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Gegenblättriger Steinbrech

Gegenblättriger Steinbrech

Gegenblättriger Steinbrech (Saxifraga oppositifolia)

Systematik
Eudikotyledonen
Kerneudikotyledonen
Ordnung: Steinbrechartige (Saxifragales)
Familie: Steinbrechgewächse (Saxifragaceae)
Gattung: Steinbrech (Saxifraga)
Art: Gegenblättriger Steinbrech
Wissenschaftlicher Name
Saxifraga oppositifolia
L.

Der Gegenblättrige Steinbrech[1] (Saxifraga oppositifolia) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Steinbrech (Saxifraga) innerhalb der Familie der Steinbrechgewächse (Saxifragaceae).[2]

Beschreibung

Blüten und Blütenbesucher
Früchte und Samen
Illustration aus Sturm

Vegetative Merkmale

Der Gegenblättrige Steinbrech wächst als ausdauernde krautige Pflanze, erreicht Wuchshöhen von 1 bis 5 Zentimetern und bildet lockere Rasen oder wächst als lockere, seltener feste Polsterpflanze.[3] Die in kleinen, grundständigen Rosetten gegenständig stehenden Laubblätter sind bei einer Länge von 2,5 bis 5 Millimetern verkehrt-eiförmig bis länglich-lanzettlich. Die Laubblätter sind am Rand bewimpert und besitzen am oberen Ende ein, selten drei kalkausscheidendes Grübchen.

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Mai bis August.[3] Die Blütenstandsschäfte sind meistens unbeblättert und tragen nur eine Blüte.

Die zwittrige Blüte ist radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf oft roten Kelchblätter sind bei einer Länge von 2,5 bis 5 Millimetern eiförmig bis schmal-eiförmig und am Rand bewimpert. Die Kronblätter sind zwei- bis dreimal so lang wie die Kelchblätter.[4] Die rosa- bis purpurfarbene Blütenkrone weist einen Durchmesser von 1 bis 2 Zentimetern auf. Die fünf purpur-rosafarbenen bis weinroten, verblassenden Kronblätter sind bei einer Länge von 5 bis 20 Millimetern breit-lanzettlich bis verkehrt-eiförmig.[4] Die Staubblätter sind zwei Drittel so lang bis so lang wie die Kronblätter.[4] Die Staubbeutel sind orangegelb, getrocknet grauviolett.[4] Der Fruchtknoten ist halbunterständig.

An der Frucht befinden sich ziemlich lange, spreizenden Stylodien. Die Kapselfrucht ist bei einer Länge von 3 bis 6 Millimetern eiförmig.[4] Die hell-braunen bis schwärzlichen Samen sind bei einer Länge von 0,8 bis 1,1 Millimetern eiförmig mit schwach runzeliger bis fein höckeriger Oberfläche.[4]

Chromosomensatz

Die Chromosomenzahlen betragen 2n = 26 oder 52,[5] auch 39 oder 56.[6]

Ökologie

Die immergrünen Laubblätter ertragen Temperaturen bis −40 °C ohne Schaden. Die Blüten werden schon im Spätsommer bis Herbst des Vorjahres angelegt. Auch die Blüten sind sehr kälteresistent und ertragen Temperaturen bis −15 °C. Der neue Austrieb der empfindlicheren Laubblätter erfolgt erst später, wenn die Gefahr des Erfrierens vorüber ist.[3]

Die Früchte kommen selbst in ungünstigen Sommern und in höchsten Lagen, so am Piz Linard bei einer Höhenlage von 3400 Metern zur Reife.[4] Die Samen wiegen nur 0,0001 g und werden mit dem Wind ausgebreitet.[4]

Die wenigen Bestäuber im Hochgebirge werden durch überproportional große Blüten angelockt. Durch den Polsterwuchs wird eine Häufung von Blüten erreicht und dadurch eine größere Signalwirkung erzielt. Blütenbesucher sind Fliegen, Hummeln und Falter.[4]

