Hanaoka ging 1782 nach Kyoto, wo er drei Monate Innere Medizin bei Yoshimasu Nangai (吉益 南涯) studierte.[1] Dessen Vater Yoshimasu Tōdō war einer der führenden Vertreter der „Alten Schule“ (古医方派, koihō-ha), welche die nach der Song-Zeit aufgekommenen chinesischen Konzepte ablehnte und im Rückgriff auf Texte wie das Shānghán lùn („Abhandlung über die Kälte-Krankheiten“, 傷寒論) die Bedeutung eigener Beobachtungen und Erfahrungen betonte. Anschließend beschäftigte er sich für ein Jahr bei Yamato Kenryū (大和 見立) mit der „Chirurgie im Stile Caspars“, der ältesten chirurgischen Tradition mitteleuropäischer Prägung in Japan, die auf den deutschen Chirurgen Caspar Schamberger zurückgeht.[1] Außerdem vertiefte er sich in die Lehren von Irako Dōgyū (伊良子道牛), der westliche und chinesische Traditionen kombinierte. Unter den Schriften, die er während dieser Zeit sammelte, ist besonders das von Nagatomi Dokushōan (永富 独嘯庵) verfasste Manyū zakki (漫遊雑記) anzuführen, durch das er auf die Behandlung von Brustkrebs aufmerksam wurde.
1785 kehrte Hanaoka in die Heimat zurück und übernahm die Praxis seines Vaters.[5] Am 13. Oktober 1804 führte Hanaoka eine Mastektomie durch, bei der er ein selbstentwickeltes Narkosemittel nutzte, das er Tsūsensan (通仙散) nannte. Seine Patientin war die 60-jährige Kan (勘) aus Gojō, deren ganze Familie an Brustkrebs verstarb. Weitere Mastektomien folgten, die eine große Schar von Schülern anlockten. Heute findet man daher in nahezu allen Regionen Japans zeitgenössische illustrierte Handschriften, die den Verlauf seiner Operationen schildern. Insgesamt führte er 156[1] Mastektomien durch.
Infolge des eingeschränkten Informationsflusses zwischen Japan und dem Ausland (Isolationspolitik, Sakoku) wurden Hanaokas bahnbrechende Leistungen im Westen erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, wo sich seit Crawford Williamson Longs ersten Versuchen mit Ätherdämpfen (1842) die Nutzung von Diethylether verbreitet hatte.
Das Mittel entwickelte er, von älteren chinesischen Rezepten ausgehend, zunächst durch Tierversuche. Danach dienten seine Mutter Otsugi (於継) und seine Frau Kae (加恵) als Versuchspersonen, wobei Letztere erblindete.[7]
Die bekannte japanische Schriftstellerin Ariyoshi Sawako schrieb 1966 den Roman Kae und ihre Rivalin (華岡青洲の妻, Hanaoka Seishū no tsuma). Dieser basiert auf Hanaokas Leben, besonders den Experimenten, vermischt mit einem fiktiven Konflikt zwischen seiner Mutter und seiner Frau.
Literatur
Akitomo Matsuki: Seishu Hanaoka and His Medicine. A Japanese Pioneer of Anesthesia and Surgery. Hirosaki University Press, 2011, ISBN 978-4-902774-68-9.
Masaru Izuo: Medical History: Seishu Hanaoka and His Success in Breast Cancer Surgery Under General Anesthesia Two Hundred Years Ago. In: Breast Cancer. Volume 11, Nr.4, S.319–324, doi:10.1007/BF02968037, PMID 15604985.
S. Noma (Hrsg.): Hanaoka Seishū. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha, 1993. ISBN 4-06-205938-X, S. 497.
Einzelnachweise
↑ abcdMasaru Izuo: Medical History: Seishu Hanaoka and His Success in Breast Cancer Surgery Under General Anesthesia Two Hundred Years Ago. In: Breast Cancer. Volume 11, Nr.4, S.319, doi:10.1007/BF02968037, PMID 15604985.
↑Rafael A. Ortega, Christine Mai: History of anesthesia. In: Charles A. Vacanti, Pankaj K. Sikka, Richard D. Urman, Mark Dershwitz, B. Scott Segal (Hrsg.): Essential Clinical Anesthesia. Cambridge University Press, 2011, ISBN 978-0-521-72020-5, S.1–2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Noel Perrin: Giving Up the Gun: Japan’s Reversion to the Sword, 1543–1879. David R. Godine, Boston 1979, ISBN 0-87923-773-2, S.86.
Japanischer Name: Wie in Japan üblich, steht in diesem Artikel der Familienname vor dem Vornamen. Somit ist Hanaoka der Familienname, Seishū der Vorname.