Die internationale Hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine (französischConférence de haut niveau sur la paix en Ukraine, italienischConferenza di alto livello sulla pace in Ucraina,[1] so die offiziellen Schweizer Bezeichnungen der Konferenz, in den Medien häufig Bürgenstock-Konferenz oder Ukraine-Konferenz) fand am 15. und 16. Juni 2024 im Bürgenstock Resort in Obbürgen oberhalb des Vierwaldstättersees im Kanton Nidwalden in der Schweiz statt. Die Konferenz wurde von der Schweiz auf Ersuchen der Ukraine einberufen. Neben der Schweizer Delegation nahmen Vertreter von 92 Staaten teil, darunter 57 mit ihren Staats- oder Regierungschefs, 29 mit Ministern und acht mit Botschaftern, sowie Spitzenvertreter von acht internationalen Organisationen. Das Ziel der Konferenz bestand darin, einen künftigen Friedensprozess im Russisch-Ukrainischen Krieg anzuregen.
Im November 2022 richtete sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit einer Friedensformel[2] an den G20-Gipfel. Diese sprach zehn Themen an:
Garantien vor künftiger russischer Aggression sowie
eine Friedenskonferenz und einen internationalen Vertrag.
Am 24. Juni 2023 fand in Kopenhagen ein erstes internationales Treffen statt, an dem um internationale Unterstützung für den ukrainischen Zehn-Punkte-Plan geworben wurde. Vertreter der Ukraine, der Europäischen Union (EU), Indiens, Brasiliens und der Türkei nahmen daran teil. Aus der Europäischen Kommission verlautete, beim Treffen sei man zu dem Konsens gekommen, dass der Friedensprozess auf den Prinzipien der territorialen Integrität und der Souveränität gemäss Charta der Vereinten Nationen beruhen solle.
Ein zweites Treffen fand am 5. und 6. August 2023 im saudi-arabischenDschidda statt. China, die Vereinigten Staaten, Südafrika, Indonesien, Mexiko, Sambia, Ägypten und Mitgliedstaaten der EU nahmen daran teil. Es wurden Arbeitsgruppen zum Zehn-Punkte-Plan gebildet und über ein mögliches Treffen auf Ebene der Staatschefs gesprochen.
Am 28. und 29. Oktober trafen sich nationale Aussenpolitik- und Sicherheitsberater aus 65 Staaten auf Malta.
Am Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2024 nahmen 83 Delegationen aus Staaten und internationalen Organisationen teil. Nach diesem Treffen erklärte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd (Die Mitte) an einer Medienkonferenz mit Selenskyj, dass die Schweiz eine Friedenskonferenz unterstützen würde. Selenskyj sagte, alle Staaten, welche die territoriale Integrität der Ukraine akzeptierten, könnten an der Konferenz teilnehmen. Er hoffte auf eine Teilnahme Chinas. Die Schweiz organisierte bereits im Juli 2022 in Lugano eine erste Konferenz über den Wiederaufbau der Ukraine.[3]
Vorbereitung
Am 10. April 2024 kündigte der Bundesrat an, die geplante Konferenz zum Frieden in der Ukraine finde auf dem Bürgenstock im Kanton Nidwalden statt. Die Vorbereitung übernahmen eine Task Force des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und ein Steuerungsausschuss mit Vertretern mehrerer Ministerien (Departemente), geleitet von Aussenminister Ignazio Cassis (FDP). Die Durchführungskosten werden auf rund 15 Millionen Schweizer Franken geschätzt, davon 10 Millionen Franken für die Sicherheit.[4]
Die Konferenz auf dem Bürgenstock folgte unmittelbar auf den G7-Gipfel in Italien, der vom 13. bis 15. Juni 2024 stattfand.
Ziele
Die Schweiz und die Ukraine entschieden, dass über drei Themen gesprochen werden soll:
die freie Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer (die Agrarexporte sind wichtig für die Ukraine und für die Länder, die diese Güter importieren),
humanitäre Aspekte (zum Beispiel Austausch von Gefangenen und Schutz der Zivilbevölkerung).
