Am 9. November 1967 fand an der Universität Hamburg eine offizielle Feier anlässlich der Übergabe des Rektorats von Karl-Heinz Schäfer an Werner Ehrlicher statt. Bei der Feier im vollbesetzten Audimax schritten die Lehrstuhlinhaber, alle mit Talaren (traditionellen akademischen Amtstrachten) bekleidet, eine Treppe hinunter, an der Spitze der alte und der neue Rektor.
Gert Hinnerk Behlmer hatte das Transparent in der Innentasche seines Anzugs gefaltet.[5] Während der Prozession holte er es heraus, entfaltete es und trug es mit Detlev Albers vor der Prozession her.[6] Die Professoren konnten den Text nicht lesen und schritten weiter; die Pressefotografen hatten genügend Zeit, die Szene abzulichten. Der Ordinarius für IslamkundeBertold Spuler rief daraufhin den Studenten zu: „Sie gehören alle ins Konzentrationslager!“[7] Er wurde dafür zeitweilig von seinen Dienstgeschäften suspendiert.[5][8]
Laut Behlmer spielte der geschichtliche Hintergrund des 9. November keine Rolle bei der Vorbereitung der Aktion.[5]
Transparent
Das Transparent ist 70 cm hoch und zwei Meter lang.[9] Die Grundfarbe ist schwarz, der Text ist zweizeilig in weißen Buchstaben aus Leukoplast mit Groß-/Kleinschreibung aufgeklebt. Bei der schwarzen Stoffbahn handelt es sich um den Trauerflor von der Trauerfeier anlässlich der Beerdigung des vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossenen Studenten Benno Ohnesorg, die im Juni 1967 in Hannover stattgefunden hatte. Der örtliche AStA habe, so Behlmer, von einem Ballen schwarzer Kunstseide große Bahnen abgeschnitten und sie an die teilweise weit angereisten Demonstranten verteilt. Er habe sein Stück behalten und am Vorabend des 9. November die Buchstaben aufgeklebt.
Gelegentlich ist der Text Peter Schütt, damals wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg, später als „Hofdichter“ der DKP bezeichnet, 1990 Konvertit zum schiitischenIslam, zugeschrieben worden.[12]
Albers[4] und auch Behlmer äußerten, sie seien von einem Graffito an einem Bauzaun auf dem Campus angeregt worden, „der ungefähr so ging: Es mieft in der Universität, und das seit 100 Jahren.“[5]
Albers war zum Zeitpunkt der Aktion Jurastudent im achten Semester und war im Jahre 1966 in die SPD eingetreten. Später war er Professor am Institut für Politikwissenschaften der Universität Bremen, zuvor von 1996 bis 2004 Landesvorsitzender der SPD Bremen. Behlmer war bis 2004 Staatsrat der Hamburger Kulturbehörde. Beide waren zum Zeitpunkt der Aktion Mitglieder des Sozialdemokratischen Hochschulbunds.[15]
Für die Spendenaktion Ein Platz im Audimax stellten beide die Aktion am 9. November 1997 mit dem Original-Transparent an Ort und Stelle nach.[16]
Intention
In einem Interview für den Unispiegel 6/2005 im Dezember 2005 erklärte Albers die Gründe, die ihn und seine Kommilitonen zu der Aktion veranlasst hatten:
Zusätzlich zu dem Protest gegen die althergebrachten, autoritären Strukturen der Ordinarienuniversität erfolgte die Anspielung im Transparent auf das „Tausendjährige Reich“. Hintergrund war die bis dahin kaum und schon gar nicht selbstkritisch thematisierte NS-Vergangenheit vieler deutscher Professoren. Es bleibt aber fraglich, inwieweit diese Bedeutung des Spruchs bei der Rektoratsfeier wahrgenommen wurde. Weder in den folgenden Gremiensitzungen der Universität noch in der Presseberichterstattung spielte dieser Vorwurf eine Rolle.[18]
Norbert Jankowski – im November 1967 stellvertretender AStA-Vorsitzender – hält die Anspielung auf die NS-Zeit für eine nachträgliche Interpretation: Er habe die Anspielung damals nicht wahrgenommen und nimmt auch nicht an, dass „die anderen das vorher durchdacht haben, auch wenn sie das heute oft anders erzählen.“ (Zitiert nach Helene Heise, Thema Parole vom Bauzaun (in der Reihe einestages – Zeitgeschichten auf Spiegel Online)).[19]
↑Hochschulen / Hamburg: Muff im Talar. In: Der Spiegel. Nr.48, 1967, S.84 (online – 20. November 1967). Götz Aly: Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück. S. Fischer, Frankfurt 2008, ISBN 3-10-000421-3, S. 70.
↑Mitteilung von Gert Hinnerk Behlmer vom 27. September 2022
↑Homepage der Universität Hamburg und Mitteilung von Gert Hinnerk Behlmer vom 27. September 2022
↑Ansonsten ist es richtig, dass sich im Prinzip das aus Formatgründen in einer Stahlkassette verwahrte Spruchband Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren (Maße: Breite 1,97 m und Höhe 0,69 bis bzw. 0,70 m) bereits seit vielen Jahren als Teil des Depositum des Familienarchivs von Gert-Hinnerk Behlmer im Staatsarchiv Signatur 622-1/211 befindet. Es wurde allerdings in den vergangenen Jahren auf Wunsch und in Absprache mit dem Deponenten mehrfach für Ausstellungen (unter anderem im Museum für Kunst und Gewerbe) ausgeliehen. So ist es nun auch bereits seit gut einem Jahr für ca. fünf Jahre als vorübergehende Dauerleihgabe zu Ausstellungszwecken an die Universität Hamburg (Zentralstelle für wissenschaftliche Sammlungen) ausgeliehen – wenn Sie das besagte Objekt also einmal selbst in Augenschein nehmen möchten, ginge dies im Moment in der Tat nicht mehr im Staatsarchiv, sondern nur dort in der Universität Hamburg (das im Haus der Geschichte in Bonn viele Jahre präsentierte, nahezu identische Spruchband ist übrigens eine nachträglich anhand von Fotos konstruierte Version gewesen, da man dort wohl zeitweise annahm, der Original würde inzwischen gar nicht mehr existieren). Auskunft Staatsarchiv Hamburg von 1. September 2020 Der Muff unter den Talaren. In: Norddeutscher Rundfunk. 12. April 2008, abgerufen am 23. Mai 2018.