Philipp Christian Ludwig Knaus (* 5. Oktober1829 in Wiesbaden; † 7. Dezember1910 in Berlin) war einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland und ein Hauptvertreter der Düsseldorfer Malerschule. Frühe Berühmtheit erlangte er als Genremaler, ebenso als Porträtist. Darüber hinaus war sein Können auch in der Werbebranche gefragt.[1]
Um 1900 hatte er als Maler einen so hohen Stellenwert erreicht, dass ihm das Große Konversations-Lexikon Meyers eineinhalb Spalten widmete und resümierte: „Die echt deutsche Richtung seiner Kunstanschauung gipfelt in der Schilderung des Kinderlebens […]. Seine Bilder haben durch Stich und Photographie eine große Popularität erreicht. Er ist Professor, Mitglied der Akademie, Ritter des Ordens pour le mérite und seit 1861 im Besitz der großen Medaille der Berliner Kunstausstellung.“[2]
Obwohl Ludwig Knaus der erfolgreichste Wiesbadener Maler im 19. Jahrhundert war, musste man zu seinem 100. Todestag im Jahr 2010 in seiner Geburtsstadt resümieren: „Den bedeutendsten Wiesbadener Künstler hat die Kunstgeschichte nicht bewältigt. Auch er zählt hier zu den großen Toten.“[3]
Ansicht des nassauischen Residenzschlosses Biebrich, Studienarbeit von Ludwig Knaus um das Jahr 1844, als dieser beim Hofmaler Otto Reinhold Jacobi tätig warBildnis der Gattin Henriette, geborene Hoffmann, 1864
Ludwig Knaus war der Sohn eines Augenoptikers, der aus dem schwäbischenWaiblingen nach Wiesbaden zugezogen war. Schon früh zeigte sich bei ihm der „Drang zum Abmalen.“ In der Schule wurde sein künstlerisches Talent von dem aus Weilburg stammenden Zeichenlehrer Philipp Jakob Albrecht (1779–1860) gefördert. Er brachte ihn auch zu dem herzoglichen Hofmaler Otto Reinhold Jacobi in die Lehre.
Studium in Düsseldorf
1845 kam Knaus mit 16 Jahren an die Kunstakademie Düsseldorf und wurde dort gemeinsam mit Anselm Feuerbach Schüler von Karl Ferdinand Sohn und des NazarenersWilhelm von Schadow. Bis 1852 lernte Knaus an der Akademie und fand früh zu seinem eigenen Stil. Im Gegensatz zu seinen Lehrern, die historische religiöse- und mythologische Themen pflegten, fand Knaus seine Sujets mehr in der Genremalerei, wie z. B. Der Bauerntanz (1850), Die Falschspieler (1851) oder Der Bienenvater (1851) belegen. Von der von Schadow vertretenen idealistischen Lehre hob Knaus sein Wirklichkeitssinn ab. Von der Genremalerei der Düsseldorfer Schule übernahm er den bühnenähnlichen Bildaufbau mit schematischer Tiefengliederung sowie das erzählerische Element. Er entwickelte es weiter zu einer differenzierten psychologischen Schilderung der Figuren.[4] Innerhalb der Düsseldorfer Genremalerei zeigt das Gemälde Die Falschspieler erstmals den sogenannten Galerieton, den bewusst historisierenden Rückgriff auf die Maltradition der Niederländer des 17. Jahrhunderts, der auch von den Zeitgenossen als eine Art Zitat verstanden wurde.[5]
Freischaffend in Düsseldorf
Wegen Auseinandersetzungen mit Schadow verließ er 1848 die Akademie. Gemeinsam mit den Brüdern Andreas und Oswald Achenbach, Joseph Fay, Benjamin Vautier u. a. gründete er den Künstlerverein Malkasten, der ihn 1898 zum Ehrenmitglied auszeichnete, und verdiente sein Auskommen in Düsseldorf als Porträtist. Für das Schuljahr 1848 vermerkten die Schülerlisten der Düsseldorfer Akademie: „Hat seit ein paar Monaten Düsseldorf verlassen und war, wie so viele, von dem politischen Treiben angesteckt.“[6]
Doppelporträt der Töchter Marie und Hedwig Knaus (1862–1873), 1864
1852 besuchte Knaus den KunstsammlerBarthold Suermondt in Aachen. Im November reiste er nach Paris, in die damalige Kulturhauptstadt Europas.
Dort verkehrte er u. a. mit Franz Xaver Winterhalter und Anselm Feuerbach.