Vorkommen

Der Gegenblättrige Steinbrech ist in den subarktischen und subalpinen Gebieten der Nordhalbkugel weit verbreitet. Er ist ein circumpolares, circumboreales, arctisch-alpines Florenelement.[7] In Mitteleuropa gedeiht er in gemäßigten Gebieten in offenen steinigen Rasen und auf Moränen in Höhenlagen von 1600 bis 4500 Metern. In der Schweiz wurden unterhalb des Gipfels des Dom im Wallis üppig blühende Kissen des Gegenblättrigen Steinbrech auf einer Höhenlage von 4505 Metern entdeckt, welche somit die höchstgelegene Blütenpflanze in Europa darstellt, darüber hinaus auch weltweit der vermutlich kälteste Standort, an dem eine Blütenpflanze gefunden wurde.[8] Im Norden seines Verbreitungsgebietes wächst er in tieferen Höhenlagen. Er wächst in Mitteleuropa in Pflanzengesellschaften der Verbände Thlaspion rotundifolii, Androsacion alpinae oder Epilobion fleischeri, bei Vorkommen über einer Höhenlage von 2000 Metern auch in Pflanzengesellschaften der Klasse Seslerietea.[9]

Saxifraga oppositifolia besiedelt mit seinen Unterarten Gebiete von der spanischen Sierra Nevada im Süden bis Grönland im Norden. Dort wächst er noch bei 83°40'N auf der Kaffeklubben Ø, die allgemein als nördlichstes festes Land der Erde gilt[10], und ist damit – zusammen mit dem dort ebenfalls vorkommenden Arktischen Mohn (Papaver radicatum) – die am nördlichsten wachsende höhere Pflanzenart. Er wächst nach Osten hin bis Sibirien und Kaschmir und gehört zur Nivalflora.

Der Gegenblättrige Steinbrech ist in Deutschland gesetzlich geschützt.[11]

Systematik

Die Erstveröffentlichung von Saxifraga oppositifolia erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus I, S. 402.[12][2][13]

Je nach Autor gibt es in Europa, beispielsweise bei Jalas et al. 1999, von Saxifraga oppositifolia mindestens sechs Unterarten:[6]

  • Bodensee-Steinbrech (Saxifraga oppositifolia subsp. amphibia (Sünd.) Br.-Bl.): Er war am Bodensee endemisch, wuchs dort in der Assoziation Deschampsietum rhenanae.[9] und gilt seit 1978 als verschollen.[9] Er hatte die Chromosomenzahl 2n = 26.[9] Bei dieser Unterart haben die Laubblätter meist drei Einstiche am Vorderrand. Die Kronblätter sind 8 bis 13 Millimeter lang.[4] Die Blütezeit lag im Februar und März; nach der Blütezeit und oft schon im Mai werden die Standorte überschwemmt und bleiben bis Ende August vollständig unter Wasser.[4]
  • Saxifraga oppositifolia subsp. blepharophylla (A.Kerner ex Hayek) Vollmann: Sie kommt nur in den Ostalpen in Österreich vor. Sie wird von manchen Autoren auch als eigene Art (Saxifraga blepharophylla Kern.) angesehen. Bei dieser Unterart werden die randlichen Wimpern der Blätter gegen die Spitze länger und nicht kürzer.[4] Sie steigt in den Schladminger Tauern bis 3000 Meter auf.[4]
  • Saxifraga oppositifolia subsp. murithiana (Tissières) Br.-Bl.: Sie kommt nur in Südwesteuropa und in den Alpen, in Spanien, Frankreich, Italien und in der Schweiz vor. Sie steigt im Kanton Wallis bis 3800 Metern auf.[4] Die Kelchzipfel sind drüsig bewimpert und die Laubblätter sind am Rand fast bis zum oberen Ende bewimpert.[4]
  • Saxifraga oppositifolia L. subsp. oppositifolia: Sie kommt in Europa in den Gebirgen, West-, Mittel- und Südeuropas sowie in Nordeuropa vor. In den Allgäuer Alpen steigt er im Tiroler Teil am Hohen Licht bis zu 2600 Metern auf.[14] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind für diese Unterart in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3+w+ (feucht aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 5 (sehr hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 1 (alpin und nival), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[1]
  • Saxifraga oppositifolia subsp. paradoxa D.A.Webb: Sie kommt nur in den Pyrenäen (Spanien und Frankreich) vor.
  • Saxifraga oppositifolia subsp. speciosa (Dörfler & Hayek) Engler & Irmscher: Sie kommt nur in Mittelitalien im Gebirge vor.

