Singer war bis etwa 1970 ein in der Forschung produktiver Wissenschaftler, ging anschließend aber dazu über, als „Händler des Zweifels“ für verschiedene Interessenverbände aus der Industrie diverse Umweltprobleme zu bestreiten, die weit außerhalb seines Fachgebietes lagen. Unter anderem leugnete er die Gesundheitsgefahren des Tabakrauchens, die Existenz des Ozonloches und der menschengemachten globalen Erwärmung sowie die Gefahren von saurem Regen und des Giftmülls.[3][4] Aufgrund dieser jahrzehntelangen Tätigkeiten für diverse Industriebranchen wurde Singer als der „produktivste“ der „universell einsetzbaren käufliche[n] Leugner“ wissenschaftlicher Erkenntnisse bezeichnet.[5]
Im Alter von 16 Jahren emigrierte Singer 1940 von Österreich in die USA. Zunächst studierte er Elektrotechnik an der Ohio State University, wo er 1943 den College-Abschluss B.E.E. erwarb. In Princeton studierte er dann Physik mit A.M.-Abschluss 1944. Im gleichen Jahr nahm er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und trat in den Militärdienst ein, wo er in der Minenabwehr-Entwicklung der US-Navy eingesetzt wurde. Von 1946 bis 1950 arbeitete er mit am Raketenprogramm der Johns Hopkins University zur Untersuchung der oberen Atmosphäre. 1948 schloss er seine Promotion in Physik an der Princeton University ab. Als wissenschaftlicher Verbindungsmann des amerikanischen Office of Naval Research in der US-Botschaft in London beobachtete er zwischen 1950 und 1953 die Forschung in Europa in den Bereichen Kern-, Weltraum- und Geophysik. 1953 wurde er Professor für Physik an der University of Maryland und Direktor des dortigen Zentrums für Atmosphären- und Weltraumphysik. 1962 wechselte er als Direktor in die Abteilung für Wettersatelliten im US-Handelsministerium (heute bei NOAA) und kehrte 1964 in die Wissenschaft zurück als Gründungsdekan des Fachbereichs Umwelt- und Planetenwissenschaft an der University of Miami. Von 1967 bis 1971 arbeitete er erneut in der Bundesadministration, bis 1970 im US-Innenministerium als Deputy Assistant Secretary in der Abteilung für Wasserversorgung, die damals auch für die Atmosphären- und Ozeanographie-Aktivitäten zuständig war. 1970 bis 1971 war er Deputy Assistant Administrator (Policy) an der US-Bundes-Umweltbehörde. 1971 übernahm er die Professur für Umwelt-Wissenschaften an der University of Virginia, wo er 1994 emeritiert wurde.[6]
Singer war bekannt dafür, bei einer Vielzahl wissenschaftlicher Themen eine dem aktuellen Forschungsstand entgegengesetzte Position einzunehmen. In einem Artikel in der englischen Zeitung The Guardian wird Singer als jemand beschrieben, der „zeit seines Lebens die entgegengesetzte Meinung in praktisch jeder vorstellbaren wissenschaftlichen Disziplin vertreten hat – saurer Regen, nuklearer Winter, radioaktiver Abfall, Atomkrieg, Rückgang der Ozonschicht, Passivrauchen, Rückgang amphibischer Lebewesen und sogar bei den Vorteilen des Mindestlohns.“[8] Aufgrund dieses jahrzehntelangen Abstreitens wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Umwelt- und Gesundheitsfragen galt er als einer der bedeutendsten „Händler des Zweifels“.[12]
Passivrauchen
In den 1990er Jahren verfasste Singer mehrere Auftragsstudien für die Tabakindustrie, in der er die Gesundheitsgefahren des Passivrauchens bezweifelte und wurde somit zu einem wichtigen Zeugen gegen den Nichtraucherschutz.[13]
Singer stand ebenfalls in Verbindung mit dem International Center for a Scientific Ecology, einer Organisation, die für den Tabakkonzern Philip Morris als eine Art europäische Advancement for Sound Science Coalition dienen sollte. Er stand auch auf einer von der Tabakindustrie geführten Liste von Personen, die für diese Meinungsartikel in Zeitungen schreiben können, um dort Industriepositionen zu vertreten.[14]
Ozonloch
Singer bezweifelte die Rolle von Chlorverbindungen wie FCKW beim Ozonabbau. Er wies stattdessen natürlichen Wasserstoffverbindungen, insbesondere Hydroxylradikalen, die Verantwortung zu.[15][16]
1989 schrieb er in National Review, dass es "ecofreaks" gelungen sei, mit hysterischen Warnungen vor den Gesundheitsgefahren des Ozonlochs Unsicherheit in der Öffentlichkeit zu stiften und große Teile der Politik so manipuliert zu haben, dass diese die Chemieindustrie reguliert habe. Die wichtigsten Helfer der Umweltbewegung in ihrem "Krieg gegen die FCKWs" seien dabei die staatlichen Forschungsinstitute, die ohne überzeugende Belege die Ozonloch-Panik unterstützt hätten. Wissenschaftlern warf er dabei unredliche Motive vor: Sie litten unter Prestigesucht, ließen sich von Forschungsgeldern bestechen, suchten mediale Aufmerksamkeit und steuergeldfinanzierte (Forschungs)Reisen an exotische Orte. Außerdem seien sie dem Größenwahn verfallen und schier süchtig nach dem Gefühl, die Welt zu retten. Das Montreal-Protokoll, das mit seinem FCKW-Verbot als größter Erfolg internationaler Umweltpolitik gilt, hatte er bereits 1987 als Zeichen kollektiven Versagens gebrandmarkt. Dieser Vertrag zeige, welch schwere Folgen der manipulative Alarmismus der Umweltbewegung sein können, sofern diesem nichts entgegengesetzt würde. Tatsächlich stimmte selbst die Chemieindustrie dem Verbot zu, da die meisten Hersteller längst Alternativen entwickelt hatten und ein "Ausstieg vom Ausstieg" vor allem den Unternehmen schade, die fortschrittlich und kooperativ seien. Singer hingegen trat dennoch bei Kongressanhörungen als Kronzeuge für die Republikaner bei deren Kampf gegen das Montreal-Protokoll auf.[17]
Unabhängig vom Ozonloch ging er davon aus, dass der Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und Hautkrebs übertrieben dargestellt wird.
