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Samuil (Bulgarien)

Samuils Armee erobert Edessa.
Forensische Gesichtsrekonstruktion des vermuteten Leichnams am Prespasee.

Samuil (bulgarisch Самуил oder Samuel und Samoil, * 958; † 6. Oktober 1014) war von 997 bis 1014 einer der letzten Zaren des ersten bulgarischen Reiches.[1][2] Unter seiner Herrschaft wurde Ohrid am gleichnamigen See Hauptstadt des bulgarischen Reiches.[3]

Leben

Laut Samuils-Inschrift von 993, einer der ältesten kyrillischen Inschriften, war Samuil ein Sohn des bulgarischen Komitologen von Serdica Nikola und Ripsimia. Seine Brüder David, Moses und Aron gründeten im 10. Jh. das bulgarische Athos-Kloster Zografou. Laut Cedrenus[4] ermordeten nomadisierende Walachen David im Gebirge (Epirus) zwischen Kastoria und Prespa an einer Stelle genannt „schöne Eichen“. Moses fiel gegen die Byzantiner bei der Verteidigung von Seres. Später wurde Aron wegen Verrats an Byzanz auf Befehl seines jüngsten Bruders Samuil hingerichtet.[5]

Samuil führte ab 977 als Heeresführer und ab 997 als Zar von Bulgarien einen 40 Jahre andauernden und für Byzanz vernichtenden Krieg, in dem am Ende der byzantinische Kaiser Basileios II. die Oberhand behielt.[3] Mehrere Schlachten sicherten Samuil jahrelang einen militärischen Vorteil, in dem er das Bulgarische Reich nach Nordosten wiederherstellte und nach Südwesten bis nach Larissa und Thessaloniki ausbreitete. Die entscheidende Schlacht von Kleidion fand 1014 im Strymontal im Belasiza-Gebirge statt. 15.000 bulgarische Krieger wurden gefangen genommen, geblendet und zu Samuils Residenz bei Prespa geschickt.[3] Beim Anblick der Geblendeten soll Zar Samuil einen Schlaganfall bekommen haben; jedenfalls verstarb er kurz darauf. Von nun an ist Basileios II. in den historischen Quellen als Bulgaroktónos (Bulgarentöter) bekannt. Bulgarien wurde bald darauf in fünf byzantinische Themen (Provinzen) gegliedert und diese Gliederung wurde bis zur Wiederherstellung Bulgariens 1185 beibehalten.

Unter der Herrschaft von Zar Samuil wurde das Erzbistum Ohrid zur bulgarisch-orthodoxen Patriarchat-Kirche ernannt und die Festung Ohrid neu erbaut.[6] Patriarch wurde Germanus I. Nach der Eroberung durch Byzanz wurde das Patriarchat von Ohrid wieder zu einem Erzbistum herabgesetzt, blieb aber autokephal.

Grabstätte

Die Reste der Basilika „Agios Achillios“.

1969 leitete der griechische Archäologe Nikolaos Moutsopoulos die Ausgrabungen in der Basilika Agios Achillios auf der gleichnamigen Insel im Kleinen Prespasee im Norden Griechenlands. Dabei entdeckte er im rechten Naos der Basilika vier Sarkophage, die reich bestattet gewesen, jedoch bereits im Mittelalter von Grabräubern ausgeraubt worden waren. Obwohl jegliche Inschriften fehlen, nahm Moutsopoulos an, dass es sich um die drei Grabstätten der letzten Zaren des Ersten Bulgarischen Reiches handelt: Samuil, Iwan Wladislaw und Gawril Radomir. Bei dem vierten Sarkophag handelt es sich laut Moutsopoulos um die Grabstätte von Iwan Wladimir, den Schwager von Iwan Wladislaw.[7]

Die Überreste der Personen aus den Sarkophagen befinden sich heute im Labor des Archäologen an der Universität in Thessaloniki. Er hat sie mehrmals dem bulgarischen Staat im Gegenzug für einige byzantinische Schriften angeboten.[8][9]

