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Kernenergie in Schweden

Kernenergie in Schweden (Schweden)
Kernenergie in Schweden (Schweden)
Kernkraftwerke in Schweden:
 In Betrieb
 stillgelegt

Die Kernenergie spielt in Schweden eine tragende Rolle bei der Energieversorgung. Der erste kommerziell genutzte Reaktorblock ging 1964 in Betrieb.[1] Seit den 1980er Jahren trägt die Kernenergie erheblich zur Stromproduktion bei und ermöglicht Schweden eine der niedrigsten pro-Kopf CO2-Emissionen in Europa. Mit Stand Januar 2023 werden an 3 Standorten 6 Reaktorblöcke mit einer installierten Nettoleistung von zusammen 6885 MW betrieben; 7 Blöcke an 4 Standorten mit einer installierten Nettoleistung von zusammen 4054 MW wurden bereits stillgelegt. Zwischenzeitlich wurde mehrmals über einen Ausstieg aus der Kernenergie diskutiert. Nach aktuellen Regierungsplänen (Stand 2023) zu einer 100 % von fossilen Brennstoffen freien Energieversorgung soll die Kernenergie weiter ausgebaut werden.

In Schweden wurden 2011 in Kernkraftwerken insgesamt 58,1 TWh (Netto) erzeugt; damit hatte die Kernenergie einen Anteil von 40 Prozent an der Gesamtstromerzeugung.[2] Im Jahr 2021 wurden 51,0 TWh erzeugt; damit betrug ihr Anteil 30,8 Prozent an der Gesamtstromerzeugung.[1]

Geschichte

In Schweden wurde der Reaktorblock Ågesta am 1. Mai 1964 als erster in Betrieb genommen. Das Kernkraftwerk Ringhals war mit seinen ursprünglich vier Reaktorblöcken und einer installierten Bruttoleistung von 3.697 MW das leistungsstärkste Kernkraftwerk. Der Reaktorblock Forsmark 3 ist mit einer Bruttoleistung von 1.212 MW der leistungsstärkste Einzelreaktor.

Nach der partiellen Kernschmelze im US-amerikanischen Kernkraftwerk Three Mile Island 2 im Jahr 1979 folgte in Schweden im März 1980 eine Volksabstimmung über die Zukunft der Kernenergie. Mit 58,1 Prozent sprachen sich die Wähler für einen weiteren begrenzten Ausbau von Kernkraftwerken aus. Infolgedessen beschloss das schwedische Parlament 1980, dass keine weiteren Kernkraftwerke gebaut werden sollen. Die damals im Bau befindlichen sechs Reaktoren wurden dennoch fertiggestellt. Der Ausstieg aus der Kernenergie sollte bis 2000 abgeschlossen sein. Diese Frist wurde auf 2010 verlängert und im Jahr 2009 ganz aufgehoben.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 wurde erneut über die Risiken von Kernenergie diskutiert. Der schwedische Reichstag beschloss 1997, einen der beiden Reaktoren des Kernkraftwerkes Barsebäck bis zum 1. Juli 1998 abzuschalten und den zweiten noch vor dem 1. Juli 2001, jedoch unter der Bedingung, dass die Energieproduktion bis dahin ausgeglichen ist. Der Block 1 im Kernkraftwerk Barsebäck wurde am 30. November 1999 abgeschaltet und Block 2 folgte am 1. Juni 2005.

1998 beschloss die Regierung, keine weiteren Wasserkraftwerke zu bauen, um die inländischen Wasserressourcen zu schützen.

Der Ausstieg aus der Kernenergie wird in Schweden weiterhin kontrovers diskutiert. Als 2006 die konservative Regierung unter Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt ihr Amt antrat, versuchte diese, den Ausstieg abzubrechen, musste zunächst jedoch nach Protesten davon ablassen.