Im Salon der großen Frühjahrsausstellung erhielt er 1853 eine goldene Medaille.[8] Von Paris aus besuchte Knaus im April und Mai Barbizon und Fontainebleau, um Landschaftsstudien zu zeichnen.[9] Im Juni reiste er über Brüssel, Antwerpen, Gent, Brügge, Ostende nach Düsseldorf und Wiesbaden.
Im Januar 1854 kehrte Knaus nach Paris zurück. Im November 1855 wurde ihm die dortige Weltausstellung zu einem Höhepunkt seiner Karriere, die er mit verschiedenen Gemälden beschickte. Für sein Bild Zigeuner im Wald wurde ihm eine Medaille 1. Klasse verliehen. Im Dezember war er wieder in Wiesbaden.
Im Mai 1856 reiste Knaus nach England, wo er den Kristallpalast, Museen und Ausstellungen in London besuchte. Im Juni war Knaus wieder in Deutschland, reiste über Düsseldorf nach Dresden, Böhmen und Stuttgart. Im Oktober fuhr er von Wiesbaden aus wieder nach Paris.
1857 hielt er sich in Fontainebleau auf, um anschließend mit Suermondt nach England zu reisen.
Im Oktober 1857 reiste Knaus nach Italien. Die Stationen waren u. a. Venedig, Padua, Turin, Genua und Rom. Im Dezember machte er einen Ausflug in die Sabiner Berge.[10]
In Italien, weit entfernt von seiner Heimat, entdeckte Knaus, dass ihm „das interessante gemütliche deutsche Genre weit besser zusagt“ als das italienische „Volksleben“.[11]
Im April 1858 reiste Knaus über Terracina, Capua nach Neapel, um im Juni in Wiesbaden anzukommen.
Bauer in hessischer Tracht, 1848/1852
Im Juli hielt er sich wieder in Willingshausen auf. Ende September kehrte er nach Paris zurück, wo er von Winterhalter das Atelier übernahm. Als eines der wichtigsten Werke, das er im September in Willingshausen begonnen hatte zu malen,[12] ist Die goldene Hochzeit anzusehen.
1859 war Knaus ab Januar bis Oktober in Deutschland, England und Belgien auf Reisen. Im Oktober heiratete er Henriette Hoffmann, die Tochter des Besitzers des „Europäischen Hofes“ in Wiesbaden. Anschließend fuhr er wieder nach Paris. In der Pariser Zeit entwickelte Knaus seinen Malstil durch einen neuen Kolorismus fort.[13]
Im Juni 1860 kehrte Knaus endgültig nach Deutschland zurück, wo er sich in seiner Heimatstadt Wiesbaden auf dem Geisberg ein Atelier bauen ließ.
Im Herbst 1861 übersiedelte er nach Berlin. In den darauffolgenden Jahren hielt er sich verschiedentlich wieder in Wiesbaden, Willingshausen und dem Schwarzwald auf.
Im Juni 1867 reiste er zur Weltausstellung nach Paris, wo seine Gemälde Hoheit auf Reisen, Invalide beim Weißbier und Kartenspielende Schusterjungen im Beisein des Hofes von Napoleon III. mit dem Ehrenpreis der Großen Goldenen Medaille und dem Offizierskreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet wurden.
Zwischenstation in Düsseldorf
Lehmkuchen (1873)Porträt Hermann von Helmholtz (1881)
Als Knaus 1874 zum „königlich preußischen Professor“ ernannt und an die Akademie der schönen Künste berufen wurde, nahm er in der Reichshauptstadt seinen ständigen Wohnsitz. In Berlin betraute man ihn mit der Leitung eines Meisterateliers. Dort war u. a. Knut Ekvall sein Schüler. 1879 zog er mit Familie in das neuerbaute Haus in der Hildebrandstraße 17.
Feuer im Dorf (Die Feuersbrunst)
Als Porträtist war Knaus mittlerweile so begehrt, dass ihn die Nationalgalerie Berlin beauftragte, Bildnisse des Historikers Theodor Mommsen und des Physikers Hermann von Helmholtz zu malen.
Ihn selbst ehrte die Nationalgalerie, indem sie eine von dem Bildhauer Otto Lessing geschaffene marmorne Porträthalbfigur ankaufte, die jedoch im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde.
Von Berlin aus besuchte Knaus in den nächsten Jahren noch drei Mal Willingshausen. Außerdem führten ihn Reisen ins Ausland, 1884 nach London, 1885 nach Wien und Budapest, 1889 nach Paris, 1898 nach Rom und 1909 ein letztes Mal nach Paris. Zu Ehren des siebzigsten
Geburtstages Ludwig Knaus’ veranstaltete die Kunsthandlung von Bismeyer & Kraus in Düsseldorf eine kleine Ausstellung. Darunter waren Künstlerbildnisse aus der Sammlung des Künstlervereins Malkasten sowie sein Bildnis im Alter von etwa dreiundzwanzig Jahren, gemalt von Julius Roeting, aus der kurzen gemeinsamen Zeit in Paris.[17]
Ludwig Knaus starb am 7. Dezember 1910 in Berlin und wurde auf dem Friedhof Dahlem beigesetzt.
