Gegen 13 Uhr Ortszeit wurden die 34 Fallschirmjäger, geführt von ihrem Kompaniechef, von 30 bis 40 Aufständischen aus dem Hinterhalt heraus unter massiven Beschuss genommen. Dabei wurden frühzeitig drei Soldaten verwundet, zwei davon schwer, Oberfeldwebel Naef Adebahr und Stabsgefreiter Robert Hartert. Der Kompaniechef forderte Verstärkung an, woraufhin sich eine Reservekompanie aus dem Feldlager Kundus in Marsch setzte.
Mit Aufklärungsdrohnen der Typen Luna und KZO wurde das Gefecht beobachtet. Auch Kampfflugzeuge der US-Streitkräfte befanden sich über dem Gefechtsfeld, konnten aber wegen der Gefahr des Eigenbeschusses nicht eingreifen. Oberstabsarzt Ulrike Hödel und Hauptfeldwebel Gerhard Haben versorgten als Sanitäter in der Kampfzone die Verwundeten, die später von US-Hubschraubern des Typs Black Hawk unter Beschuss der Landezone aufgenommen und in das deutsche Einsatzlazarett in Kundus ausgeflogen wurden. Beim Versuch, sich vom Feind zu lösen, geriet ein Dingo gegen 14:50 Uhr in eine Sprengfalle. Dabei wurden vier Fallschirmjäger verwundet (drei davon schwer), unter ihnen auch Hauptfeldwebel Nils Bruns und Hauptgefreiter Martin Augustyniak.[1][2]
Parallel dazu griffen rund 40 Aufständische um 15:35 Uhr ein nahes Lager der afghanischen Polizei an; dieser Angriff konnte abgewehrt werden.
Im weiteren Verlauf des Gefechtes der deutschen Fallschirmjäger mit den Aufständischen wurden vier weitere Soldaten verwundet. Erst nach acht Stunden Gefecht konnte die Reservekompanie die Fallschirmjäger ablösen, die daraufhin in das Feldlager Kundus zurückkehrten, das sie gegen 21:50 Uhr erreichten. Im Laufe des Gefechtes wurden durch die Bundeswehrsoldaten über 25.000 Schuss abgegeben.[3] Das Gefecht dauerte neun Stunden.[2] Eine Schilderung des Gefechts und eine kritische Stellungnahme eines der beteiligten Soldaten findet sich im NDR-Podcast „Killed in Action – Deutschland im Krieg“.[4]
Im Rahmen der Operation Tür wurden die Türen des zerstörten Gefechtsfahrzeuges vom Typ Dingo am 9. September 2011 durch Panzergrenadiere einer Kampfeinheit der Task Force Kunduz III (Ausbildungs- und Schutzbataillon) in Isa Khel geborgen[5] und später am Ehrenhain der 2. Infanteriekompanie im Feldlager Kundus aufgestellt.[6] Inzwischen haben sie ihren Platz in einem Gedenkraum des Fallschirmjägerregiments in Seedorf gefunden.[7]
Verluste
Hauptfeldwebel Nils Bruns (35 Jahre), Stabsgefreiter Robert Hartert (25) und Hauptgefreiter Martin Augustyniak (28), alle vom Fallschirmjägerbataillon 373, fielen im Karfreitagsgefecht.[2] Ihrer wird unter anderem im Wald der Erinnerung gedacht, in dem sich heute der Ehrenhain Kundus befindet. In Bielefeld-Quelle wurde nach einiger politischer Diskussion ein Platz zur Erinnerung an den Hauptgefreiten Martin Kadir Augustyniak nach ihm benannt und mit einem Gedenkstein und einer Informationsstele[8] gestaltet.[9][10][11]
Zivile Pick-ups mit Soldaten der afghanischen Armee wurden von einem Schützenpanzer Marder der Reservekompanie irrtümlich beschossen. Die deutschen Soldaten hatten während des Anmarschs einen weiteren Angriff durch Aufständische befürchtet und Anhaltesignale gegeben. Da diese nicht beachtet wurden, erfolgte der Beschuss und sechs der Soldaten wurden getötet.
Nach Angaben des Chefs des afghanischen Geheimdienstes sind mindestens fünf Taliban bei dem Gefecht ums Leben gekommen, darunter auch ein lokaler Anführer.[12]
Den US-amerikanischen Soldaten Robert McDonough, Steven Husted, Jason LaCrosse, Nelson Visaya, Jason Brown, Sean Johnson, Eric Wells, Travis Brown, William Ebel, Antonio Gattis, Steven Shumaker, Matthew Baker, Todd Marchese und Gregory Martinez wurde aufgrund ihrer herausragenden Leistungen bei der Rettung der Verwundeten ebenfalls das Ehrenkreuz in Gold in besonderer Ausführung verliehen.[15][16] LaCrosse wurde außerdem mit dem Silver Star ausgezeichnet, die anderen (außer Baker und Martinez) erhielten das Distinguished Flying Cross.[17]
Ralf Rönckendorf, der einem Kameraden unter Beschuss das Leben rettete und sein Augenlicht verlor, wurde 2011 mit dem Medienpreis Bambi geehrt.[18]
Wendepunkt für Geschichte der Bundeswehr
Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte nach dem Gefecht: „Kundus, das ist für uns der Ort, an dem die Bundeswehr zum ersten Mal gekämpft hat, lernen musste, zu kämpfen. Das war eine Zäsur – nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die deutsche Gesellschaft.“[19] Es war der erste Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg, bei dem mehrere deutsche Soldaten in einer Kampfhandlung ums Leben kamen.[20] Verteidigungsminister zur damaligen Zeit war Karl-Theodor zu Guttenberg.
Literatur
Christoph Reuter: In der Kill-Zone. Das Karfreitags-Gefecht 2010 bei Isa Chel. In: Pallasch. Zeitschrift für Militärgeschichte. Bd. 16 (2012), Heft 42, S. 137–142.
↑ abcMathis Feldhoff, Hans-Ulrich Gack, Andreas Huppert: Deutsche Fallschirmjäger Feuergefecht. In: Der Krieg bleibt. ZDF-Dokumentation. Auf: YouTube. 12. August 2011. (Video; 11 min)
↑Bezogen auf die Kräfte in Stärke 34 – 3 + 4 Ausfälle bei 3 MG und 31 G36 eine durchschnittliche Schussanzahl von über 700 Schuss
↑Marcel Bohnert & Andy Neumann: Panzergrenadiere im Kampfeinsatz in Afghanistan. In: Freundeskreis der Panzergrenadiertruppe (Hrsg.): Panzergrenadiere. Eine Truppengattung im Wandel der Zeiten, Munster u. a. 2016, ISBN 3-933802-35-0, S. 43ff.