Der Rudolph-Steinbrech (Saxifraga rudolphiana W.D.J.Koch) wird von manchen Autoren auch als Unterart Saxifraga oppositifolia subsp. rudolphiana (Hornsch.) Nyman zur Art Saxifraga oppositifolia gestellt.

In Asien gibt es beispielsweise nach Hegi 1961[4] eine weitere Unterart:

  • Saxifraga oppositifolia subsp. asiatica (Hayek) Engl. & Irmscher (Syn.: Saxifraga asiatica Hayek): Sie kommt in Ostasien, Zentralasien, in Ostsibirien, in Tibet, Pakistan und in Kaschmir vor.[15]

Bilder

Literatur

Commons: Gegenblättriger Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Saxifraga oppositifolia L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 3. April 2021.
  2. a b Luc Brouillet, Patrick E. Elvander: Saxifra Linnaeus. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 8: Magnoliophyta: Paeoniaceae to Ericaceae; Oxford University Press, New York und Oxford, 2009, ISBN 978-0-19-534026-6. Saxifraga oppositifolia Linnaeus., S. 136 - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  3. a b c Xaver Finkenzeller: Alpenblumen. Erkennen & Bestimmen (Steinbachs Naturführer). Mosaik-Verlag, München 2003, ISBN 3-576-11482-3.
  4. a b c d e f g h i j k l m n o p Gustav Hegi, Herbert Huber: Familie Saxifragaceae. S. 180–185. In: Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 2. Auflage, Band IV, Teil 2, Verlag Carl Hanser, München 1961.
  5. Saxifraga oppositifolia bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  6. a b Jaakko Jalas, Juha Suominen, Raino Lampinen, Arto Kurtto: Atlas florae europaeae. Band 12: Resedaceae to Platanaceae, Helsinki 1999, ISBN 951-9108-12-2. S. 156–159.
  7. S. G. Aiken, M. J. Dallwitz, L. L. Consaul, C. L. McJannet, R. L. Boles, G. W. Argus, J. M. Gillett, P. J. Scott, R. Elven, M. C. LeBlanc, L. J. Gillespie, A. K. Brysting, H. Solstad, J. G. Harris, 2007: Datenblatt Saxifraga oppositifolia L. bei Flora of the Canadian Arctic Archipelago bei DELTA Home.
  8. Christian Körner: Blütenpflanze auf 4505 Metern. Universität Basel, 24. Mai 2011.
  9. a b c d Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5. S. 489.
  10. Sagax Groenland 2007 Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sagaxexpeditions.com
  11. Michael Koltzenburg: Saxifraga. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 98. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2024. ISBN 978-3-494-01943-7. S. 354.
  12. Pan Jintang, Richard Gornall, Hideaki Ohda: Saxifraga Linnaeus. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven (Hrsg.): Flora of China, Volume 8: Brassicaceae through Saxifragaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis 2001, ISBN 0-915279-93-2. Saxifraga oppositifolia Linnaeus., S. 343 - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  13. Saxifraga oppositifolia bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 26. Februar 2023.
  14. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 656.
  15. Saxifraga oppositifolia bei Tropicos.org. In: Flora of Pakistan. Missouri Botanical Garden, St. Louis
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