Nach dem Besuch der Handelsakademie im oberösterreichischen Vöcklabruck (1968–1973) war Prammer am Gemeindeamt Ottnang tätig. Sie studierte von 1978 bis 1986 Soziologie an der Johannes Kepler Universität Linz und schloss mit dem akademischen GradMag. rer. soc. oec.(Magistra rerum socialium oeconomicarumque, Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) ab. Es folgten berufliche Tätigkeiten als Sozial- und Berufspädagogin im Linzer Zentrum für Rehabilitation (bis 1989) und beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich, wo sie Frauenreferentin war.
Barbara Prammer war von 1980 bis 2001 mit Wolfgang Prammer verheiratet[1] und Mutter zweier Kinder. Ihr Sohn kam 1973 zur Welt, ihre Tochter, Julia Fellner, 1980.
Am 13. September 2013 wurde im Rahmen einer Pressekonferenz von ihrem Pressesprecher Gerhard Marschall bekannt gegeben, dass Barbara Prammer ernsthaft erkrankt sei.[3][4]
Die Amtsgeschäfte als Präsidentin des Nationalrates wolle sie jedoch vorerst weiterführen. Gemäß einer Vereinbarung mit dem Zweiten Präsidenten Fritz Neugebauer wollte sich Prammer im Fall von Verhinderungen von diesem vertreten lassen. Am 24. September gab Prammer bekannt, dass es sich um eine Krebserkrankung handelt, sie aber ihre politische Funktionen weiter ausüben werde.[5] Am 8. Mai 2014 absolvierte Prammer ihren letzten großen politischen Auftritt beim Fest der Freude am Heldenplatz.
Im 61. Lebensjahr verstarb Barbara Prammer im Kreis ihrer Familie an den Folgen ihrer Krebserkrankung.[6][7][8]
Das Grab, ein Ehrengrab der Stadt Wien, befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof.[9] Im Jahr 2018 wurde in Wien-Donaustadt (22. Bezirk) die Barbara-Prammer-Allee nach ihr benannt und 2019 der Barbara-Prammer-Hof in der Fontanastraße in Wien-Favoriten.[10]
Verabschiedung
Am 9. August 2014 fand vor dem Parlament die Verabschiedung statt, die einem Staatsbegräbnis gleichkam, wobei Barbara Prammer mit einem Zapfenstreich verabschiedet wurde. Zuvor war sie in der Säulenhalle des Parlamentsgebäudes aufgebahrt worden, wo Tausende Bürger Abschied nahmen. Neben Reden des Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf und der amtierenden Bundesratspräsidentin Ana Blatnik kam es auch zu Würdigungen durch Barbara Coudenhove-Kalergi, der Unterrichts- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, von Bundeskanzler Werner Faymann und Bundespräsident Heinz Fischer.
Zum ungleichen Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen sagte sie 2002: „Diese fünf Jahre sind ein Pfand in der Hand der Frauen, und dieses Pfand ist sehr sehr wertvoll und kostbar und das war es in der Vergangenheit schon und das wird es auch in der Zukunft sein. Das heißt, hier haben Frauen noch immer die Möglichkeit, ‚Ihr in der Politik, Ihr oder Du liebe Gesellschaft bist uns noch einiges schuldig, und dann wenn ihr sozusagen diese Aufgaben erledigt habt, dann reden wir über das gesetzliche Pensionsalter.‘ zu sagen“.[11][12]
Wirkung
Tatsächlich konnte Prammer in ihrer Amtszeit eines der wichtigeren familienpolitischen Gleichstellungsanliegen erfolgreich umsetzen, nämlich 1999 die Verankerung der „vollen Ausgewogenheit der Beiträge“ in der Ehe in das Familien- und Eherecht. Ihre Vorgängerin Helga Konrad hatte das 1996 mit der Halbe-halbe-Kampagne initiiert, war aber kurz danach wegen des enormen Aufsehens abberufen worden. Prammer konnte dann in dreijähriger Arbeit der Konsensfindung die einvernehmliche Gesetzesnovelle des ABGB erzielen, und damit insgesamt eine Weichenstellung in der Gleichstellungspolitik, und darüber hinaus auch der ganzen Sozialpolitik, was die Vorgänge „in den eigenen vier Wänden“ der Österreicher betrifft.