Infantin Margarita Kopie nach dem Gemälde Las Meninas von Diego Velázquez, Öl/Lw, um 1853/1860, 68 × 58 cm, Privatbesitz (Boekels 1999, S. 260)
Le Matin, après la fête de Village/ Der Morgen nach dem Fest. 1853, Öl/Lw, 108 × 139 cm, Moskau, Staatliches Puschkin-Museum für Bildende Künste
Der Morgen nach dem Fest [ausgeführte Zeichnung nach dem gleichnamigen Gemälde], 1853, schwarze Kreide und Bleistift, laviert, Deckweißhöhungen, auf weißem Papier, auf Karton aufgezogen, 52,5 × 66 cm, Privatbesitz (ebd., S. 316 und S. 485, Nr. 123)
In: Howitt, Mary Botham. The Dusseldorf artist’s album. – Dusseldorf: Arnz, 1854. Digitalisierte Ausgabe
In: Stieler, K./Wachenhusen, H./Hackländer, F. W.: Rheinfahrt: Von den Quellen des Rheins bis zum Meere. – Stuttgart: Kröner, 1875. Digitalisierte Ausgabe
Ludwig Pietsch: Ludwig Knaus. In: Velhagen & Klasings Neue Monatshefte, August 1890, Jg. 4, Band 2, Heft 12, S. 641–668.
Ludwig Pietsch: Knaus. Bielefeld/Leipzig 1896.
Anna Ahrens: Knaus, Ludwig In: Bénédicte Savoy, France Nerlich (Hrsg.): Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Band 2: 1844–1870. De Gruyter, Berlin/Boston 2015.
Notitzen aus der Willingshäuser Chronik. 1909.
Kaspar Kögler: Ludwig Knaus in seinen Beziehungen zu seiner Vaterstadt Wiesbaden. In: Mitteilungen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. Jg. 14, Nr. 4, Januar 1911, S. 103 ff.
Ausst. Kat.: Gedächtnis-Ausstellung zu Ehren von Ludwig Knaus. Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden 1912.
Carl Banzer: Hessen in der Deutschen Malerei. Dritte vermehrte Auflage. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, Marburg/Lahn 1950.
Ausst. Kat.: Ludwig Knaus, Neues Museum – Gemäldegalerie Wiesbaden. Wiesbaden 1951.
Clemens Weiler: Ludwig Knaus und Willinghausen. In: Hessische Heimat, 1951, 1. Jg., Heft 3, S. 42 ff.
Alexander Hildebrand: Der Maler Ludwig Knaus. In: Wiesbaden International, 4/1979, S. 22 ff.
Heinz-Friedrich Autor: In memoriam Ludwig Knaus, Der heimische Künstler war in Wiesbaden hochgeachtet und beliebt. In: Wiesbadener Leben, 1979, 28. Jg., Heft 9, S. 19 f.
Ludwig Knaus 1829–1910. Ausstellungskatalog. Museum Wiesbaden, 1979.
Jörg Kuhn: Otto Lessing (1846–1912), Bildhauer, Maler, Kunstgewerbler. Leben und Werk eines Bildhauers des Späthistorismus unter besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit als Bauplastiker. Dissertation. Freie Universität Berlin 1994 (Leseexemplar u. a. in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz).
Bernhard Maaz u. a. (Hrsg.): Alte Nationalgalerie Berlin, Katalog der Skulpturen, Das XIX. Jahrhundert. Berlin / Leipzig 2006, Band I, Einleitung (Abbildung des Skulpturensaales der Alten Nationalgalerie vor 1900).
↑Er gehörte zur bevorzugten Auswahl zeitgenössischer Künstler, die das „Komité zur Beschaffung und Bewertung von Stollwerckbildern“ dem Kölner Schokoladeproduzent Ludwig Stollwerck zur Beauftragung für Entwürfe vorschlug. Siehe: Detlef Lorenz: Reklamekunst um 1900. Künstlerlexikon für Sammelbilder. Reimer-Verlag, 2000.
↑Alexander Hildebrand: Kleiner Wiesbadener in der großen Welt, Ludwig Knaus, Zum 100. Todestag des Malers. In: Wiesbadener Kurier, 30. November 2010, S. 18.