Über den territorialen Status der von Russland besetzten ukrainischen Gebiete (Krim, Donbas, Südukraine) wurde in Abwesenheit Russlands nicht verhandelt.[4]
Abschlusserklärung
Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die teilnehmenden Delegationen ein Gemeinsames Communiqué über einen Friedensrahmen.
Die Erklärung enthält ein Bekenntnis zu den Grundsätzen der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität aller Staaten und lehnt die Verletzung dieser Prinzipien durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt strikt ab. Des Weiteren fordert die Erklärung den Schutz von Kernkraftwerken und verlangt, auf den Einsatz von Atomwaffen sowie dessen Androhung zu verzichten. Zur Gewährleistung der globalen Ernährungssicherheit soll zudem freie, uneingeschränkte und sichere Handelsschiffahrt sowie der Zugang zu den Häfen im Schwarzen und Asowschen Meer gewährleistet werden. Ausserdem wird der Austausch von Kriegsgefangenen gefordert und verlangt, dass alle deportierten und unrechtmässig vertriebenen ukrainischen Kinder und alle anderen ukrainischen Zivilisten, die unrechtmässig inhaftiert wurden, in die Ukraine zurückgebracht werden.[5]
Das Communiqué wurde von insgesamt 88 Delegationen unterzeichnet, darunter auch von den Nichtteilnehmern Antigua und Barbuda, Barbados, Malawi, Marshallinseln und Sambia. 15 Delegationen haben das Communiqué nicht unterzeichnet. Neben den BRICS-Staaten Brasilien, Indien, Südafrika und Vereinigte Arabische Emirate haben Armenien, Bahrain, Indonesien, Irak, Jordanien, Kolumbien, Libyen, Mexiko, Ruanda, Saudi-Arabien und Thailand nicht unterschrieben.[5]
Teilnehmer
160 Staaten und internationale Organisationen wurden Anfang Mai 2024 zur Teilnahme an der Bürgenstock-Konferenz eingeladen. Russland hatte eine Teilnahme passend zum Wunsch der Ukraine im April mehrfach abgelehnt und wurde nicht eingeladen.[6][7][8] Unter anderem nahmen teil für die Vereinigten Staaten Vizepräsidentin Kamala Harris und der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, für Japan Premierminister Fumio Kishida, für Deutschland Bundeskanzler Olaf Scholz, für das Vereinigte Königreich Rishi Sunak, für Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron, für Kanada Premierminister Justin Trudeau, für Italien Premierministerin Giorgia Meloni sowie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Ratspräsident Charles Michel.[1]
Von den neun BRICS-Staaten nahmen teil: Brasilien, Indien, Südafrika und die Vereinigten Arabischen Emirate.[9][10] China sagte seine Teilnahme mit dem Verweis auf die fehlende Beteiligung beider Kriegsparteien ab.[11][12] Ägypten, Äthiopien, der Iran (der Russland in grossem Umfang durch die Lieferung von Drohnen und anderen Waffen unterstützt) und Russland selbst nahmen nicht teil. Insgesamt war der Globale Süden deutlich weniger und auch weniger prominent vertreten als westliche bzw. NATO-Staaten.[13] Der Ukraine-Krieg wird in einigen Ländern, die nicht zur westlichen Welt gezählt werden, als innereuropäischer Konflikt oder als Stellvertreterkonflikt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten angesehen.
Liste der Vertreter der Nationen
Reihenfolge und Nummern erfolgen aufgrund der Teilnehmerliste[10] des Veranstalters (EDA), die auf den englischsprachigen Namensbezeichnungen basiert. Die Schweiz als Gastgeber ist nur im Einleitungstext der Teilnehmerliste genannt und figuriert nicht explizit als Teilnehmer.