Am 5. Februar 2009 verabschiedete die Regierung dann ein Energieprogramm, das neben dem massiven Ausbau der Windenergie und einer Senkung des gesamten Energieverbrauchs auch den Neubau von Atomkraftwerken wieder erlauben soll. Neue Reaktoren dürfen dabei nur als Ersatz für stillgelegte Kraftwerke an bestehenden Standorten gebaut werden. Anders als in einigen deutschen Medien[3][4] gemeldet, gibt es jedoch keine konkreten Neubaupläne. Mit dem Programm schloss die Regierung auch staatliche Unterstützung für den Neubau von Atomkraftwerken aus.[5][6] Am 17. Juni 2010 bestätigte der schwedische Reichstag den Beschluss.[7]

Im Juni 2014 kündigte Schweden die Erhöhung der von Kernkraftwerksbetreibern zu entrichtende Gebühr für die Endlagerung von Atommüll an. Diese sollte nach den Plänen um 73 % steigen. Hintergrund war, dass die Kosten für die Endlagerung bis dahin deutlich unterschätzt worden waren.[8] Von 2014 bis 2022 wurde das Land durch eine Koalition der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens und der Umweltpartei/Die Grünen regiert. Zwar hat diese Partei den Atomausstieg nicht politisch wieder eingeführt, jedoch wurde die sogenannte „Effektsteuer“, die Atomreaktoren nach ihrer theoretischen und nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert, um ein Sechstel erhöht. Nachdem die größten schwedischen Stromanbieter Vattenfall und e.On daraufhin eine marktbedingte Abschaltung von vier Reaktoren an den Standorten Oskarshamn und Ringhals bis zum Jahr 2020 angekündigt hatten, sah es aus als würden die Zeichen in Schweden wieder auf Atomausstieg stehen. 2016 hat sich die gleiche Koalitionsregierung allerdings entschlossen, die Effektsteuer 2019 wieder abzuschaffen und bis zu zehn alte Reaktoren durch neue zu ersetzen.[9]

Am 17. Juni 2017 fuhr der Betreiber des AKWs Oskarshamn Block 1 der Anlage herunter und gab am 19. Juni 2017 bekannt, dass der Reaktorblock dauerhaft stillgelegt werde.[10]

In den Jahren 2019 bzw. 2020 wurden die Reaktoren Ringhals 2 und Ringhals 1 stillgelegt.[11]

Im Juni 2022 erklärte Vattenfall, den Bau von zwei kleinen modularen Reaktoren (SMR) neben dem Kernkraftwerk Ringhals zu prüfen.[11]

Am 14. Oktober 2022 schlossen die neuen schwedischen Regierungsparteien zusammen mit den sie unterstützenden Schwedendemokraten die sog. „Tidö-Vereinbarung“. Demnach sollen die Voraussetzungen für ein Wiederanfahren von Ringhals 1 und 2 und der Bau weiterer Reaktoren geprüft werden. Das Ziel von Schwedens Energiepolitik wird von „100% erneuerbare Energie“ auf „100% frei von fossilen Brennstoffen“ geändert.[11][12] Im November 2023 gab die Regierung bekannt, am Standort Ringhals bis 2035 zwei neue Reaktorblöcke zu errichten, und ebnete den Weg für einen massiven Ausbau der Kernenergie bis 2045 mit etwa zehn zusätzlichen Reaktoren.[13][14]