Bedeutung

Südosteuropa um das Jahr 1000

Wie auch bei anderen nationalen Symbolen der Region reklamieren sowohl Bulgarien als auch Nordmazedonien den Zaren Samuil jeweils für sich. Die Diskussion darüber, ob Samuil Herrscher eines mazedonischen (westbulgarischen) oder eines bulgarischen Staates war, ist allerdings ahistorisch, da sie einen Versuch darstellt, ethnische Vorstellungen der Gegenwart in die Vergangenheit zu projizieren.[6][10] Auf der nebenstehenden Karte, die Südosteuropa um das Jahr 1000 zeigt, ist auch eine Region zu sehen, welche während des gesamten Hochmittelalters (10.–13. Jahrhundert) den Namen „Makedonien“ (auf der Karte englisch Macedonia) trägt: das byzantinische Makedonien um Adrianopel (östliches Thrakien).[11] Die geographische Lage dieser Region stimmte damals weder mit dem Makedonien der Antike noch mit der heutigen Republik Nordmazedonien überein. In Grün sieht man auf der Karte als Bulgaria eingezeichnet das Bulgarische Reich unter Samuil, welches das heutige Mazedonien, aber auch große Gebiete darüber hinaus umfasste.

2022 legten bulgarischen und nordmazedonischen Historiker, als Teil einer gemeinsamen Geschichts- und Schulbuchkommission den Streit bei. Damit erkannte die nordmazedonische Seite an, dass die Mehrheit der internationalen, modernen Geschichtswissenschaft Samuil als einen bulgarischen Herrscher an der Spitze eines mittelalterlichen bulgarischen Staates auf dem Gebiet des heutigen Nordmazedonien betrachtet und sie verpflichtete sich diese Formulierung in den nordmazedonischen Geschichtsbüchern auch umzusetzen. Darüber hinaus empfahl die Historikerkommission gemeinsamen Feierlichkeiten zu Ehren Zar Samuils als ein Zeichen für gemeinsamer Werte, wahrer Nachbarschaft und Freundschaft.[12][13]

Einen archäologischen Beleg für die Zugehörigkeit Bitolas und Ohrids zum Bulgarischen Staat Samuils enthält die Bitola-Inschrift des Zaren Iwan Wladislaw von 1015/16, gefunden 1956 bei der Zerstörung der Čaush-Moschee in Bitola. Die Inschrift stammt aus der Samuils-Festung in Bitola und benennt die Namen Samuils und seiner Eltern und die bulgarische Zugehörigkeit von Festung und Land. Die Marmortafel wurde bis in die 1990er Jahre im Museumsdepot geheim gehalten. Im Museum von Bitola ist diese seit Mitte der 2010er Jahre mit einer Begleitinschrift als altslawische Inschrift ohne Bulgarienbezug und ohne Hinweis auf den Text ausgestellt.

Die Bitola-Inschrift von 1015/16, die Samuils-Inschrift aus Prespa von 993, die Grabinschrift des Chargubil Mostič aus Preslav von 950 und die Inschrift aus Varosch von 996 zählen zu den ältesten kyrillischen Inschriften überhaupt.

Zar Samuil in der Literatur

Seine Biographie und die Epoche, in der Zar Samuil lebte, haben eine Reihe von Schriftstellern und Künstlern inspiriert. Die Trilogie des Autors Dimitar Talew Самуил - цар български (zu dt. etwa Samuil-bulgarischer Zar) basiert sowohl auf historischen Fakten als auch auf der Sicht des Autors.[14]

Die Schlacht von Belasiza ist im Gedicht Die Landwehrsoldaten auf Schipka (bulg. Опълченците на Шипка) von Iwan Wasow erwähnt worden.[15] Mit der Schlacht wird auch das Gedicht von Pentscho Slawejkow Цар Самуил (zu dt.: Zar Samuil) in Verbindung gebracht.[16] Der Dichter Atanas Daltschew erwähnt die „geblendeten Soldaten Samuils“ (aus dem bulg. ослепелите бойци на Самуила) in seinem Werk Към родината (zu dt. etwa: An die Heimat).[17]

Siehe auch

Literatur

  • Paul Meinhard Strässle: Krieg und Kriegsführung in Byzanz. Die Kriege Kaiser Basileios II. gegen die Bulgaren. (976–1019), Böhlau Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-412-17405-7.

