Rajmund Kolbe wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, er war der Sohn des deutschstämmigen[3] Webers Julius Kolbe und dessen Ehefrau Maria, geborene Dąbrowska. Er hatte vier Geschwister, von denen zwei an Tuberkulose starben. Der Vater arbeitete erst als Fabrikarbeiter in Łódź und ab 1897 in Pabianice. Danach führte er eine Buchhandlung mit religiöser Literatur. 1914 trat Julius Kolbe in die polnische Legion[4]Piłsudskis ein, kämpfte mit Unterstützung der Mittelmächte gegen die russischen Besatzer im ehemaligen Kongresspolen und wurde dafür hingerichtet. Auch Rajmunds Brüder Joseph und Franz waren aktive Mitglieder einer polnischen Geheimorganisation zur Befreiung Polens von der zaristischenrussischen Herrschaft.[5] Zwischenzeitlich spielte Kolbe mit dem Gedanken, ebenfalls Soldat zu werden. Die Mutter führte einen kleinen Laden und arbeitete gleichzeitig als Hebamme. Nach dem Tod ihres Mannes wurde sie Benediktinerin.
Rajmund Kolbe, bei dem früh eine Begabung für Naturwissenschaften festgestellt wurde, war in seiner Jugendzeit sehr an der Physik interessiert. Tief geprägt von einer Marienerscheinung im Kindesalter, trat er am 4. September 1910 in den Orden der Franziskaner-Minoriten ein, wo er den Ordensnamen Maximilian annahm, zu dem er bei seinen Ewigen Gelübden 1914 den Namen Maria hinzufügte. Auch sein Bruder Franz trat dort ins Noviziat ein, verließ den Orden einige Zeit später jedoch. Am 28. April 1918 wurde Maximilian Kolbe von KardinalBasilio Pompilj in der Kirche Sant’Andrea della Valle in Rom zum Priester geweiht. Am nächsten Tag feierte er in der römischen Kirche Sant’Andrea delle Fratte am Altar der Jungfrau Maria seine erste heilige Messe, an dem der jüdische Bankierssohn Alphonse Ratisbonne 1842 eine Erscheinung der Gottesmutter hatte und daraufhin zum katholischen Glauben konvertierte.
Arbeit und Wirken
Pater Kolbe gründete zusammen mit anderen Minoriten 1917 die katholische Organisation Militia Immaculatae („Ritterschaft der Unbefleckten“), die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ein eigenes Missionszentrum erbaute: Niepokalanów in der Nähe von Warschau. Die Militia Immaculatae widmete sich vornehmlich der Jugend und der Pressearbeit und war durch eine starke Marienverehrung gekennzeichnet. In Niepokalanów entstand ein katholisches Pressehaus, das heute noch besteht. Im Jahr 1930 fuhr Maximilian Kolbe auf einer Missionsreise nach Japan, wo er weitere Verlage, Missionsstationen und mehrere klösterliche Gemeinschaften gründete. Zu seiner Missionstätigkeit nutzte er auch den Funk; von Niepokalanów fand Funkaktivität unter dem Amateurfunkrufzeichen SP3RN statt.[6] Nach seiner Rückkehr aus Japan im Jahr 1936 baute Kolbe Niepokalanów weiter aus. Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde die Stadt besetzt.
Positionen
Kolbe war nicht nur überzeugter Katholik und betätigte sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sondern auch ein erklärter Antikommunist sowie Gegner des Zionismus und der Freimaurer, die er für „eine organisierte Clique fanatischer Juden, die die Kirche zerstören wollen“, hielt. Er bezeichnete die Freimaurerei als „verbrecherische Mafia“ und den internationalen Zionismus als „die Hand, welche all das auf ein klares Ziel lenkt“, weshalb ihm von Kritikern bis in die Gegenwart Judenfeindlichkeit vorgeworfen wird.[7] Als Leiter des Pressehauses verantwortete er auch antisemitische Artikel in der Tageszeitung Mały Dziennik und in der von ihm 1922 gegründeten Monatszeitung Rycerz Niepokalanej.[8]
Verhaftungen und Hinrichtung
Im Dezember 1939 wurde Pater Kolbe mit vierzig Ordensbrüdern von der Gestapo verhaftet, aber bald auf freien Fuß gesetzt. Am 14. Februar 1941 wurde er erneut festgenommen. Hauptgrund war, dass er in Niepokalanów 2300 Juden und dazu anderen, polnischen und ukrainischen griechisch-katholischen Flüchtlingen Zuflucht gewährt hatte.