Liste der Kernkraftwerke in Schweden

Liste der Kernkraftwerke in Schweden (Quelle: IAEA, Stand: Januar 2023)[1]
Name Block
Reaktortyp Modell Status Netto-
leistung
in MWe
(Design)
Brutto-
leistung
in MWe
Therm.
Leistung
in MWt
Baubeginn Erste
Kritikalität
Erste Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Einspeisung
in TWh
Ågesta 1 PHWR Stillgelegt 10 (9) 12 80 01.12.1957 17.07.1963 01.05.1964 01.05.1964 02.06.1974 0,40
Barsebäck 1 BWR AA-II Stillgelegt 600 (570) 615 1800 01.02.1971 18.01.1975 15.05.1975 01.07.1975 30.11.1999 93,82
2 BWR AA-II Stillgelegt 600 (570) 615 1800 01.01.1973 20.02.1977 21.03.1977 01.07.1977 31.05.2005 108,04
Forsmark 1 BWR AA-III[SE 1] In Betrieb 990 (900) 1027 2927 01.06.1973 23.04.1980 06.06.1980 10.12.1980 288,18
2 BWR AA-III[SE 1] In Betrieb 1121 (900) 1157 3253 01.01.1975 16.11.1980 26.01.1981 07.07.1981 285,40
3 BWR AA-IV[SE 2] In Betrieb 1172 (1050) 1195 3300 01.01.1979 28.10.1984 05.03.1985 18.08.1985 311,41
Oskarshamn 1 BWR AA-I Stillgelegt 473 (440) 492 1375 01.08.1966 12.12.1970 19.08.1971 06.02.1972 19.06.2017 110,27
2 BWR AA-II Stillgelegt 638 (580) 661 1800 01.09.1969 06.03.1974 02.10.1974 01.01.1975 22.12.2016 154,00
3 BWR AA-IV[SE 2] In Betrieb 1400 (1050) 1450 3900 01.05.1980 29.12.1984 03.03.1985 15.08.1985 306,03
Ringhals 1 BWR AA-I Stillgelegt 881 910 2540 01.02.1969 20.08.1973 14.10.1974 01.01.1976 31.12.2020 221,15
2 PWR WH 3LP Stillgelegt 852 (820) 963 2652 01.10.1970 19.06.1974 17.08.1974 01.05.1975 31.12.2019 216,14
3 PWR WH 3LP In Betrieb 1072 1117 3135 01.09.1972 29.07.1980 07.09.1980 09.09.1981 264,64
4 PWR WH 3LP In Betrieb 1130 1171 3300 01.11.1973 19.05.1982 23.06.1982 21.11.1983 258,28
  1. a b AA-III, BWR-2500
  2. a b AA-IV, BWR-3000

Forschungsreaktoren

  • R0 (Reaktor) – Forschungsreaktor in Studsvik September 1959–1972
  • R1 (Reaktor) – Forschungsreaktor KTH (Königliche Technische Hochschule), Valhallavägen, Stockholm 1954–1970
  • R2 (Reaktor) – Forschungsreaktor in Studsvik 1960–2005
  • R4 (Reaktor) – Marviken östlich von Norrköping, 1970 stillgelegt, bevor er gestartet wurde

Endlager Forsmark

Siehe auch

Commons: Kernenergie in Schweden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Kernenergie in Schweden. (Länderdossier der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit).

Einzelnachweise

  1. a b c Sweden. IAEA, abgerufen am 3. Januar 2023 (englisch).
  2. Kernenergie Weltreport 2011. (PDF 0,5 MB) atw – International Journal for Nuclear Power, S. 273, abgerufen am 5. Januar 2023.
  3. Der Spiegel - Wende in der Energiepolitik - Schweden baut wieder Atomkraftwerke (Zugriff am 5. Februar 2009)
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung - Schweden baut neue Kernkraftwerke - Der Ausstieg aus dem Ausstieg (Zugriff am 5. Februar 2009)
  5. A sustainable energy and climate policy for the environment, competitiveness and long-term stability. Positionspapier der Regierung Schwedens, 6. Februar 2009.
  6. Riksdagen röstade ja till ny kärnkraft. In: Dagens Nyheter. 17. Juni 2010, abgerufen am 10. Mai 2011 (schwedisch).
  7. Schweden steigt aus Atom-Ausstieg aus. auf: Spiegel Online. 17. Juni 2010.
  8. Sweden plans big rise in fees to nuclear decommissioning fund. In: The Economic Times. 27. Juni 2014. Abgerufen am 3. Juli 2014.
  9. Tagesschau vom 10. Juni 2016 - Schweden will doch wieder Kernenergie
  10. Oskarshamn-1 stellt Betrieb endgültig ein. In: Nuklearforum Schweiz. 23. Juni 2017, abgerufen am 26. Juni 2017.
  11. a b c New Swedish government seeks expansion of nuclear energy. World Nuclear News (WNN), 22. Oktober 2022, abgerufen am 5. Januar 2023 (englisch).
  12. Schweden: Neue Regierung will Kernkraft ausbauen. In: Nuklearforum Schweiz. 17. Oktober 2022, abgerufen am 18. Januar 2023.
  13. Sweden plans 'massive' expansion of nuclear energy In: World Nuclear News, 17. November 2023. Abgerufen im 21. November 2023 (englisch). 
  14. Rückkehr zur „führenden Atomkraftnation“ – Schwedens gewaltige Energie-Kehrtwende In: WELT, 20. November 2023. Abgerufen im 21. November 2023 
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