Heinrich Brugsch wurde 1827 als Sohn einer preußischen Soldatenfamilie geboren. Seine Eltern Ernst Wilhelm und Dorothea planten für ihn zunächst eine Taufe nach evangelischem Bekenntnis, doch nach dem Willen seines schlesischen Großvaters Johann Karl Brugsch wurde Heinrich schließlich katholisch getauft.[1]
Heinrich entwickelte schon früh Interesse für die Werke griechischer Historiker und die Schilderungen der Bibel. Er besuchte das Französische Gymnasium in Berlin, wo er einem einstigen Kriegskameraden seines Vaters, dem äußerst strengen Ordinarius Kohlheim, unterstellt war. Ende des Schuljahres 1834 bekam Brugsch ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und wechselte daraufhin ins Köllnische Realgymnasium, wo er sich zu einem Musterschüler entwickelte. Von seinen Lehrern gezielt gefördert und zur Leistung motiviert, entwickelte er starkes Interesse für die Kultur des Alten Ägypten.[1]
Die königliche Sammlung ägyptischer Altertümer im Schloss Monbijou suchte Brugsch häufig auf und begann sich dort die Grundlagen der altägyptischen Schrift und Sprache beizubringen. Der Direktor des Museums, Giuseppe Passalacqua, förderte die Bemühungen des jungen Enthusiasten und machte ihm seine Bibliothek zugänglich. Die hilfreiche Unterstützung veranlasste Heinrich, sich mit der Verfassung einer Grammatik des Demotischen zu beschäftigen.[1]Karl Richard Lepsius wurde auf den jungen Gymnasiasten aufmerksam und suchte dessen Elternhaus auf, um Erkundigungen über ihn einzuholen. Vermutlich wegen seiner persönlichen Abneigung gegen Passalacqua stufte Lepsius Brugsch jedoch nur als mittelmäßigen Schüler ohne viel Potential ein.[1] Ein Versuch Brugschs, bereits vor Ablegung des Abiturs bei Karl Richard Lepsius Vorlesungen zu besuchen, wurde von Lepsius abgelehnt. Auch später konnte das Verhältnis zu Lepsius nicht verbessert werden.
1845 trat Brugsch in die Burschenschaft Teutonia Berlin ein.[2] Trotz unregelmäßigen Schulbesuchs bestand Brugsch 1848 nicht nur das Abitur am Köllnischen Gymnasium, sondern konnte noch im selben Jahr seine erste Schrift Scriptura Aegyptiorum demotica veröffentlichen, in der er sich als Discipulus primae classis gymnasii realis bezeichnete. Darin stilisierte er sich zum genialen Entzifferer der demotischen Schrift, allerdings konnte er auf Vorarbeiten Thomas Youngs zurückgreifen. König Friedrich Wilhelm IV. und Alexander von Humboldt wurden auf ihn aufmerksam und förderten Brugsch auf jede mögliche Weise.[3]
Derart unterstützt, konnte er ohne Sorgen Studienreisen nach Paris, London und Turin unternehmen. Er nahm Studien der Philologie und Archäologie in Berlin auf und konnte nach dem Abschluss auf Kosten des Königs 1853 eine wissenschaftliche Reise nach Ägypten unternehmen. Hier traf er den französischen Forscher Auguste Mariette, der bei Memphis Ausgrabungen durchführte.
1851 heiratete Brugsch in Berlin Pauline Harcke; mit ihr hatte er eine Tochter und drei Söhne,[4] nach anderen Angaben zwei Töchter und vier Söhne.[5] Einer seiner Söhne war der Orientalist Ernst Mohammed Brugsch.[6] Einer der Trauzeugen war Alexander von Humboldt.
Nach seiner Rückkehr 1854 habilitierte er sich an der Berliner Universität mit einer Arbeit über die Hegelsche Philosophie. Neben seiner Berufung zum Privatdozenten wurde er auch Assistent am Ägyptischen Museum, das damals von Giuseppe „Joseph“ Passalacqua geleitet wurde.
Eine zweite Reise führte ihn 1857 bis 1858 wieder nach Ägypten. Deren Ergebnisse wurden zwischen 1857 und 1860 veröffentlicht und schufen damit Grundlagen für die gesamte Forschung der vorgriechischen Geografie Ägyptens und seiner Nachbarländer.
In amtlicher Eigenschaft als königlich Preußischer Vizekonsul begleitete er eine preußische Gesandtschaft unter Leitung seines Freundes, des Ministerresidenten Freiherrn Julius von Minutoli, nach Persien (Mai 1860 bis Juni 1861). 1863 begründete Brugsch in Berlin die Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde, die älteste ägyptologische Fachzeitschrift.[7] Im Herbst 1864 wurde er zum preußischen Konsul in Kairo ernannt.
