Der Ort Crostwitz liegt zwischen 160 und 180 m ü. NHN an beiden Seiten des Baches Satkula, der etwas nördlich des Ortes in das Klosterwasser mündet. Gemeinsam mit Panschwitz-Kuckau zählt die Gemeinde zum sogenannten „Oberland“ (sorb. Horjany) der ehemaligen Klosterpflege St. Marienstern. Im östlichen Teil der Siedlung, südlich und westlich umflossen vom Bach, befindet sich der Kirchberg mit der Katholischen Kirche, dem Crostwitzer Friedhof, der Schule und einigen älteren Wohn-, teils Fachwerkhäusern. Der größere Teil des Ortes erstreckt sich jedoch auf der Westseite der Satkula in Richtung Panschwitz-Kuckau. Die nächste höhere Erhebung ist der Galgenberg/Šibjeńca (207,9 m ü. NHN) am nordöstlichen Ortsausgang in Richtung Jeßnitz.
In der Nähe des Ortsteils Kopschin befinden sich die Reste einer alten slawischen Burgwallanlage, die sogenannte Kopschiner Schanze.
Der Ort wurde bereits 1225 als Herrensitz des Henricus de Crostiz urkundlich erwähnt. Die Pfarrkirche von Crostwitz hatte seit dem 13. Jahrhundert eine große Bedeutung für die Region zwischen Panschwitz, Storcha und Rosenthal. Die meisten anderen Kirchen in dieser Gegend wurden erst später errichtet.
Die Planungen für die Sächsische Nordostbahn sahen eine Streckenführung von Bautzen über Crostwitz in Richtung Kamenz vor. Mit dem ausbrechenden Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt auch aufgrund heftiger Widerstände in der Bevölkerung wurde der Bau jedoch abgebrochen und nicht wieder aufgenommen.
Im Rahmen der nationalsozialistischen Volkszählung 1939 bekannten sich in der ganzen Lausitz insgesamt 595 Menschen zur „wendischen Volkszugehörigkeit“, obwohl dies aufgrund der propagierten Charakterisierung der Sorben als „deutscher Stamm“ ausdrücklich unerwünscht war. Von diesen sogenannten „Bekenntniswenden“, die im Unterschied zu jenen Sorben, die eine deutsche Volkszugehörigkeit angaben, ein politisches Problem für das Regime darstellten, kamen allein 364 aus Crostwitz. Hier hatte Pfarrer Jan Wjenka im Vorfeld dazu aufgerufen, sich ungeachtet der staatlichen Nationalitätenpolitik zum Sorbentum zu bekennen.[4]
Im April 1945, als anderswo der Zweite Weltkrieg bereits vorbei war, fanden in der Region schwere Gefechte zwischen der Heeresgruppe Süd, einigen SS-Verbänden, der 2. Polnischen Armee und der Roten Armee statt. Ein von Johannes Peschel geschaffenes und auf der Anhöhe Fulkec hora 1980 errichtetes Ehrenmal[5] erinnert an die vielen Opfer.
In Crostwitz wurde am 10. Mai 1945 (nur fünf Tage nach Ende der letzten Kampfhandlungen) der Dachverband der sorbischen Vereine, die Domowina, neugegründet.
Crostwitz liegt im Südosten des sorbischen Kernsiedlungsgebietes und ist eines von dessen Zentren. Im Jahr 2001 sprachen 85,4 % der Einwohner der Gemeinde Obersorbisch.[6] Die Bevölkerungsmehrheit ist zudem katholischen Glaubens.
Für seine Statistik über die sorbische Bevölkerung in der Oberlausitz hatte Arnošt Muka in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts für den Ort eine Bevölkerungszahl von 538 Einwohnern ermittelt, davon waren 523 Sorben (97 %) und 15 Deutsche.[7]Ernst Tschernik zählte 1956 in der Gemeinde Crostwitz einen sorbischsprachigen Bevölkerungsanteil von nur noch 73,9 %, bedingt v. a. durch den Zuzug von Umsiedlern aus den ehemaligen Ostgebieten.[8]
Laut der Volkszählung von 2011 waren zu diesem Zeitpunkt von 1.058 Einwohnern 984 römisch-katholisch (93 %), 15 evangelisch (1,4 %) und 59 gehörten einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft an (5,6 %).[9] Damit ist Crostwitz jene Gemeinde in Sachsen mit dem höchsten Anteil an Katholiken.