Er wurde in das Warschauer Zentralgefängnis Pawiak gebracht und im Mai desselben Jahres in das KonzentrationslagerAuschwitz verlegt, wo er weiter als Priester und Seelsorger im Geheimen wirkte. Am 29. Juli 1941 wurden Männer als Vergeltungsmaßnahme für die nur vermutete Flucht eines anderen Häftlings, dessen Leiche später gefunden wurde, zur Ermordung aussortiert. Als einer der Männer, Franciszek Gajowniczek, der eine Frau und zwei Söhne hatte, in lautes Wehklagen um sich und seine Familie ausbrach, bat Pater Kolbe den Führer des HäftlingslagersKarl Fritzsch darum, den Platz von Gajowniczek einnehmen zu dürfen, und wurde am 31. Juli 1941 in den berüchtigten „Hungerbunker“ des Blocks 11 gesperrt. Dort betete er mit seinen Leidensgenossen und tröstete sie. Am 14. August wurden Pater Kolbe und drei andere Verurteilte, die noch nicht verhungert waren, durch Phenolspritzen, die der FunktionshäftlingHans Bock injizierte, umgebracht und im Krematorium verbrannt. Gajowniczek überlebte das Konzentrationslager und starb 1995.
Bedeutung und Fortwirken
Bereits Mitte 1948 hatten die Bemühungen zur Einleitung von Kolbes Seligsprechungsprozesses begonnen.[9] 1971 wurde Pater Kolbe von Papst Paul VI.seliggesprochen und 1982 von Papst Johannes Paul II. als Märtyrerheiliggesprochen. Bei beiden Feiern war Franciszek Gajowniczek anwesend. Der liturgische Gedenktag Maximilian Kolbes in der katholischen und der anglikanischen Kirche sowie der in der evangelisch-lutherischen Kirche in Amerika ist der 14. August.
Eine besondere Ehrung Kolbes ist seine Aufnahme als Märtyrer des 20. Jahrhunderts am Westportal der Westminster Abbey in London. Die Statuen wurden 1998 von Königin Elisabeth II. eingeweiht. Der Haupteingang befindet sich an der Westseite. Das Portal wird von Darstellungen der vier christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Friede sowie von zehn Märtyrern des 20. Jahrhunderts gerahmt.
Die Militia Immaculatae wurde am 6. Mai 2000 in Polen im Geist und gemäß dem Wortlaut seiner ursprünglichen Statuten wiedererweckt. Die traditionelle MI wurde mittlerweile in zahlreichen Ländern gegründet und zählt über 120.000 Mitglieder (Stand 2022).[13]
Rolf Hochhuth widmete sein Drama Der Stellvertreter Maximilian Kolbe, dem Auschwitz-Häftling Nr. 16670. Die an Maximilian Kolbe und den Berliner DompropstBernhard Lichtenberg angelehnte Figur Riccardo Fontana trägt im Stück die gleiche Häftlingsnummer. Im dritten Aufzug des fünften Akts berichtet Jacobson vom Tod Kolbes im Bunker.
Im Jahr 2018 wurde in einem Seitenaltar der BasilikaSan Francesco von Ravenna, Italien, eine lebensgroße, betont realistisch gestaltete Statue Kolbes aufgestellt, die ihn in der Kutte eines Franziskaner-Paters zeigt.
Das Maximilian-Kolbe-Werk ist ein eingetragener Verein, der aus der Begegnung einer Gruppe von Christen der deutschen Sektion von Pax Christi mit ehemaligen Häftlingen 1964 in Auschwitz hervorging. Offizielle Gesten der Wiedergutmachung, partielle Entschädigung oder andere Leistungen von Seiten der Bundesregierung waren damals nicht in Sicht. Hauptgedanke dieser Gruppe war der Ausdruck von Sympathie und Solidarität mit den Opfern der deutschen Konzentrationslager. Trotz der schlechten politischen Beziehungen zwischen Westdeutschland und der Volksrepublik Polen, vor allem zu den Themen Vertreibung, Heimatvertriebene und Kommunismus[14], entstand daraus 1973 das Maximilian-Kolbe-Werk durch einen gemeinsamen Beschluss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und 13 weiterer katholischer Verbände.
Pater Maximilian Kolbe war in Polen schon damals sehr bekannt und verehrt. Auf deutscher Seite war Alfons Erb, der damalige Vizepräsident von Pax Christi, besonders aktiv. Die Verständigung mit und Unterstützung von ehemaligen KZ- und Ghetto-Häftlingen aus der damaligen Volksrepublik Polen und anderen Ländern erfolgt unabhängig von ihrer Religion, Konfession oder politischer Weltanschauung. Das Werk wollte auch zur Versöhnung der Völker beitragen. Das weitgehend von privaten Spenden getragene Werk konnte seit seiner Gründung bis 2013 über 70 Millionen Euro in verschiedenen Bereichen einsetzen.
Maximilian-Kolbe-Stiftung
Die Maximilian-Kolbe-Stiftung wurde 2007 mit Zustimmung der Deutschen und der Polnischen Bischofskonferenz von der Mitgliederversammlung des Maximilian-Kolbe-Werks gegründet. Die international zusammengesetzte Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, konkrete Beiträge zur Weiterentwicklung und Förderung der Versöhnungsarbeit in Europa zu leisten. Die Deutsche Bischofskonferenz hat dafür die nicht verwendeten Mittel aus der Entschädigung der Zwangsarbeiter in kirchlichen Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg zur Verfügung gestellt. Die Polnische Bischofskonferenz hat sich die gemeinsame Herausforderung unterstreichend ebenfalls mit einem namhaften finanziellen Beitrag an der Stiftungsgründung beteiligt.