Einzelnachweise

  1. Brockhaus, 2006, Band 23, ISBN 3-7653-4123-1
  2. Ohrid in Encyclopedia of the Middle Ages, Routledge, 2000, ISBN 1-57958-282-6
  3. a b c Lexikon des Mittelalters, 2002, Band VII., ISBN 3-423-59057-2
  4. "Synopsis Istorion", Georgii Cedrenus, Paris, 1864
  5. "Geschichte der Bulgaren", Constantin Jirecek, Prag, 1876
  6. a b Samuel of Bulgaria in The Oxford Dictionary of Byzantium
  7. Nikolaos Moutsopoulos: Базиликата „Свети Ахилий“ в Преспа. Един исторически паметник-светиня (zu dt. etwa: Die Basilika Agios Achillios in Prespa. Eine historische Stätte), Sofia, 2007.
  8. в. „Стандарт“, 14 януари 2007, Държат в шкаф костите на Самуил
  9. Проф. Казимир Попконстантинов: Предложението за размяна на самуиловите кости е провокация от Гърция, Агенция "Фокус", 15. Februar 2007. Abgerufen am 28. April 2007 
  10. Naum Kajtschew: On Unifying Around Our Common History - Tsar Samuil Erga Omnes. 7. April 2021, abgerufen am 11. April 2021 (englisch): „1991, the Oxford Dictionary of Byzantium noted "the dispute over whether Samuil created a Macedonian, Western Bulgarian or Bulgarian state is ahistorical, as it projects contemporary ethnic differences on the past”“
  11. Macedonia in Oxford Dictionary of Byzantium
  12. Krassen Nikolow und Nathalie Weatherald: Bulgarien und Nordmazedonien erzielen Kompromiss in Geschichtsstreit. In: euractiv.de. 16. September 2022, abgerufen am 9. September 2022: „Herrscher eines großen mittelalterlichen Staates, den die Mehrheit der modernen Geschichtswissenschaft als das bulgarische Königreich mit seinem Zentrum auf dem Gebiet der heutigen Republik Nordmazedonien ansieht Nun hat die Kommission eine Reihe von Empfehlungen für Änderungen in den Geschichtslehrbüchern der beiden Länder vorgelegt. Demnach stellen Behauptungen in nordmazedonischen Schulbüchern der 6. Klasse über die Kontinuität zwischen dem antiken und dem modernen mazedonischen Staat einen historischen Anachronismus dar.“
  13. Препораки на Заедничката мултидисциплинарна експертска комисија за историски и образовни прашања усвоени од страна на Заедничката меѓувладина комисија формирана согласно Договорот за пријателство, добрососедство и соработка меѓу Република Северна Македонија и Република Бугарија. (PDF) Empfehlungen der gemeinsamen multidisziplinären Expertenkommission für historische und erzieherische Befugnisse, gebildet im Einklang mit dem Abkommen über Freundschaft, Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen der Republik Nordmazedonien und die Republik Bulgarien. Nordmazedonisches Außenministerium, abgerufen am 9. September 2022 (mazedonisch).
  14. Димитър Талев, „Самуил - цар български“. Band 1, Sofia, 1998, S. 361 ISBN 954-584-238-5: За своя роман „Самуил-цар български“ аз използувах почти всички факти, които са установени в историческата наука. Исках моят роман да има познавателно значение, да бъде щит на историческата правда и съкрушително оръжие срещу някои лъжеисторици в Скопие, които се опитват да фалшифицират историята[...]В този роман е поставен един голям за нас, българите, въпрос - въпросът за държавата. Там са вложени много от ония неща, които са валидни и днес за отношението на нашия човек към държавата и отношението на държавата към човека[...] Романът е наситен с много от големите и малки въпроси за човека и за неговия живот, за човешките страсти и падения, за душевната мощ в човека, за неговите благородни пориви, за все още неосъществените му блянове и копнежи[...]
  15. Iwan Wasow, „Die Landwehrsoldaten auf Schipka“ (bulg.)
  16. Pentscho Slawejkow, „Цар Самуил“
  17. Atanas Daltschew, An die Heimat (bulg.) (Memento des Originals vom 5. Juli 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.litclub.com
VorgängerAmtNachfolger
RomanZar Bulgariens
997–1014
Gawril Radomir
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