Überall an den Wegrändern zeugen Kreuze, Betsäulen und sorbische Beschriftungen (an Straßenschildern, Geschäften, Schulen etc.) davon, dass Crostwitz zu den Zentren der lebendigen sorbischen Sprache und Kultur, hier katholisch geprägt, zählt.
Der einzige Stolperstein in Crostwitz befindet sich im Ortsteil Horka; er wurde in sorbischer Sprache gestaltet und erinnert an Annemarie Kreidl, welche dort bei sorbisch-katholischen Adoptiveltern aufwuchs und nach diesen Annemarie Schierz (Hana Šěrcec) genannt wurde. Da ihre leiblichen Eltern Juden waren, wurde sie im Jahr 1942 verhaftet und wahrscheinlich im Jahr darauf vom NS-Regime ermordet.
Kirche
Bevor die Region unter Bischof Benno von Meißen christianisiert wurde, befand sich an der Stelle der jetzigen Kirche ein heidnischer Tempel. Nachdem der katholische Glaube Einzug hielt, wurde dort zu Ehren der heiligen Apostel Simon und Juda Thaddäus eine kleine Holzkirche errichtet.
Sie ist alljährlich der Ausgangspunkt einer Osterreiterprozession. Nachdem die Reiter gemeinsam am Ostergottesdienst teilgenommen haben, reiten sie über Siebitz in die Nachbargemeinde Panschwitz-Kuckau, wo sie von den Ordensschwestern des Klosters St. Marienstern empfangen werden.
Auf dem Crostwitzer Kirchhof liegt der sorbische Schriftsteller Jurij Brězan begraben.
Die in Crostwitz ansässige Sportgemeinschaft SG Crostwitz 1981 (Sportowa jednotka Chrósćicy) ging aus dem ältesten sorbischen Sportverein, der 1896 gegründeten Serbowka hervor und ist heute der größte Verein der Gemeinde. Ab den 1930er Jahren hatte Crostwitz mit Sokoł Chrósćicy eine eigene Fußballmannschaft. Heute spielt die Männermannschaft in der Landesklasse. Bis 2014 gab es auch eine Frauenmannschaft.
Der Crostwitzer Gemeinderat besteht aus elf Mitgliedern und tagt in sorbischer Sprache. Die Gemeinderatswahl 2024 ergab folgende Stimm- bzw. Sitzverteilung:[11]
Eine zum 1. Juli 2011 angestrebte Gemeindefusion mit der Nachbargemeinde Panschwitz-Kuckau scheiterte an Meinungsverschiedenheiten der Gemeinderäte, unter anderem die künftige Tagungssprache betreffend.
Die Gemeinde Crostwitz verfügt über die sorbische Grundschule Jurij Chěžka mit 71 Schülern im Schuljahr 2022/23.[15]
2001 wehrten sich Eltern, Lehrer und Schüler der Mittelschule Crostwitz gegen deren vom sächsischen Kultusministerium verfügte Schließung („Crostwitzer Schulaufstand“, Chróšćan zběžk).[16] Ungeachtet ihrer Proteste und der Unterstützung seitens sorbischer Organisationen, der katholischen Kirche, der Nachbarländer Tschechien und Polen und des Europarates schloss das Ministerium die Mittelschule Crostwitz zum Schuljahresende 2003.
Michael Kockel (Michał Kokla, 1840–1922), Gutsbesitzer und Abgeordneter des sächsischen Landtags, lebte über Jahrzehnte in Crostwitz.
Der sorbische Schriftsteller Jurij Koch wurde 1936 im Ortsteil Horka geboren.
Literatur
Cornelius Gurlitt: Crostwitz. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 35. Heft: Amtshauptmannschaft Kamenz (Land). C. C. Meinhold, Dresden 1912, S. 12.
↑Ernst Eichler, Hans Walther: Ortsnamenbuch der Oberlausitz – Studien zur Toponymie der Kreise Bautzen, Bischofswerda, Görlitz, Hoyerswerda, Kamenz, Löbau, Niesky, Senftenberg, Weißwasser und Zittau (= Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Band28). I Namenbuch. Akademie-Verlag, Berlin 1975, S.150.
↑Frank Förster: Die „Wendenfrage“ in der deutschen Ostforschung 1933–1945. Schriften des Sorbischen Instituts 43, Domowina-Verlag, Bautzen 2007, S. 103f.