1867 gab er sein Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch heraus, das in Leipzig verlegt wurde. Im Vorwort zu diesem groß angelegten vierbändigen Werk (1728 Seiten) fühlte Brugsch sich gezwungen, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass sein Vorhaben verfrüht sei, da die Bedeutung vieler Wörter noch zu ungewiss sei. Die Zahl der Lemmata war auf 4650 angestiegen und alphabetisch nach ihrer Transkription geordnet. Brugsch ging davon aus, dass die Benutzer seines Wörterbuchs gelernt hätten, altägyptische Schriften zu lesen und zu transkribieren. Für diese Transkription nutzte er nicht mehr die koptischen Buchstaben wie Jean-François Champollion, sondern lateinische mit diakritischen Zeichen. Brugsch hatte hieroglyphisch-hieratisches und demotisches Material gleichermaßen berücksichtigt. Schon 13 Jahre später (1880–1882) vervollständigte er sein Wörterbuch mit drei weiteren Bänden, mit kaum weniger (1418) Seiten als die ersten vier und mit gleich vielen teils neuen, teils überarbeiteten Lemmata.[8]
1868 kehrte Brugsch nach Deutschland zurück, wo er in zweiter Ehe Antonie Verständig heiratete (aus der Ehe gingen weitere fünf Söhne hervor, darunter der Arzt Theodor Brugsch)[5] und an der Universität Göttingen eine Professur für Ägyptologie erhielt. Hier konnte er sich nur schwer in den Wissenschaftsbetrieb einleben, und so folgte er 1870 der Aufforderung des Vizekönigs von Ägypten, Ismail Pascha, die Leitung der in Kairo errichteten Ecole d’Égyptologie zu übernehmen. Dabei begleitete ihn sein Bruder Emil Brugsch.
1873 wurde er in den Rang eines Bey erhoben. Im selben Jahr vertrat er Ägypten auf der Weltausstellung in Wien. 1877 repräsentierte er dieses Land auch auf der Industrieausstellung in Philadelphia.
Nachdem der Vizekönig gestürzt worden war, kehrte Brugsch 1879 nach Berlin zurück. Er hoffte, zum Nachfolger Auguste Mariettes im Antikendienst Ägyptens ernannt zu werden, allerdings wurden bis zu Nassers Zeiten nur Franzosen eingesetzt.
Zurück in Berlin war er Privatdozent an der Universität. 1884 wurde er gebeten, als Mitglied einer deutschen Gesandtschaft nach Persien zu reisen. Dort war er als Legationsrat am Hofe des Schahsakkreditiert.
1891 und 1892 kehrte er ein letztes Mal nach Ägypten und in die Libysche Wüste zurück, um im staatlichen Auftrag ägyptische Altertümer zu erwerben.
Adolf Erman: Nachruf an Heinrich Brugsch. In: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Alterthumskunde. Band32. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1894, S.69–73 (Textarchiv – Internet Archive).
Hannelore Kischkewitz: Die Ägyptologen Richard Lepsius, Heinrich Brugsch und Georg Ebers und ihre Stellung zu Zeitfragen. In Forschung und Berichte.Staatliche Museen zu Berlin, Heft 20/1980, S. 89–100.
Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band 1: Politiker. Teilband 1: A–E. Winter, Heidelberg 1996, ISBN 3-8253-0339-X, S. 146–147.
Thomas Gertzen: Der ‚Große‘ (1827–1894) und der ‚Kleine‘ (1842–1930) Brugsch. In: Kemet. Heft 4/2007, S. 78–80.
Peter Dils: Das Projekt Altägyptisches Wörterbuch und die Geschichte der altägyptischen Wortforschung. In: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Heft 4, 2010, S. 143–158 (Digitalisat).
Dorothea Minkels: Reisen im Auftrag preussischer Könige gezeichnet von Julius von Minutoli. Books on Demand, Norderstedt 2013, ISBN 978-3-7322-7919-7, S. 280, 330f., 366f., 393f.
↑ abcdThomas Gertzen: Der ‚Große‘ (1827–1894) und der ‚Kleine‘ (1842–1930) Brugsch. In: Kemet. Heft 4/2007, S. 78–80.
↑Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 1: A–E. Heidelberg 1996, S. 146.
↑Hanno Beck: Alexander von Humboldt als Mäzen. In: Wolfgang-Hagen Hein (Hrsg.): Alexander von Humboldt. Leben und Werk. Boehringer, Ingelheim 1985, ISBN 3-921037-55-7, S.303–307.
↑Theodor Brugsch: Geschichte einer Gelehrtenfamilie. Verlag der Nation, Berlin 1986, ISBN 3-373-00073-4.
↑Ägyptologen und Ägyptologien zwischen Kaiserreich und Gründung der beiden deutschen Staaten. Reflexionen zur Geschichte und Episteme eines altertums-wissenschaftlichen Fachs im 150. Jahr der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde. In: Susanne Bickel, Hans-W. Fischer-Elfert, Antonio Loprieno, Tonio Sebastian Richter (Hrsg.): Beihefte zur Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde. Band1. De Gruyter, Berlin / New York 2013, ISBN 978-3-05-006340-9, S.7–12.
↑Peter Dils: Das Projekt Altägyptisches Wörterbuch und die Geschichte der altägyptischen Wortforschung. In: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Heft 4, 2010, S. 149–150.