1841 errichteten Großbritannien und Preußen ein gemeinsames Bistum Jerusalem, das 1886 wieder aufgelöst wurde. Der deutschsprachige Teil des aufgelösten Bistums konstituierte sich selbständig als deutsche Gemeinde. Sie feierte ihre Gottesdienste anfangs in der 1849 erbauten Christuskirche, der Bischofskirche des Bistums Jerusalem, dann in der am 16. Juli 1871 als deutsch-evangelische Kapelle eingeweihten so genannten „Kreuzfahrerkapelle“ im ersten Stock des Kreuzgangs des mittelalterlichen Benediktinerklosters im Muristan, das Preußen erworben hatte.
1910 wurde südlich das Propsteigebäude angebaut und Teile des ehemals dort stehenden Benediktinerklosters mit einbezogen. Ein Teil dieser Räume dient heute als Gemeinderäume.
Der im November 2012 eröffnete archäologische Park „Durch die Zeiten“, der sich unter der Erlöserkirche befindet, bietet die Möglichkeit, mehr als 2000 Jahre der Geschichte Jerusalems zu begehen.
Am 22. Januar 2023 wurde mit Sally Azar zum ersten Mal eine Frau in einer Kirche ordiniert, die ihren Sitz im Nahen Osten hat. Die Ordination fand in der Jerusalemer Erlöserkirche in einem ökumenischen Gottesdienst statt. Sally Azar stammt aus Jerusalem, besuchte dort die deutsche Schmidt-Schule, studierte in Beirut, Göttingen und an der Fachhochschule für Interkulturelle Theologie Hermannsburg evangelische Theologie und absolvierte das Vikariat in Berlin. Sie ist Pfarrerin der englischsprachigen Gemeinde an der Erlöserkirche in Jerusalem.[1][2]
Gemeinde
Konstitutiv für die Gemeinde ist, dass die deutsche Sprache verwendet wird. Die Gemeinde wird von Lutheranern, Reformierten, Unierten und anderen Evangelischen getragen. Sie setzt sich aus Menschen zusammen, die sich vorübergehend im Land aufhalten (Volontäre, Studenten, Lehrer, Diplomaten), solchen die dauerhaft im Lande leben und zum Teil mit arabischen oder jüdischen Partnern oder Partnerinnen verheiratet sind, sowie den zahlreichen Pilgern, Besuchern und Touristen. Formal ist die Gemeinde vereinsähnlich organisiert: Wer Mitglied der Gemeinde werden will, muss ihr beitreten.
Außer in Jerusalem feiert die Gemeinde regelmäßig Gottesdienste auch Latrun (Westbank) und in Amman (Jordanien). Sie legt hohen Wert auf Ökumene. Jährlich zu Pfingsten veranstaltet sie gemeinsam mit den Benediktinern der Dormitio-Abtei den Ökumenischen Kirchentag in Jerusalem.
Leitungsgremium der Gemeinde ist der Kirchengemeinderat. Dessen Sozialausschuss unterstützt aus einem Sozialfonds zahlreiche Menschen die aus medizinischen Gründen in Not geraten sind, mit bis zu über 40.000 Euro pro Jahr.[3] Aufgrund der politischen Situation sind es in erster Linie Menschen in den palästinensischen Gebieten, die keine Krankenversicherung oder ähnliches haben und somit durch eine Krankheit leicht in eine finanzielle Notlage geraten.[4] Menschen, die versuchen durch eine Existenzgründung der Arbeitslosigkeit zu entkommen, um so eine Existenzgrundlage für ihre Familie zu schaffen, können nach sorgfältiger Überprüfung jedes einzelnen Antrags durch den Kirchengemeinderat mit dem benötigten Startkapital, zumeist in Form eines günstigen Kredites, aus einem zu diesem Zweck geschaffenen Nahostfonds unterstützt werden.[4]
In der Erlöserkirche und der angrenzenden Propstei feiern auch die englischsprachige und die dänische lutherische Gemeinde ihre Gottesdienste.
Pastoren und Pröpste
Deutsche Auslandspfarrer gibt es in Jerusalem seit 1852. Bei seinem Besuch anlässlich der Einweihung der Erlöserkirche 1898 verlieh Kaiser Wilhelm II. dem Jerusalemer Auslandspfarrer den Titel „Propst“. Dieser ist heute zugleich der Repräsentant der EKD in Israel, der Westbank und Jordanien.
Liste der Pfarrer (seit 1898: Pröpste) mit ihren Dienstzeiten:
Hans Wilhelm Hertzberg (Hg.): Jerusalem – Geschichte einer Gemeinde. Unter Mitarbeit von Ernst Rhein, Dr. Johannes Döring, Joachim Weigelt, Carl Malsch. Selbstverlag Kassel 1965.
Karl-Heinz Ronecker, Jens Nieper und Thorsten Neubert-Preine (Hg.): Dem Erlöser der Welt zur Ehre. Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 1998.