Am 16. Juni 2004 wurde Prammer vom österreichischen Nationalrat mit 96 von 157 Stimmen zur Vizepräsidentin gewählt. Vom 6. bis 8. Juli 2004 fungierte sie zusammen mit dem Präsidenten Andreas Khol (ÖVP) und dem Dritten Vizepräsidenten Thomas Prinzhorn als amtierendes Staatsoberhaupt, nachdem Bundespräsident Thomas Klestil verstorben war.
2006 wurde sie als erste Frau zur österreichischen Nationalratspräsidentin gewählt. Die politischen Beobachter achteten daher besonders auf die Ergebnisse der (geheimen) Abstimmung. Mit 135 von 166 gültigen Abgeordneten-Stimmen erreichte sie prozentuell dieselbe Zustimmung wie ihr Vorgänger Andreas Khol vier Jahre zuvor. In ihrer Antrittsrede sprach sie sich für die Stärkung der Minderheitenrechte im Nationalrat aus. Im Jahr 2008 wurde Prammer mit 140 von 168 gültigen Stimmen erneut zur Nationalratspräsidentin gewählt, ebenso 2013 mit 147 von 179 gültigen Stimmen.
Karl Müller würdigte Prammer in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Theodor Kramer Gesellschaft, mit besonderem Blick auf die erinnerungspolitischen Ziele dieses Vereins, den Prammer unterstützt hat. Müller nannte sie eine Politikerin, die „für eine österreichische Erinnerungs- und Gedächtnispolitik, die diesen Namen verdient, Wegweisendes geleistet (hat). Sie hat das (Wiener) Parlament für die Vertriebenen und Geflüchteten der Jahre seit 1938 geöffnet, indem sie die Überlebenden und ihre Nachkommen wiederholt in das Hohe Haus einlud, und indem sie sich für die wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Zeit und von deren Folgen einsetzte. Ihre Reden waren die einer authentischen Frau, die um die Abgründe, die unaufhebbare Schuld sowie Verantwortung, und zugleich um die Großartigkeit Österreichs wusste.“
Big Brother Award, in der Kategorie Behörden und Verwaltung (Negativpreis)
Gedenken
Die Stadt Wien ehrt das Gedenken an Barbara Prammer mit der nach ihr seit 5. Juni 2018 benannten Barbara-Prammer-Allee[15] im nördlichen Teil der Seestadt Aspern in Donaustadt. Die Verlängerung dieser Allee wurde im Oktober 2023 nach der Sacharow-Preisträgerin 2023 Jina Mahsa Amini benannt.[16] 2019 wurde eine Straße im Linzer Industriegebiet am Hafen nach ihr genannt, die Barbara-Prammer-Straße. Es handelt sich um eine Verkehrsfläche mit einer Länge von etwa 300 Metern, rund um das Cineplexx herum.[17]
Am 5. November 2019 wurde in der Fontanastraße in Wien-Favoriten der Barbara-Prammer-Hof der Öffentlichkeit übergeben, der erste neu errichtete Wiener Gemeindebau nach 15 Jahren Baupause.[18]
Zu ihrem Gedenken wird von den SPÖ Frauen alljährlich die Barbara-Prammer-Nadel für besondere Verdienste in Frauenrechten und Frauenpolitik verliehen. Zu den bisherigen Empfängerinnen zählen Landesrätin Birgit Gerstorfer, NR-Abgeordnete Katharina Kucharowits und die Villacher Vizebürgermeisterin Gerda Sandriesser.[19]
Publikationen
Wir sind Demokratie. Eine Ermunterung. Edition Ausblick, Wien/Ohlsdorf 2013, ISBN 978-3-903798-01-4.
Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden. Neue Antworten auf alte Fragen. Styria Premium, Wien/Graz/Klagenfurt 2011, ISBN 978-3-222-13332-9.
Barbara Prammer, Barbara Rosenberg, Karl A. Duffek (Hrsg.): Die Qualität der Demokratie. Kriterien, Befunde, Herausforderungen. Löcker, Wien 2011, ISBN 978-3-85409-556-9.
Literatur
Gerhard Marschall, Christina Hornek-Zeiss, Reinhard Deutsch (Hrsg.): Danke, Barbara! Das Buch der Erinnerung an Barbara Prammer. Edition Ausblick, Wien / Ohlsdorf 2015, ISBN 978-3-903798-35-9.
Andreas Bachmann, Thomas Trescher: Die heilige Barbara. In: Datum. Seiten der Zeit. Heft 03/09. Wien 1. März 2009, S.18–22 (online [abgerufen am 26. März 2013]).