzes „wertete auch die IL die Protestaktion als großen Erfolg und sieht Anknüpfungspunkte für weitere Aktionen“.[12]
Das Bündnis nutzt neben der Herausgabe von konventionellen Pressemitteilungen zur Kommunikation eine Vielzahl von Kanälen für die externe Kommunikation. Im Frühjahr 2022 erschien im Nautilus Verlag das Buch WE SHUT SHIT DOWN (Eigenschreibweise), das von einigen Aktivisten des Bündnisses geschrieben wurde und Ursprung, Entstehung, Prinzipien und Selbstverständnis des Bündnisses beschreibt.[13]
Nach eigenen Angaben finanziert sich die Arbeit des Bündnisses zu 100 Prozent aus Spenden. Neben Geld würden auch oft Materialien, Essen, Kleidung, Decken und andere Dinge gespendet.[14] Die Arbeit im Bündnis, das nicht als Verein eingetragen ist, geschieht ehrenamtlich, Honorare oder Lohnausgleiche werden nicht gezahlt. Ausgaben entstehen vor allem durch die Beschaffung von Demonstrationsmaterialien, Betrieb der Camp-Infrastruktur inklusive Verpflegung, Reisekosten und für Nutzung digitaler Infrastruktur. Ende Gelände entschädigt mit den erhaltenen Spenden auch Landwirte, deren Flächen durch Teilnehmer der Aktionen beschädigt wurden, z. B. während der Aktionen im Frühsommer 2019 mit Beträgen etwa „zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Euro pro Feld“.[15]
Am 12. Januar 2023 besetzten Aktivisten von Ende Gelände die Kreisgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen in Flensburg. Mit der Aktion sollte auf die Räumung des Dorfes Lützerath aufmerksam gemacht werden. Die Besetzung wurde noch am gleichen Tag wieder beendet.[18]
Alle Teilnehmerzahlen laut eigenen Angaben des Veranstalters.[2]
Einstufung durch den Verfassungsschutz und Kritik
Einstufung durch den Verfassungsschutz Berlin 2020
Der Berliner Verfassungsschutz verortet die 30 Mitglieder zählende Berliner Ortsgruppe des Bündnisses in seinem Jahresbericht 2019 im linksextremistischen Spektrum.[19] Die linksextremistische Interventionistische Linke bezeichne sich selbst als wesentlichen Bestandteil von Ende Gelände.[20]
Linksextremistische Akteure von Ende Gelände brandmarken laut Berliner Verfassungsschutz eine vermeintliche Tatenlosigkeit von Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft in Bezug auf die Klimaerwärmung. Sie würden dabei Frustrationserfahrungen von jungen Menschen nutzen, um eigene weitergehende Forderungen anzubringen und „die Klimakrise zu einer Krise des politischen Systems zuzuspitzen“.[21]
Gegen mehrere Personen aus den Reihen des Bündnisses wurde 2019 nach der Blockade des Tagebaus Garzweiler Ermittlungsverfahren u. a. wegen Hausfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Zahlreiche Aktivisten der Gruppierung wurden wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu Haftstrafen verurteilt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul übte in diesem Zusammenhang Kritik an den „gewalttätigen Aktionen aus den Reihen von ‚Ende Gelände‘“.[22]
Die Einordnung als linksextremistisch stieß in der rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin auf Kritik und mündete in der Forderung von Linkspartei und Grünen in Berlin nach Auflösung des Berliner Verfassungsschutzes.[23] Diese Forderung wird von den Bundesverbänden der Parteijugendorganisationen Grünen Jugend, der Linksjugend solid und den Jusos unterstützt.[24]
Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz 2024
Der bundesdeutsche Verfassungsschutz beobachtet Ende Gelände seit 2024 als linksextremistischen Verdachtsfall.[25][26] Er sieht eine Instrumentalisierung durch linksextreme Gruppierungen wie die Interventionistische Linke, Ende Gelände habe aber „sowohl auf struktureller als auch auf strategischer und ideologischer Ebene den unmittelbaren Einflussbereich der IL verlassen“. Der Verfassungsschutz hebt besonders die Veröffentlichungen We shut shit down und Überall Polizei, Nirgendwo Sicherheit – Kritik der Polizei hervor, in denen Ende Gelände die Überwindung der „kapitalistischen Gesellschaftsordnung“ und die Abschaffung von Polizei, wie anderen „Exekutivorgane[n] (‚Behörden‘) und [...] [der] Judikative (‚Gerichte‘)“ fordere. Er leitet daraus eine Einstufung als „linksextremistisch beeinflusst“ ab. Die Interventionistische Linke bekennt sich offen zur Mitarbeit an Ende Gelände. Das Aktionsbündnis selbst sieht sowohl darin als auch in der Forderung nach Überwindung des Kapitalismus keinen Bruch der Verfassung.[27][28][26][25]
Die Einstufung wurde auch als rechtswidrig kritisiert. Dies wird damit begründet, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung, entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zum Beispiel im NPD-Verbotsverfahren, durch das Bundesverfassungsschutzgesetz zu weit ausgelegt werde und folglich die radikalen Ansichten von Ende Gelände fälschlicherweise als Streben gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgelegt würden. Dabei wird auch betont, dass die Aktionsformen von Ende Gelände gewaltfrei seien.[35]
Sonstiges
Tadzio Müller, Mitbegründer von Ende Gelände, warnte 2021 im Spiegel vor einer Hinwendung zur Militanz, wenn die Klimaproteste ohne Wirkung blieben. Wer den Klimaschutz verhindere, schaffe „die grüne RAF“.[36]
↑Proteste rund um Lützerath gehen weiter: Aktivisten besetzen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Inden in NRW. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 25. März 2023]).
↑Konrad Litschko: Nach Einstufung durch Verfassungsschutz: Zuspruch für Ende Gelände. In: Die Tageszeitung: taz. 20. Juni 2024, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. Juni 2024]).