Globale Erwärmung
Singer zählte zu den aktivsten und unverblümtesten Klimaleugnern, die den menschengemachten Klimawandel bestreiten,[18] und wurde schon als „Taufpate der Klimawandelleugnung“ bezeichnet.[19] Anders als andere Klimaleugner ging Singer zwar davon aus, dass durch den Menschen ausgestoßenes Kohlenstoffdioxid den Treibhauseffekt verstärkt, hielt diesen Effekt aber für nachrangig gegenüber natürlichen Veränderungen. Die globale Erwärmung sei noch nicht ausreichend verstanden, um aufwendige Umstrukturierungen zu begründen.[20] Bis etwa 2003 hatte Singer bestritten, dass es überhaupt eine messbare Erwärmung gebe; danach ging er von einem unaufhaltbaren, natürlichen Zyklus aus.[21] Ein wärmerer Planet sei ein Gewinn.[22]
Im Dezember 2003 gründete er mit anderen Wissenschaftlern die „Nichtregierungskommission zum Klimawandel“ NIPCC.
Laut eines achtseitigen Memos, das der Presse zugespielt wurde, gab es in der Zentrale des American Petroleum Institute im April 1998 ein Treffen, auf dem unter Beteiligung von Fred Singer an PR-Strategien gearbeitet worden war, in der Öffentlichkeit gezielt Unsicherheit über den Stand der Klimaforschung zu verbreiten, um so Einfluss auf politische Entscheidungsträger zu nehmen. An dem Treffen waren auch Vertreter von Exxon und konservativen Think Tanks beteiligt.[23]
In einem der Presse zugespielten Budgetplan für 2012 vermerkte das Heartland Institute: „Unser aktuelles Budget schließt die Unterstützung von Personen mit hohem Bekanntheitsgrad ein, die regelmäßig den Aussagen der Alarmisten der Klimaerwärmung widersprechen“ – darunter Fred Singer mit 5000 Dollar pro Monat.[24]
Dem damaligen US-PräsidentenBarack Obama warf Singer angesichts dessen Klimaschutzbemühungen vor, einen „regulatorischen Anti-Energie-Dschihad“ zu führen und „Fanatiker vom weit links stehenden Rand zu begünstigen, die sich als Umweltschützer ausgeben würden“.[19]
Singers in einem Artikel des Wall Street Journal von 2018 veröffentlichte These, dass die Globale Erwärmung nicht zu einem Anstieg des Meeresspiegels führe, wurde von fünf anderen Wissenschaftlern durchweg abgelehnt.[25]
Singer hielt auch im deutschsprachigen Raum Vorträge, in denen er seine Thesen verbreitete. 2010 wurde er von der FDP als Redner in den deutschen Bundestag eingeladen. Mit der Gründung der AfD 2013 wurde er zu einem der bevorzugten Klimaexperten der AfD. Ebenso trat er beim FPÖ-nahen Friedrich A. v. Hayek Institut als Redner auf.[26] Darüber hinaus arbeitete er mit EIKE zusammen.[27]
Veröffentlichungen (Auswahl)
(Hg.): Die Natur, nicht menschliche Aktivität, bestimmt das Klima. TvR Medienverlag, Jena 2008, ISBN 978-3-940431-08-0.
Singer, Siegfried Fred, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 1089
↑Naomi Oreskes, Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens. Wiley-VCH, Weinheim 2014, u. a. S. 347.
↑James Lawrence Powell: The Inquisition of Climate Science. New York 2012, S. 54–58.
↑Michael E. Mann, Tom Toles: Der Tollhauseffekt. Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht, unsere Politik zerstört und uns in den Wahnsinn treibt. Erlangen 2018, S. 83–86.
↑Biografie in den S. Fred Singer Papers, 1953-1989 des Smithsonian Institution Research Information System
↑Michael E. Mann: Propagandaschlacht ums Klima. Erlangen 2021, S. 44.
↑Ella Müller: Die amerikanische Rechte und der Umweltschutz. Geschichte einer Radikalisierung. Hamburg 2023, S. 285–287.
↑Aaron McCright, Dealing with climate change contrarians, in: Susanne C. Moser, Lisa Dilling (Hrsg.) Creating a Climate for Change. Communicating Climate Change and Facilitating Social Change. Cambridge University Press 2007, 200-212, S. 200 und insb. Fußnote 2.
↑ abMark Romeo Hoffarth, Gordon Hodson: Green on the outside, red on the inside: Perceived environmentalist threat as a factor explaining political polarization of climate change. In: Journal of Environmental Psychology. Band45, 2016, S.40–49, doi:10.1016/j.jenvp.2015.11.002.